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NS-Zeit in Potsdam: Feuer auf dem Bassinplatz

Am 22. Mai 1933 brannten auch in Potsdam Bücher. Um acht Uhr abends trafen sich demnach Anhänger verschiedener NS-Jugendorganisationen auf dem Bassinplatz.

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Eine Studentenstadt war Potsdam damals nicht. Es fanden sich aber trotzdem Jugendliche, die hier eine Bücherverbrennung nach dem Vorbild der von der nazi-treuen Deutschen Studentenschaft landesweit durchgeführten Aktionen – traurige Berühmtheit erlangte die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 in Berlin – inszenierten. Am heutigen Mittwoch jährt sich diese Potsdamer Bücherverbrennung zum 80. Mal.

Als „Fackelzug nationaler Jugend“ wurde die Veranstaltung seinerzeit in der Potsdamer Tageszeitung angekündigt – und auch den Bericht vom Tag danach, dem 23. Mai 1933, muss man genau studieren, um den Hinweis auf die Bücherverbrennung zu finden. Überschrieben ist der Text mit dem vergleichsweise harmlosen Titel „Kundgebung auf dem Bassinplatz: Jungarbeitertum marschiert“. Details recherchierte Thomas Wernicke, Ausstellungsleiter am Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG), gemeinsam mit dem Geschichtswissenschafts-Studenten Alexander Kuchta. Kuchta verfasste zudem ein Kalenderblatt für das Internet-Gedenk-Projekt www.brandenburg-33.de.

Acht Uhr abends trafen sich demnach Anhänger verschiedener NS-Jugendorganisationen vor dem NSDAP-Parteilokal in der heutigen Hegelallee 38. Organisatoren waren neben der Hitlerjugend auch die sogenannte Nationalsozialistische Jungarbeiterbetriebszelle sowie die Jugendgruppen des Gewerkschaftsbundes der Angestellten und des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes. Zunächst gab es einen ausgedehnten Fackelzug durch die Brandenburger Vorstadt bis zur Kastanienallee, durch die Innenstadt und die Berliner Vorstadt bis zur Mangerstraße und wieder zurück zum Bassinplatz. Es sei der erste Marsch „unserer gesamten nationalsozialistischen Jugend von Potsdam“, berichtet die Zeitung, die Anteilnahme der Bevölkerung sei daher „besonders groß“ gewesen.

Für die Abschlusskundgebung auf dem Bassinplatz stellten sich die Gruppen „in einem Viereck“ auf, wie weiter zu lesen ist. Es folgten Ansprachen, in denen es in kämpferischem NS-Duktus um den Schutz der Jugend vor Ausbeutung und ein „neues Lebensrecht für die deutsche Jugend“ ging. Am Ende stand die Bücherverbrennung. In der Potsdamer Tageszeitung vom 23. Mai liest sich das so: „Dann wurde die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen und hierbei ein großer Stapel von marxistischen und Schundbüchern angezündet.“ Die Bücher waren dem Bericht zufolge vorher aus Schulen, Privathaushalten sowie Betriebsbibliotheken eingesammelt worden.

Zur Potsdamer Bücherverbrennung bleiben viele Fragen. Fotos seien bislang nicht bekannt, auch zur Zahl der Teilnehmer oder zu Titeln, die im Feuer landeten, weiß man nichts, sagt Thomas Wernicke. In der Potsdamer Jahresschau, einer Chronik, die bis 1937 jährlich erschien, ist die Veranstaltung nicht vermerkt. Für Wernicke ist die Wissenslücke symptomatisch: Die lokale Geschichte von 1933 bis 1945 sei bis auf wenige Ausnahmen – etwa den „Tag von Potsdam“ am 21. März – unterbelichtet. „Das sollten wir gemeinsam mit dem Potsdam Museum in Angriff nehmen“, sagt er.  

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