Landeshauptstadt: Favorit ohne Plan B
Hans-Jürgen Scharfenberg von den Linken hat gute Chancen, erneut im Potsdamer Süden zu gewinnen – gegen eine hoch motivierte SPD-Kandidatin
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Der Statistik nach ist Ulrike Häfners Kandidatur aussichtslos. Die SPD-Direktkandidatin im Wahlkreis 22 hat es am Sonntag mit Potsdams Linke-Politschwergewicht Hans-Jürgen Scharfenberg zu tun – der im Süden der Stadt schon bei der vergangenen Landtagswahl 2009 souverän die meisten Stimmen verbuchen konnte. Mit 42,8 zu 31,4 Prozent ließ er damals Potsdams SPD-Chef Mike Schubert weit hinter sich. Und auch bei der Kommunalwahl im Mai gewann der Landtagsabgeordnete seinen Wahlkreis im Süden locker, erhielt mit fast 9000 Stimmen sogar die meisten Voten aller angetretenen Stadtpolitiker. Mehr noch: Teilweise holte die Linke in dem Gebiet fast doppelt so viele Prozentpunkte wie die SPD.
Dennoch glaubt Ulrike Häfner an ihre Chance: „Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass ich gewinne – aber es wird sehr knapp.“ Entsprechend hat die 46-jährige Vorstandsreferentin des Paritätischen Landesverbands Brandenburg viel Zeit in ihren Wahlkampf investiert. Unter anderem absolvierte sie bis jetzt mehr als neuntausend direkte Hausbesuche in ihrem Wahlkreis – zu dem neben dem Kirchsteigfeld sowie der Teltower und Templiner Vorstadt mit Stern, Drewitz, Schlaatz, den Waldstädten und Zentrum-Ost auch fast sämtliche DDR-Plattenbausiedlungen Potsdams gehören – also fast ausnahmslos Stadtteile mit traditionell hohen Linke-Wahlergebnissen. Dennoch habe es kaum Vorbehalte gegeben, wenn sie klingelte, sagt die SPD- Frau: „Im Gegenteil: Ich habe unglaublich viel Zuspruch erfahren.“ Nur wenige Begegnungen seien ablehnend verlaufen.
Das Kalkül der SPD ist, dass die Sprecherin des Frauenpolitischen Rates Brandenburg, einem Dachverband von mehr als 20 Frauenorganisationen, den Sozialdemokraten auch neue Wählerschichten im Potsdamer Süden erschließt. Scharfenberg ist das Engagement seiner Konkurrentin nicht verborgen geblieben. „Sie macht einen aktiven Wahlkampf – das sehe ich auch.“ Doch er engagiere sich schon seit Jahren im Süden der Stadt, sagt der 60-Jährige: „Ich habe hier Spuren hinterlassen, bin für die Bürger immer greifbar.“ Das sei der Unterschied, sagt der Oppositionschef im Potsdamer Stadtparlament in Bezug auf seine Kontrahentin.
Er kennt das Wohngebiet Stern auch so gut, weil er dort wohnt. Häfner dagegen lebt in der Innenstadt, in einem kleinen Plattenbau. Dennoch ist die gebürtige Erfurterin, die 1999 nach Potsdam kam, seit zehn Jahren aktives Mitglied im SPD- Ortsverein Stern-Drewitz-Kirchsteigfeld: „Ich habe mir den ausgesucht, weil er am spannendsten ist – die Vielfalt von Möglichkeiten, Kontrasten und Widersprüchen ist einfach reizvoll zu begleiten.“
Insofern sind sich beide Kontrahenten in ihrer Analyse der Probleme im Potsdamer Süden relativ ähnlich. Vor allem seien mehr barrierefreie Wohnungen nötig, gerade für ältere Menschen. Dafür müssten zum Beispiel mehr Plattenbauten mit Aufzügen ausgestattet werden. Auch Häfner berichtet von Problemen älterer Menschen, die die Wohnung wechseln müssen und dann nichts mehr Passendes im vertrauten Umfeld finden, wo Familie und Freunde wohnen. Scharfenberg wiederum mahnt, in Stadtteilen wie Schlaatz oder Drewitz müssten gerade soziale Angebote gegen bestehende Probleme weiter entwickelt werden. Häfner sagt, bei ihren Haustürgesprächen sei immer wieder die Gefahr sozialer Isolation und Armut angesprochen worden. Kritisiert würden auch die Sauberkeit und die Sicherheit in den Plattenbaugebieten. „Und auch die Infrastruktur muss gemacht werden – die Betonstraßen hier werden marode“, sagt Scharfenberg und verweist auf die Neuendorfer Straße, die als erste Piste des Sterns saniert wird.
Angesichts der bisherigen Linke-SPD-Dominanz im Wahlkreis 22 geht es auf hinteren Plätzen wohl nur um Achtungserfolge – etwa für den Potsdamer CDU-Vize Steeven Bretz, der über die Landesliste seiner Partei allerdings relativ sicher ein Ticket für den Landtag lösen dürfte. Auffällig ist der Jungliberale Dominique Römhild, der zuletzt eine 24-Stunden-Wahlkampfaktion veranstaltete – allerdings in der Innenstadt, nicht im Süden. Im Vergleich zum restlichen Potsdam fanden im Wahlkreis 22 auch gleich mehrere verbale Kandidatenduelle vor Publikum statt, um die Anwohner zum Urnengang zu animieren – traditionell ist die Wahlbeteiligung im Potsdamer Süden eher unterdurchschnittlich.
Und nun blicken alle auf den Sonntag. Scharfenberg sagt: „Ich mag den Begriff Favorit für mich nicht – der Wähler entscheidet.“ Das hat er schon zu spüren bekommen, bei den Oberbürgermeisterwahlen verlor er zweimal gegen Jann Jakobs, unter anderem machte ihm seine frühere Tätigkeit als Stasi-IM einen Strich durch die Rechnung. Das alles spielt aber im laufenden Wahlkampf bisher keine Rolle.
Und Scharfenberg geht auf Risiko. Denn für den Fall einer Überraschung, falls er gegen Häfner verlieren sollte, hat er keinen Plan B für den Politikbetrieb, über die Landesliste seiner Partei ist er nicht abgesichert. „Aber ich gehe gelassen in den Sonntag.“ Und wenn er verliert? Scharfenberg: „Kommt Zeit, kommt Rat.“
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