Landeshauptstadt: „Feminismus“ war einmal
Blumen und Reden zum Frauentag / Stadtwerke spendeten für Frauenzentrum
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Noch immer verdienten Frauen in Deutschland 26 Prozent weniger Geld als ihre männlichen Kollegen – für die gleiche Arbeit, sagte gestern Elke Liebs. Die Potsdamer Germanistikprofessorin rief beim „Internationalen Frauentagsbrunch“ im Autonomen Frauenzentrum sämtliche Frauen, die unter dieser Ungleichbehandlung leiden, dazu auf, juristisch dagegen vorzugehen und somit „eine Klagewelle auszulösen“.
Etwa 60 Besucherinnen zählte das Frauenzentrum gestern beim Brunch. Neben Liebs appellierte auch Karin Weiss an das Engagement ihrer Zuhörerinnen. Die Integrationsbeauftragte für das Land Brandenburg rückte dabei das Schicksal der Migrantinnen in den Vordergrund. Besonders kritisch äußerte sich die Integrationsbeauftragte dabei gegenüber dem eigenen Geschlecht. Beispielsweise „ermöglichen Putzfrauen aus der Migration die Freiheiten der hiesigen Frauen“, so Weiss. Dies führe zu einem „Abhängigkeitsverhältnis zwischen Frau und Frau“, das sich wegen der oft engen Beziehungen als Haushaltshilfe nicht nur auf der „finanziellen, sondern auch auf psychologischer Ebene“ abspiele. „Die Ausbeutung ausländischer Putzfrauen ist kein spezifisches Frauenproblem“, hielt Heiderose Gerber der Integrationsbeauftragten entgegen. „Sie putzen das Haus ja schließlich für die ganze Familie.“ Daher handele es sich auch um ein „gesamtgesellschaftliches Problem“, so die Geschäftsführerin des Autonomen Frauenzentrums e.V. Um dieses zu lösen, biete das Frauenzentrum seit fünf Jahren Integrationskurse an, in denen Migrantinnen neben der deutschen Sprache auch die hiesige Kultur kennen lernen und Kontakte zu Deutschen knüpfen können.
In Zukunft wolle das Frauenzentrum zudem Erziehungs- und Gesundheitskurse für Migrantinnen anbieten, sagte Geschäftsführerin Gerber. Hierfür und für Personalkosten des Vereins soll der fünfstellige Betrag, den am späten Vormittag Stadtwerke-Geschäftsführer Peter Paffhausen dem Autonomen Frauenzentrum übergab, verwendet werden. Eigens für die Spenden-Übergabe, so betonte der einzige männliche Redner Paffhausen, habe er sich eine rosafarbene Krawatte umgebunden – als „Zeichen der Zuneigung“ zu den Frauen. In Fragen der Emanzipation lag der Stadtwerke-Chef dagegen nicht auf einer Linie mit dem Frauenzentrum. Eine Ausdehnung der Kleinkinder-Betreuung, wie sie von Bundesfamilienministerin Von der Leyen (CDU) gefordert wird, lehnt Paffhausen ab. Frauenzentrums-Vorstand Liebs und ihre Kollegin Gerber dagegen halten es für „skandalös“ und „lächerlich“, dass das Modell der Familienministerin kritisiert werde.
Sowohl der Brunch als auch die Abendveranstaltung zum Frauentag im Nikolaisaal fanden im Rahmen der Brandenburgischen Frauenwoche statt, deren diesjähriges Motto „Macht Chancen gleich“ lautet. Auf allen gesellschaftlichen Ebenen soll hierbei eine Gleichstellung von Frau und Mann erreicht werden, so Liebs. „Der Feminismus mit der Konzentration auf den Kampf der Frau war eine Übergangsform“, so Liebs. An der Gleichberechtigung der Geschlechter sollten künftig auch Männer verstärkt mitwirken.
In der Stadtverwaltung Potsdam ziehen Frau und Mann schon an einem Strang. So können sich die Beigeordnete Elona Müller und ihr Jugendamtsleiter Norbert Schweers an ihre Fahne heften, dass bei Kindern bis drei Jahre alle Anspruchsberechtigten zu 50 Prozent versorgt werden können, bei den Drei- bis Sechsjährigen sind es sogar 94 Prozent, obwohl es in dieser Altersklasse einen uneingeschränkten Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz gibt. „Wir sind in diesem Bereich in Potsdam gut aufgestellt“, sagte Müller am Rande der Frauentagsveranstaltung im Nikolaisaal. Als weiteren Schwerpunkt nannte sie eine intensivere Arbeitsvermittlung für alleinerziehende Mütter und Väter im Zusammenwirken mit der Arbeitsagentur. Die wiederum stehe in Verbindung mit den Betreuungszeiten für Kinder. Noch gebe es nicht genug Betreuungsangebote für Schichtarbeiter und für Verkaufspersonal zum Beispiel mit langen Arbeitszeiten. Hier soll in Zusammenarbeit mit den Betreuungseinrichtungen Abhilfe geschaffen werden.
Zur Eröffnung der Frauentagsfeier im Nikolaisaal hatte die Europaabgeordnete Elisabeth Schroeter Chancengleichheit für alle gefordert. Es könne nicht sein, dass oft immer noch Frauen allein büßen müssten, wenn sich Paare einen Kinderwunsch erfüllten. Man müsse aufhören mit der Polarisierung der Geschlechter, forderte sie. Auf die Frage, ob es zum Glück junger Mütter gehöre berufstätig zu sein, könne sie nur antworten: „Ja es gehört dazu.“ Nach 20 Uhr wurde dann im Foyer des Nikolaisaales noch tüchtig Frauentag gefeiert.
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