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ZUR PERSON: „Fortschritt ist immer Nutzen und Risiko“

Der Molekularbiologe Prof. Ralph Bock über gentechnisch veränderte Pflanzen, ihre Ablehnung und verpasste Chancen „Aus unserer Sicht ist das Verbot von BT-Mais nicht gerechtfertigt“

Herr Prof. Bock, Sie erforschen gentechnische Veränderungen von Pflanzen. Was denken Sie, wenn sie Slogans wie „Gendreck weg“ hören?

Erst einmal muss man Bedenken und Sorgen in der Bevölkerung ernst nehmen. Im Bereich der Gentechnik sind die wissenschaftlichen Zusammenhänge leider so komplex, dass es für den Normalbürger schwer ist, sich eine eigene unabhängige Meinung zu bilden – unabhängig von den Eigeninteressen von Firmen und Organisationen, sei es von der Industrie oder sei es von Greenpeace. Aus der Furcht heraus, etwas nicht genau zu verstehen resultiert schließlich eine Anti-Haltung: Es könnte ja gefährlich sein, dann lieber nicht.

80 Prozent der Bundesbürger lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab.

Wenn man aber nach gentechnisch erzeugten Arzneipflanzen fragt, ist die Mehrheit dafür. Weil die Menschen sich einen unmittelbaren Nutzen für sich selbst davon versprechen. Wenn man in Entwicklungsländern nach transgenen Pflanzen fragt, die durch höhere Erträge das Hungerproblem lindern können, werden Sie auf Zustimmung stoßen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind zurzeit die sichersten Lebensmittel überhaupt, weil keine anderen Pflanzen so intensiv für die Zulassung untersucht werden wie transgene Pflanzen.

Der Verbraucher geht aber davon aus, dass ihm gentechnisch veränderte Lebensmittel schaden könnten.

Es gibt mittlerweile weltweit über 10 000 Studien zur Sicherheit und ökologischen Auswirkungen gentechnisch veränderter Lebensmittel. Keine einzige Studie weist auf irgendwelche gesundheitliche Bedenken hin. Im Gegenteil, gewöhnlich wurden Unterschiede zugunsten der transgenen Pflanzen gefunden, etwa durch eine geringere Belastung durch Pestizide und Unkrautvernichtungsmittel. Denn durch Gentechnik können Nahrungsmittel mit geringerem Einsatz von chemischen Hilfsmitteln erzeugt werden.

Manch einer denkt, dass es sogar schädlich ist, veränderte Gene zu sich zu nehmen.

Davon ist nicht auszugehen. Die Veränderung durch Gentechnik ist die präziseste Möglichkeit eines solchen Eingriffs. Verfahren die beispielsweise beim Hartweizen für Nudelherstellung eingesetzt wurden, mit radioaktiver Bestrahlung, sind wesentlich unübersichtlicher in ihren Folgen als ein gezielter Eingriff in das Genom. Kein Mensch weiß, was die Bestrahlungen für Veränderungen im Genom des Hartweizens verursacht hat. Sicherlich sehr viele und nicht nur die gewünschten. Das ist nie untersucht worden.

Ein verändertes Gen hat also keinen Einfluss auf den menschlichen Organismus?

Nein. Es wird einfach verdaut. Täglich nehmen wir rund zwei Gramm Erbsubstanz aus den unterschiedlichsten Quellen zu uns. Das wandert ohne Auswirkungen durch uns hindurch. Auch diese Gene könnten zuvor in der Pflanze durch spontane Mutationen verändert worden sein. Auch das bleibt gewöhnlich ohne Folgen für den Konsument.

Wenn man nun aber die gentechnisch veränderten Pflanzen, etwa den Mais, der dem Schädling nicht mehr schmeckt, in die Natur ausbringt, hat es Folgen für den gesamten biologischen Kreislauf.

Eine Großzahl von Veränderungen an Pflanzen wurde bislang durch herkömmliche Methoden – etwa Züchtung – aufwändiger als durch Eingriffe in das Genom erzeugt. Doch auch diese nicht gentechnisch veränderten Pflanzen können negative Folgen für ihre Umwelt haben, wie etwa in dem Fall des Rapses, dem der Bitterstoff abgezüchtet wurde, und an dem dann Wildtiere zugrunde gingen. Das beruhte nicht auf Gentechnik. Man muss immer darauf schauen, was die Veränderung in der Kulturpflanze für Auswirkungen auf die Ökologie, auf die Nahrungskette, den Menschen und das Nutztier hat, egal wie die Veränderung erzeugt wurde. Diese Frage ist viel entscheidender als die danach, wie die Veränderung zu Stande gekommen ist. Pflanzen verändert haben die Menschen seit über 10 000 Jahren, etwa durch Selektion und Kreuzung von Pflanzen. Auch dies mit Auswirkungen auf die Umwelt.

Wie sieht das bei dem umstrittenen BT-Mais aus?

Der erzeugt ein zusätzliches Protein, das aus einem Bakterium stammt und seit Jahrzehnten schon im ökologischen Landbau eingesetzt wird, denn man kann auch das Bakterium, das das Protein erzeugt, auf das Feld sprühen. Dieses Protein mag und verträgt der Maiszünsler, ein Schädling, nicht.

Kritiker befürchten nun, dass der Maiszünsler anderen Tieren in der Nahrungskette fehlen könnte, und dass auch andere Insekten durch das Protein geschädigt werden.

Zunächst ist der Maiszünsler kein Masseninsekt, von dem ganze Vogelkolonien leben. Der Mais wie auch der Falter sind ohnehin nicht in Europa heimisch, sondern wurden durch den Menschen eingebracht, also ein Eingriff in die Natur fand schon allein dadurch statt. Der andere Punkt ist, dass bei einer konventionellen Nutzung des BT-Proteins als Pestizid die Auswirkungen noch viel dramatischer sind: beim Spritzen trifft man nicht nur die Insekten, die die Maispflanze befallen, sondern auch andere Insekten, die das Maisfeld als Biotop nutzen ohne dem Mais zu schaden. Auch hier ist der Nutzen der Gentechnik, dass man präziser und zielgerichteter vorgehen kann.

War es also übertrieben, dass der BT-Mais im April in Deutschland verboten wurde?

Aus wissenschaftlicher Sicht war dies nicht durch Daten und Fakten gerechtfertigt. Als Wissenschaftler sehe ich mich aber auch nicht als Befürworter oder Gegner eines flächendeckenden Einsatzes von transgenen Pflanzen. Die Frage nach dem Einsatz solcher Pflanzen berührt mich in meiner wissenschaftlichen Arbeit nur indirekt. Wir stellen unsere Expertise zur Verfügung. Ansonsten betreiben wir Grundlagenforschung und sind neutral.

Gerade wurden vom Forschungsministerium zehn Millionen Euro zur Sicherheitsforschung bereitgestellt.

Ein wichtiger Aspekt bei uns am Institut. Wir sind an der Sicherheitsforschung schon momentan im Rahmen von EU-Projekten beteiligt. Wir versuchen neue Technologien zu entwickeln die Gentechnik sicherer machen, die etwa die Übertragung der Pollen einschränken. Wir wollen auch verlässliche wissenschaftlich auswertbare Daten zu ökologischen Auswirkungen der Gentechnik gewinnen.

Wie steht es um die Sicherheit?

In Europa ist der Stand der Sicherheitsforschung hervorragend, es werden große Summen dafür ausgegeben. Viel größere als in den Ländern, die die Gentechnik flächendeckend einsetzen. Es gibt Kritiker, die sagen, dass dies eine Subvention für den amerikanischen und asiatischen Wirtschaftsraum ist. Denn dort wird die Gentechnik vermarktet. In der Sicherheitsfrage verweist man dort auf die Studien, die mit dem Geld der europäischen Steuerzahler erstellt wurden. Da fragt man sich schon, was uns diese Forschung nutzt, wenn wir die Technologie gar nicht einsetzen.

Das deutsche Gentechnik-Gesetz soll verschärft werden, der Abstand zwischen konventionellen Feldern und denen mit transgenen Pflanzen soll erhöht werden. Ein notwendiger Schritt?

Es gibt eine ganze Reihe von Studien zur Auskreuzungswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit vom Abstand zwischen solchen Feldern die zu Meta-Analysen zusammengefasst wurden. Aus Ländern wie Spanien, wo der BT-Mais schon länger neben konventionellem Mais auf großen Feldern angebaut wird, kommen verlässliche, komplette Daten. Die Ergebnisse besagen, dass im Normalfall ein Abstand von 20 Metern ausreichend ist. Wenn Deutschland den Abstand auf 150 beziehungsweise auf 300 Meter anheben wird, ist das wissenschaftlich nicht begründbar. In der politischen Debatte geht es zum Teil zu wie auf einem orientalischen Basar. Da wirft einer 100 Meter in die Debatte und ein andere sagt, wir legen noch 200 Meter drauf. Ohne, dass die Erkenntnisse, die mit sehr viel Geld und hohem Aufwand von der Wissenschaft erarbeitet wurden, überhaupt eine Rolle spielen.

Welche Auswirkungen hat die negative öffentliche Stimmung auf ihre Arbeit.

Keine unmittelbare, denn wir machen Grundlagenforschung. Aber natürlich freut sich jeder Forscher, wenn seine Ergebnisse in die Praxis umgesetzt werden und der Gesellschaft nutzen. Ein Teil der anwendungsorientierten Forschung wurde durch die neuen Regelungen aber erschwert. Vor allem durch die ungeklärte Haftungsfrage. Wir mussten Forschungen mit Raps aufgeben, weil wir etwa bei einer Zerstörung von Gewächshäusern einen Pollenflug nicht ausschließen können. Wegen der umliegenden Rapsfelder könnte uns dann eine Haftungsklage ins Haus stehen. Das Risiko können und wollen wir nicht tragen. Weitere Konsequenzen betreffen Ausgründungen. Wir hatten in der Vergangenheit sehr erfolgreiche junge Firmen, die sich aus unserem Institut heraus entwickelt haben. Das ist in den letzten Jahren zum erliegen gekommen, weil derzeit niemand eine Perspektive sieht.

Wie geht es weiter?

Letztendlich wird die Frage, ob die Gentechnik in der Landwirtschaft genutzt wird, nicht in Deutschland entschieden. Schon heute ist es schwierig auf dem Weltmarkt eine Charge an Soja zu kaufen, die kein gentechnisch verändertes Soja enthält. Davor verschließen wir in Deutschland die Augen. Es wird außerhalb unserer Entscheidungsgewalt liegen, das ist eine Sache, die sich irgendwann von selbst erledigt haben wird. Natürlich wäre es besser für die Industrie, die Menschen durch überzeugende Produkte mitzunehmen. So ist neben der geringeren Schadstoffbelastung auch die höhere Qualität der Lebensmittel ein wichtiges Züchtungsziel. Es lässt sich beispielsweise der Vitamin- und Nährstoffgehalt erhöhen. Denken Sie an den „Golden Rice“, bei dem der Vitamin-A-Gehalt durch Gentechnik erhöht wurde, um in den asiatischen Ländern die durch Vitamin-A-Mangel verursachte Erblindung und erhöhte Kindersterblichkeit bekämpfen zu können.

Sehen Sie noch weitere Chancen in der grünen Gentechnik?

Nehmen sie den Sektor Energiepflanzen. Man geht davon aus, dass man dies mit herkömmlichen Lebensmittelpflanzen nicht machen kann und vielleicht auch nicht sollte. Schon heute haben wir das Problem, dass die Preise für Mais auf dem Weltmarkt steigen, weil zu viele der Pflanzen zu Biokraftstoffen verarbeitet werden. Es ist auch eine Illusion, dass sich der deutsche Spritbedarf mit Biokraftstoffen decken lässt, es würde nicht einmal reichen, wenn wir das ganze Land mit Raps bepflanzen. Wenn wir das Energieproblem auf biologischem Wege lösen wollen, dann brauchen wir maßgeschneiderte Pflanzen, die das sehr effizient leisten können ohne der Nahrungsmittelproduktion zu viel Platz wegzunehmen.

Gibt es Punkte, an denen Sie nicht weiter forschen?

Es gibt theoretisch denkbare Anwendungen der Gentechnik, bei denen ich sagen würde, man sollte solche Pflanzen nicht aufs Feld bringen. Etwa wenn es um toxische Alkaloide in Lebensmittelpflanzen geht. Aber das wäre ohnehin kein sinnvolles Züchtungsziel.

Und wenn Ihnen jemand sagt, der Mensch dürfe nicht in Gottes Bauplan eingreifen.

Eine Haltung, die ich respektieren würde. Letztlich eine Frage, der sich jeder wissenschaftliche Fortschritt stellen muss. Man kann aus den unterschiedlichsten ethischen und religiösen Gründen gegen den wissenschaftlichen Fortschritt sein. Vor 100 Jahren liefen kirchliche und andere Gruppen massiv gegen die Eisenbahn Sturm. Die schnelle Fortbewegung sei ungesund und nicht gottgefällig. Heute finden wir das amüsant, damals gab es aber Ängste und Sorgen, die die Menschen ernsthaft bewegt haben. Fortschritt ist immer eine Abwägung zwischen Nutzen und Risiko. Letztlich war den Menschen bei der Eisenbahn der Nutzen wichtiger als das Risiko.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Ralph Bock (39) ist Direktor der Abteilung Organellenbiologie, Biotechnologie und molekulare Ökophysiologie am

Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm. Er studierte Biologie an der Martin-Luther-Universität Halle und promovierte am Waksman Institute, State University of New Jersey (USA) und dem Institut für Biologie III der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. In Freiburg habilitierte er sich in Molekularbiologie und Genetik. 2001 wurde Bock Professor und Direktor des Instituts für Biochemie und Biotechnologie der Pflanzen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Direktor am Potsdamer Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie ist Ralph Bock seit 2004. Zugleich ist er auch Honorarprofessor an der Universität Potsdam. PNN

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