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25 Jahre Mauerfall: Freiheit, die nicht einfach so da ist

Wie Potsdamer Berlins Lichtgrenze erlebten – und wie Potsdam heute an der Glienicker Brücke feiert

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Die Mauer, sie trennte einst auch Berlin und Potsdam voneinander. Die Nachbarstädte, die Große dort, die Schöne hier, historisch miteinander verbunden. Dass und wie vor 25 Jahren wieder zusammenkam, was zusammengehört, wird heute Abend ab 18 Uhr auf der Glienicker Brücke gefeiert. Sie wurde am Abend des 10. November 1989 wieder geöffnet, verband Potsdam und Berlin endlich wieder miteinander. Zuvor waren auf der Brücke, die symbolisch steht für die Wiedervereinigung Deutschlands, die Agenten des Kalten Kriegs ausgetauscht worden.

Für die Potsdamer führte der Weg damals, vor 25 Jahren, nach (West-)Berlin. Und auch an diesem Mauerfall-Wochenende machten sie sich auf, um dabei zu sein beim großen Fest in der Hauptstadt. Schon am Freitag- und Samstagabend entschieden viele Potsdamer spontan, sich die Lichtgrenze anzusehen, die Stelen mit weiß leuchtenden Ballons, die in Berlins Zentrum den einstigen Mauerverlauf nachzeichneten. Über die evangelische Kirche hatten auch zahlreiche Potsdamer Patenschaften für die Lichtgrenze-Ballons übernommen. Vor allem Schüler der Schulen der Hoffbauer-Stiftung, so das Gymnasium auf Hermannswerder und die Grundschulen am Pfingstberg und in Babelsberg, seien Potsdamer Ballonpaten geworden, sagte Freimut Hinsch, Ballon-Koordinator der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz. Aber auch zahlreiche Mitglieder der Kirchengemeinden Wannsee und Güterfelde, die eine Partnerschaft pflegen, waren als Ballonpaten vor Ort. Sie durften nicht nur einen der insgesamt 5640 weißen Ballons in die Luft fliegen lassen, sie sollten auch eine persönliche Botschaft daran knüpfen – die vielleicht in Nähe oder Ferne einen Adressaten findet.

Der Babelsberger Daniel Georgi hatte mit seiner Lebensgefährtin Manuela und ihrem gemeinsamen Sohn Hannes eine Ballonpatenschaft übernommen. Der Achtjährige ließ am Abend den Ballon mit der Nummer 2552 am Potsdamer Platz unweit der Stresemannstraße in die Luft steigen. Das klappt zwar nicht auf Anhieb mit der vorhergesehenen Mechanik, wie Daniel Georgi erzählte, doch dank der Hilfe eines Ballon-Betreuers flog er mit etwas Verspätung doch noch in den Berliner Nachthimmel.

Auf das Projekt sei er durch seinen Arbeitgeber, die Johanniter, gestoßen, so der Diplomsozialarbeiter. „Ich wollte dabei sein, weil mir die Wende persönlich viel bedeutet.“ Und die Eltern wollten Hannes, ihrem Sohn, vermitteln, „dass Freiheit nicht einfach so da ist“. Die Idee der Lichtgrenze habe gut funktioniert, sagte Georgi. „Die Lichter haben den einstigen Mauerverlauf gut verdeutlicht, besonders in den Straßenschluchten.“ Als Ballonpate habe die Familie viel Aufmerksamkeit der Umstehenden erfahren – schon allein wegen der roten Jacken mit der Aufschrift „Ballonpate“, die sie bekommen hatten. „Es gab Beifall, als unser Ballon nach oben stieg, und wir wurden fotografiert.“ Zudem hätten die Menschen wissen wollen, was er damals, am 9. November 1989, erlebt habe, so Daniel Georgi. 14 Jahre alt war er damals, verfolgte die Geschehnisse in Berlin damals in Karl-Marx-Stadt – heute Chemnitz – wie gebannt an Fernseher und Radio. „Es war alles anders ab diesem Tag“, sagt er. Unter DDR-Verhältnissen hätte er wohl nicht Abitur machen können – „meine Familie war kirchlich, ich war nie Pionier oder in der FDJ“. Nach einer Ausbildung als Heilerziehungspfleger studierte er Sozialarbeit in Berlin und lebt heute in Potsdam. Die Ballon-Botschaft der Familie Georgi: „frei sein“.

Auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hätte gern einen Ballon in die Luft steigen lassen, doch die Termine in Potsdam ließen das nicht zu. „Aber es ist eine grandiose Idee, die von den Menschen total angenommen wird“, so Jakobs. „Das übertrifft ja alle Erwartungen.“ Noch aus Zeiten der letztlich nicht erfolgreichen Potsdamer Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2010 kennt Jakobs Moritz van Dülmen, der als Chef der Kulturprojekte Berlin GmbH nun die Lichtgrenze umsetzte. In Potsdam organisiert van Dülmen weiterhin die jährliche Medienkonferenz „M100 Colloquium“ als Geschäftsführer, für die er vor zehn Jahren das Konzept erdachte.

Ulrike Poppe, Brandenburgs Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, war als Ehrengast der Feierlichkeiten Ballonpatin direkt am Brandenburger Tor. Ihre Botschaft: „Die Mauer ist nicht einfach umgefallen, sondern von den Menschen durchbrochen worden. Möge die Erinnerung daran uns auch heute bestärken, Mauern einzureißen, wo immer sie entstehen.“ Für Jakobs ist der 9. November – und in Potsdam wegen der Öffnung der Glienicker Brücke der 10. November – „ein Freudentag, keine Frage“. Es sei aber auch ein Tag, der „mahnt, wohin es führen kann, wenn die demokratischen Grundrechte nicht verteidigt werden“. Jakobs rechnet damit, dass am heutigen Abend viele Menschen zur Glienicker Brücke kommen, um auch dort die Maueröffnung zu feiern. Viele Potsdamer, aber auch viele Berliner. (mit jaha)

Eine neue Mauer-Gedenkstätte ist am Sonntag in Groß Glienicke eröffnet worden. Dazu waren rund 100 Menschen zum Gutspark gekommen. Viele von ihnen steckten zum Gedenken an die Opfer der Mauer Blumen in einen ehemaligen Grenzzaun. In Berlin feierten Hunderttausende das Mauerfall-Jubiläum an der Lichtgrenze im Zentrum (Fotos l.). Unter den 5640 Ballonpaten, die die Lichter in die Luft steigen ließen, waren viele Potsdamer.

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