zum Hauptinhalt
J. H. Schoeps.

© M. Thomas

50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen: Flucht nach vorne

Wissenschaftler des Moses Mendelssohn Zentrums diskutieren über 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen. In der Geschichte gab es immer wieder große Vertrauenskrisen.

Stand:

Potsdam - An ein Wunder mag weder Julius H. Schoeps, der Gründunsgdirektor des Moses Mendelssohn Zentrums Potsdam (MMZ), noch der ehemalige Botschafter Israels, Shimon Stein glauben. „Als Deutschland vor genau 50 Jahren diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen hat, war das Realpolitik“, sagte Stein. Göttliche Mächte, wie bei einem Wunder üblich, wären nicht zugegen gewesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in einem Grußwort die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel vor dem Hintergrund der Shoah als Wunder bezeichnet.

Wechselhafte Beziehungen zwischen Deutschland und Israel 

Stein, Schoeps und der Journalist Ulrich Deppendorf würdigten das Knüpfen der Bande zwischen den beiden Staaten vor 50 Jahren durch den damaligen Bundeskanzler Ludwig Ehrhard bei einer Feierstunde in der Berliner Akademie der Konrad Adenauer Stiftung. Als prompte Reaktion hätten mehrere arabische Staaten die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen, erinnerte Schoeps. Auch in der Folgezeit seien die Beziehungen von erheblichen Wechselfällen geprägt gewesen. Die gegenwärtigen Spannungsfelder lotet das MMZ in einem Handbuch aus, das im kommenden Frühjahr erscheinen soll: „Handbook of Israel – the major debates“. 70 Wissenschaftler, vorwiegend aus Israel würden gegenwärtig an dem Drei-Jahres-Projekt arbeiten. Die Grenzziehungen und Siedlungsprojekte in Israel, die Konflikte in Nahost, die möglichen Lösungen in der Auseinandersetzung mit den Palästinensern, all das werde in der Veröffentlichung diskursiv erarbeitet. Bis zu 20 000 Israelis würden derzeit in Berlin leben, so Schoeps. Allein dies zeige schon die Nähe von Deutschland und Israel. Fremden- und judenfeindliche Äußerungen von Neofaschisten artikulierten ein Feindbild, das offensichtlich noch immer an den Rändern der Gesellschaft bestehe. Aber: „Damit muss man umgehen“.

In der Diskussion mit Shimon Stein zeichnete der Journalist Deppendorf den historischen und gegenwärtigen Stand der Beziehungen von Deutschland und Israel nach. Stein wies darauf hin, dass die Aufnahme der Beziehungen auch eine „Flucht nach vorne“ gewesen sei: „Das war auch eine Visitenkarte für Deutschland“. Mittlerweile aber sei die Garantie der Sicherheit Israels ein Teil der Staatsraison der deutschen Außenpolitik geworden. Dies habe auch Merkel immer wieder deutlich gemacht. Stein wies allerdings auch auf Belastungen hin, die es im bilateralen Verhältnis immer wieder gegeben habe. Unstimmigkeiten habe es bei der Frage der Anerkennung von Reparationsleistungen Deutschlands gegenüber Israel gegeben. Auch als deutsche Wissenschaftler in den 1960er Jahren Ägypten mitgeholfen hätten, Raketenbasen zu errichten, habe dies Israel als eine Bedrohung empfunden. „Immer wieder hat es Vertrauenskrisen gegeben“, sagte Stein. Als jedoch 2010 deutsche Soldaten in Israel die Handhabung einer Aufklärungsdrohne geprobt hätten, habe dies gezeigt, dass mittlerweile ein großes Vertrauen zwischen den Staaten herrsche.

Arabischer Raum befindet sich in einer Neuordnung

Gegenwärtige Krisen und Probleme Israels könne Deutschland zwar begleiten aber sicher nicht lösen, so der Botschafter. Ob in der Auseinandersetzung mit den Palästinensern eine Zwei- oder eine Einstaatenlösung angebracht sei, wie die Siedlungspolitik Israels international zu bewerten sei, dies seien Fragen, die mit der internationalen Staatengemeinschaft, insbesondere mit den USA zu diskutieren seien. Schoeps und Stein betonten, dass der gesamte arabische Raum sich derzeit in einer Phase der Neuordnung befinde. Die alten, noch durch die Kolonialmächte geprägten Strukturen, würden auseinanderbrechen. Die Reaktion Deutschlands auf die Flüchtlingsströme, die sich daraus ergeben würden, habe ihn positiv überrascht, sagt Stein. 

Richard Rabensaat

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })