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Auf dem Weg nach London. Die Potsdamer Geherin Melanie Seeger bei den Europameisterschaften 2010 in Barcelona.

© imago/Chai v.d. Laage

Sport: Feinschliff in den Pyrenäen

Die Potsdamer Geherin Melanie Seeger erlebt in London ihre dritten Olympischen Spiele und will wie 2004 in Athen weit vorn landen – in zwei Jahren soll dann Schluss mit dem Leistungssport sein

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Endlich ist sie da, wo sie sich vor großen Wettkämpfen am wohlsten fühlt. „Ich bin froh, jetzt in Font-Romeu-Odeillo-Via zu sein“, erklärt Melanie Seeger. Einen Tag nach ihrer Olympia-Einkleidung reiste die Geherin des SC Potsdam am Donnerstag vergangener Woche ins Höhentrainingslager in den französischen Pyrenäen, wo sich die 35-Jährige in den kommenden Wochen auf ihre dritten Olympischen Spiele vorbereiten wird. Gemeinsam mit ihrem belgischen Lebenspartner Dries Vervecken und Töchterchen Helena trainiert Melanie Seeger jetzt in 1800 Metern Höhe für den 11. August. Dann wird sie in London auf einem Rundkurs auf der zum Buckingham-Palast führenden Mall versuchen, ihrem Olympia-Rang fünf von Athen 2004 möglichst nahe zu kommen. „Mein Ziel bei Olympia ist ein Platz unter den Top Sechs bis Top Acht“, erklärt die von Michael Klabuhn trainierte Leichtathletin, die ihre Geherschuhe erst nach den Europameisterschaften 2014 in Zürich endgültig an den Nagel hängen will. „Diese EM sind noch mal mein Ziel“, sagt sie. „Und danach ist nach dann 25 Jahren Leistungssport definitiv Schluss.“ Sie habe jetzt neben dem Sport ein Berufsleben und eine Familie. „Der Sport macht mir noch immer viel Spaß. Er ist aber nicht mehr mein Lebensinhalt, und damit fahre ich gut.“

In der britischen Metropole wollen ihr neben ihrem Lebenspartner auch Mutter Erika, Vater Günter und Bruder André aus Brandenburg/Havel an der Strecke die Daumen drücken. „Außerdem hat sich ein großer Fanklub aus Belgien angekündigt“, so Melanie Seeger. Die stärksten Gegner würden wieder aus Russland, China und Spanien kommen, glaubt die Geherin. Sie wolle in London aber weder auf die internationalen Gegnerinnen noch auf ihre aus Potsdam stammende nationale Konkurrentin Sabine Krantz vom TV Wattenscheid 01 besonders schauen. „Ich gucke dann nur auf meine eigene Leistung“, sagt sie. „Ich will zu den Besten der Welt gehören und dafür mein Bestmöglichstes tun.“

Nach den Olympischen Spielen 2008 in Peking mit dem für sie selbst unbefriedigenden 23. Platz nahm Melanie Seeger ein Jahr Auszeit, brachte Helena zur Welt und ging ihr sportliches Comeback an. „Nach meiner Babypause habe ich die Saison 2010 allein bestritten – viele, die einem vorher auf die Schulter geklopft hatten, waren plötzlich nicht mehr von mir und meinen sportlichen Fähigkeiten überzeugt. Seitdem zieh ich mein Ding mehr oder weniger allein durch, vor allem unterstützt von Dries, unseren Familien und meinen Kollegen an der Schule. Auch meinem Verein, der mich auf dem Weg nach London begleitete, möchte ich danken“, erzählt die Geherin, die es bei den Europameisterschaften 2010 in Barcelona mit Platz vier hinter einem russischen Trio allen Zweiflern zeigte, ihr Pädagogik-Studium beendete und als Grundschullehrerin an der Inselschule Töplitz zu arbeiten begann. Bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr in Daegu gab sie kurz vor dem Ziel auf, um nicht disqualifiziert zu werden. So konnte sie noch das Weltcup-Finale in La Coruna bestreiten, in dem sie sehr gute Dritte wurde, ehe sie sich durch ihre in Naumburg erzielten 1:29:20 Stunden das Olympia-Ticket nach London sicherte.

„Danach“, meint sie, „habe ich mich nur auf meinen Olympia-Start am 11. August um 17 Uhr konzentriert. Ich habe es richtig genossen, nicht mehr den Qualifikationsstress zu haben. Das Wettkampfjahr 2012 ist bislang allerdings unglaublich verlaufen.“ Beim Weltcup im chinesischen Taican wurde Seeger – auf Platz sechs liegend – erstmals disqualifiziert, „was mich sehr geärgert hat“, meint sie noch heute. Auf die Deutschen Meisterschaften verzichtete sie wegen gesundheitlicher Probleme, beim Weltcup im russischen Saransk landete sie auf Platz 19. „Ich dachte damals, ich sei körperlich bereits wieder weiter, aber bei Temperaturen von fast 40 Grad ging am Ende gar nichts mehr“, erinnert sie sich. „Danach war ich anderthalb Wochen krank, und erst Ende Mai wurde bei mir Eisenmangel festgestellt.“ Seeger hoffte zwar, dass es Mitte Juni wieder für einen erfolgreichen Start beim Weltcup in La Coruna reicht. „Da habe ich aber unterwegs gemerkt, wie der Körper reagierte, und bin lieber ausgestiegen.“ Inzwischen gehe es ihr aber wieder gut. „Ich musste in der vergangenen Woche noch zu einer Grunduntersuchung, die der DOSB (der Deutsche Olympische Sportbund/d. Red.) für alle Olympiateilnehmer angeordnet hat. Und da hat man auch festgestellt, dass ich in London starten kann“, erzählt die Potsdamerin, die die Deutschen Meisterschaften im Bahngehen in Diez absagte und stattdessen zu einem einwöchigen Trainingslager in Verveckens Heimatstadt Grobbendonk reiste. „Dort kann man bis zur Nordsee unendlich weit gehen, da habe ich noch mal Grundlagentraining gemacht“, erklärt Melanie Seeger.

Jetzt in der Höhe von Font-Romeu-Odeillo-Via „stehen wieder Grundlagen und nun auch Geschwindigkeit auf dem Programm“, erläutert die Potsdamerin, die sich das dritte Jahr in Folge in jenem Pyrenäen-Ort den letzten sportlichen Schliff verpasst. „Hier habe ich absolute Ruhe für meine Vorbereitung, hier kenne ich mich inzwischen auch bestens aus. Dries betreut mich, und Helena kann mich mit ihrem Laufrad schon ein Stückchen begleiten oder mir bei meinen Trainingsrunden an der Weitsprunggrube meine Trinkflasche reichen.“ Der Countdown für London läuft.

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