Landeshauptstadt: Freizeit mit Reifrock und Degen
Potsdamer Verein belebt Rokoko-Ära und träumt von einem Barockfest zum 300. Geburtstag Friedrich II. im Jahr 2012
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Das selbstgenähte weinrote Rokokokleid raschelt, wenn Regina Schwarzer Nähte und Rüschen, Spitze und Reifrock zurecht zupft. In ihrem Alltag ist die Potsdamerin für den Vertrieb einer Medizintechnikfirma unterwegs. In ihrer Freizeit dagegen begibt sie sich regelmäßig samt Ballkleid, Fächer und Perücke auf eine Zeitreise in die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Die Epoche des Rokoko oder Spätbarock (etwa 1720 bis 1770) hat es nicht nur Regina Schwarzer angetan, sondern auch 13 weiteren Potsdamern, die sich in einem Verein zusammengeschlossen haben. „Ziel ist es, dieses Zeitalter wieder aufleben zu lassen, vor allem auch durch seine Tänze“, erklärt der Vorsitzende Frank Ditzel. Der Potsdamer Rokoko e.V. sei der erste seiner Art in Brandenburg.
Den gelernten Systemadministrator fasziniert das höfische Zeitalter so sehr, dass er sich vom Tanzmuffel zum Vortänzer bei Gesellschaftstänzen wie dem Menuett, der Gavotte oder Bourée gewandelt hat. „Die Choreografien sind festgelegte Schrittfolgen, ähnlich dem Reglement beim Exerzieren. Das kann man lernen, auch wenn es viel Übung verlangt“, sagt Ditzel, der bereits etwa 40 der zahlreich überlieferten historischen Tänze beherrscht.
An den Wochenenden werden diese bei historischen Veranstaltungen, Umzügen und Barockfesten gezeigt. „In Potsdam ist die Schlössernacht im August fast die einzige Gelegenheit sich zu präsentieren“, bedauert der Vereinsvorsitzende. „Die Stadt ist voll von Barock und Rokoko. Doch ansonsten findet diese Epoche in Potsdam wenig Beachtung“, sagt Ditzel.
Andere Städte wie Ludwigslust, Dresden und Münster haben eines gemein: ein alljährliches Barockfest. „Diese Orte haben uns einiges voraus“, sagt Regina Schwarzer. Als Termin für ein Potsdamer Barockfest biete sich der 300. Geburtstag des Preußen-Königs Friedrich II. (1712 - 1786) im Jahr 2012 an. Bei der Stadt Potsdam und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg gebe es erste Planungen zu diesem Jubiläum. Schwarzer: „Wir könnten uns ein Fest vorstellen, dass nicht in erster Linie eine kommerzielle Großveranstaltung ist.“ Barocke Festtage mit vielen relativ kleinen Veranstaltungen wie Tafelrunden, Bällen, Konzerten, Vorträgen, Ausstellungen, Parkfesten könnten dem Jubiläum einen würdigen Rahmen geben. Da die Organisation eines solchen Festes „eine Nummer zu groß ist für den Verein“, wollen die Rokoko-Freunde andere Interessierte für ihre Idee gewinnen.
Ditzel: „Es gibt zahlreiche Gruppen oder Vereine in Potsdam, die sich mit Geschichte oder Kultur befassen und dabei mitwirken könnten.“ Bei Auftritten in anderen Bundesländern hat der Verein viele Anregungen gesammelt. Ditzel: „Die Schlösser dort werden ideenreich belebt - beispielsweise durch thematische Führungen in historischen Gewändern, begleitet von tänzerischen Darbietungen, die die Besucher in die Atmosphäre damaliger Hofbälle entführen.“ An Regina Schwarzers Rokokokleid sitzen nach wochenlanger Arbeit alle Details. Es ist nicht das einzige Gewand, das durch die Hand von Frank Ditzel entstand. „Einige neue Mitstreiter des Potsdamer Rokoko warten schon ungeduldig auf ihr erstes Menuett in prächtiger Robe“, sagt der Vereinsvorsitzende und greift wieder zur Nadel.
Beatrice George
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