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Links und rechts der Langen Brücke: Fehlende Akzente

Henri Kramer über das aktuelle Klein-Klein in der Stadtpolitik

Stand:

Jeder kämpft für sich allein – und politische Akzente zur langfristigen Entwicklung Potsdams sucht man vergebens. Die Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Grünen und FDP ist nur noch auf dem Papier eine. Bei den wichtigen Beschlüssen ist sie längst nicht mehr einig: Heillos durcheinander stimmten die Bündnispartner diese Woche im Fall der Alten Post an der Friedrich-Ebert-/ Yorckstraße, die nun doch nicht originalgetreu wiederaufgebaut wird. An anderer Stelle zeichnet sich eine rot-rote Mehrheit für eine Rettung des „Archiv“-Kulturzentrums ab – sogleich geißelte die FDP die SPD. Auch den Vorstoß der Grünen für eine Arbeitsgruppe, die über einen ticketfreien Nahverkehr für Potsdam nachdenken soll, kanzelten die Liberalen ab.

Es gibt viele solcher Beispiele, der Kitt der Kooperation ist vor der Bundestags- und ein Jahr vor der Kommunalwahl weg. Es reicht wohl noch für den aktuellen, aber von nötigen Sparbemühungen weit entfernten Doppelhaushalt 2013/14 und vielleicht auch für Personalien wie die anstehende Wiederwahl des Kämmerers Burkhard Exner (SPD) in diesem Jahr. Ansonsten herrscht der von den Linken stets geforderte Zustand der wechselnden Mehrheiten. Doch bringt auch das die Stadt kaum voran, auch die Opposition bleibt blass. Neben üblichen Architekturquerelen und der von der Bauaufsicht mittels Schließung erzwungenen Frage, ob das „Archiv“ gerettet werden muss, gibt es in der Kommunalpolitik derzeit einfach keine großen Themen, um die gerungen wird. Aktuelle Anträge behandeln stattdessen vielfach Klein-Klein: Der einzige Antrag der CDU in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung war ein Vorstoß für mehr Spiegel an Ampelmasten zur erhöhten Verkehrssicherheit. Die Linken verweisen zwar darauf, dass sie zehn Anträge pro Sitzung einbringen – doch sind dabei auch Ideen wie eine Begehung des Schlaatzes für mehr Sauberkeit. So groß ist offenbar die allgemeine Ideenlosigkeit, dass selbst die legendär langen Sitzungen im Stadtparlament seit geraumer Zeit historisch kurz sind, weil die Politik in der wachsenden Stadt plötzlich seltsam sprachlos ist.

Woran diese verwunderliche Ruhe liegt? Vor dem Wahlkampfgetöse sind die Parteien offensichtlich vor allem mit sich selbst beschäftigt. Und viele erfahrene Leute haben seit der Kommunalwahl 2008 das Stadtparlament verlassen, die zweite Reihe der Lokalpolitik kam nach. Von den Fraktionschefs, die die Rathauskooperation schmiedeten, ist nur SPD-Mann Mike Schubert noch dabei. In dieser Situation müssen sich die Potsdamer vorerst an fehlende politische Akzente aus der Stadtpolitik gewöhnen. Und das, obwohl in einer wachsenden Stadt kritische, kreative und gegenüber der Stadtverwaltung auch durchsetzungsfähige Stadtverordnete nötig sind.

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