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Ngo Quang Phu in seinem neuen Restaurant.

© Andreas Klaer

Neues Potsdamer Restaurant: Freundschaftliche Fusion in "Kengs Landhaus"

Mit „Kengs Landhaus“ eröffnet Ngo Quang Phu sein drittes Restaurant in Potsdam. Was seine Küche auszeichnet – und wieso im neuen Lokal vietnamesisch-deutsch gekocht wird. 

Von Carsten Holm

Potsdam - Es ist eine ungewöhnliche Lebensgeschichte, die den Vietnamesen Ngo Quang Phu nach Potsdam führt. Die Grenzen zwischen Ost und West sind durchlässig geworden, als der 16-jährige Junge 1990 sein Glück in Europa suchen will. Er verlässt seine Familie, die bis heute in einer Provinz zwischen der Hauptstadt Hanoi und der berühmten Halong-Bucht lebt, und macht sich auf den Weg in die tschechische Republik. Dort hat sein älterer Bruder bereits Anker geworfen, er holt den jüngeren zu sich. Schon bald aber zieht es Ngo Quang, den Teenager, weiter westwärts. Über das brandenburgische Finsterwalde und Berlin geht es nach Potsdam – wo er zu einem der erfolgreichsten Gastronomen der Stadt avanciert. 

Seine vietnamesischen Restaurants „My Keng“, seit 2002 in der Brandenburger Straße, und das „Chi Keng“, seit 2012 am Luisenplatz, sind oft ausgebucht – nun hat Phu, inzwischen 47 Jahre alt, den nächsten großen Schritt gewagt: Ende Januar will er an der Jägerallee 13 mit einer Feier das „Kengs Landhaus“ eröffnen, sein drittes asiatisches Gasthaus in Potsdam. Seit Mitte November läuft dort eine Art Probebetrieb, das Innendesign ist vollendet, der Teich hinter dem Haus angelegt, im Sommer soll im ruhigen Hinterhof unter freiem Himmel Platz für 100 Gäste sein. 

Phu will die sogenannte Fusions-Küche etablieren, ein Zusammenspiel von Esskulturen verschiedener Länder – und schon jetzt lassen sich in dem Fachwerkhaus neben dem Justizzentrum vietnamesische und deutsche Kochkunst genießen. 

Das Restaurant soll im Januar mit einer großen Feier eröffnet werden.
Das Restaurant soll im Januar mit einer großen Feier eröffnet werden.

© Andreas Klaer

Gebäude ist bekannt für gehobene Gastronomie

In der Landeshauptstadt ist das denkmalgeschützte Gebäude seit langer Zeit für seine gehobene Gastronomie bekannt. Einst beherbergte es das Restaurant „Zum Garde Ulanen“ vis-á-vis der ehemaligen Kaserne, in der die Ulanen, ein von Friedrich II. gegründetes Reiterregiment, residierten. 2007 wurde daraus „Speckers Landhaus“. Patron Gottfried Specker und sein Schwiegersohn Steffen kochten es auf ein Niveau, das der Restaurantführer Gault Millau mit 14 von 19,5 Punkten bewertete. Aber die Kosten sind hoch, und es wird immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Schweren Herzens entschließen sich die Speckers zum Verkauf, am 25. Januar 2020 schalten sie die Herdplatten nach einem russischen Abend aus. 

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An diesem Tag hat ihr Landhaus längst den Besitzer gewechselt. Ngo Quang Phu hat Interesse gezeigt, schnell werden sich die Parteien einig. Und, was nicht Geschäftsbestandteil ist: Verkäufer und Käufer mögen sich, vertrauen sich, freunden sich an. Die Speckers ahnen nicht, wie groß ihr Glück ist, in jenen Tagen einen Nachfolger zu finden. Denn kurze Zeit später reißt die Corona-Pandemie die Gastronomie in eine tiefe Krise. Am 27. Januar 2020, zwei Tage nach dem letzten Abend im Landhaus, wird in Bayern die erste Infektion eines Deutschen mit dem Virus bekannt, am 2. März im Landkreis Oberhavel erstmals ein Brandenburger positiv getestet. Am 22. März der erste Lockdown, alle Gaststätten müssen schließen. 

Phu will die Fusions-Küche in Potsdam etablieren.
Phu will die Fusions-Küche in Potsdam etablieren.

© Andreas Klaer

Die Speckers wissen, dass sie ihr Domizil unter diesen Bedingungen kaum zu einem akzeptablen Preis hätten verkaufen können. Von Glück mag Steffen Specker angesichts des Leids, das Corona brachte, nicht sprechen. „Es war eine Fügung für uns“, sagt er. Aber auch Phu kommt gut durch die Krise. Sein Außer-Haus-Verkauf im „My Keng“ ist sehr erfolgreich, um die 400 Take-away-Gerichte werden täglich abgeholt. Und er nutzt die Zeit, will das Landhaus ohnehin grundlegend renovieren. 

Zwei große, rote Sonnenschirme, Fackelleuchten und Bananenstauden vermitteln außen ein warmes, leicht asiatisches Flair, den Innenbereich und die Lounge in der ersten Etage mit insgesamt 130 Plätzen dominieren jetzt dunkle, anthrazitfarbene Töne. Die Kombination von Neonröhren an der Decke und Kerzenlicht auf den hellen Holztischen ist gewagt und gelungen.

Zwei Köche aus Leidenschaft 

Phu spricht nicht gern über seine Erfolge. Man muss ihm abringen, dass die Banken nach einem Blick in seine Bücher sofort bereit waren, den Kauf zu 100 Prozent zu finanzieren. Einen Augenblick wirkt er wie in sich gekehrt, als er leise sagt: „Das war eine Bestätigung meiner Arbeit.“ Dass es um mehr als eine Million Euro ging, dementiert er nicht. 

Wie die Speckers – Steffen Specker hat nach der Heirat mit seiner Frau Tina den Familiennamen angenommen – ist Ngo Quang Phu Koch aus Leidenschaft, er steht täglich am Herd. Sein Vater war Abgeordneter im Regionalparlament, seine Mutter, eine Bauersfrau, hat ihn früh in die Geheimnisse der vietnamesischen Küche eingeweiht: die Hühnersuppe Phó Bo etwa mit Nudeln, raffiniert gewürzt mit Ingwer, Sternanis, Kardamom, Zimt, Koriander- und Fenchelsamen, frischem Thai-Basilikum und Koriander. Eine Offenbarung. 

Steffen Specker.
Steffen Specker.

© Andreas Klaer

Die zweite Frau, die seinen Geschmackssinn prägt, ist Phus Schulleiterin in Finsterwalde. Ihre Familie nimmt ihn als Pflegekind auf. „Im Garten wuchsen riesige Zucchini“, erzählt er. Die Lehrerin füllt sie mit Hackfleisch und schmort sie: „Ein Lieblingsgericht meiner Jugend.“ Seine Augen leuchten, wenn er vom Sauerbraten berichtet: „Drei Tage in Buttermilch ziehen lassen, scharf anbraten, schmoren. Eine Sensation war das.“ Er hat viele deutsche Freunde, aber er erlebt auch die Ressentiments, die viele Ostdeutsche gegenüber Vietnamesen haben, den Menschen aus dem sozialistischen Bruderland. 

In Köpenick eröffnete Phu 1996 sein erstes Restaurant

Phu lernt in Finsterwalde seine Lebensgefährtin Pham Thi Minh Ha kennen, mit der 46-jährigen Vietnamesin hat er einen 16-jährigen und einen 18-jährigen Sohn. Der Ältere studiert an der britischen Elite-Universität Oxford Betriebswirtschaft, der Jüngere besucht ein renommiertes Internat in Cambridge. „Wir investieren nicht in ein Erbe, sondern in Bildung“, sagt der Vater. Seine Frau hat als Dolmetscherin schon für Behörden übersetzt, die meiste Zeit aber arbeitet sie als Buchhalterin und Kellnerin in den Restaurants mit. In der Familie spricht man Deutsch und Vietnamesisch. Kommen die Söhne ins Elternhaus nahe der Brandenburger Straße, liegt auch Deutsches auf dem Teller: „Königsberger Klopse oder Eisbein mögen sie gern.“ 

Etwa alle zwei Jahre fliegt Phu in seine Heimat, um seine Eltern zu besuchen, mehrmals waren sie auch schon in Potsdam zu Besuch. Beide sind über 80 Jahre alt. Sind sie stolz auf ihren Sohn? „Bitte nicht so viel über mich schreiben“, sagt Phu, „aber ich gebe zu: Sie sind ziemlich stolz.“ Er hat ein warmes Lächeln und eine ansteckende Grundfröhlichkeit. Er ist als Chef beliebt, manche Mitarbeiter halten ihm seit 15 Jahren die Treue. Er war 22 Jahre alt, als er 1996 in Berlin-Köpenick sein erstes Restaurant eröffnete, es war ein chinesisches, „weil die Küche Chinas damals überall boomte“. In Potsdam schwenkte er auf eine vietnamesische Karte um, die Zeit war gekommen. 

„Keng meets Speckers“

Nach dem Verkauf hatte Specker Zeit. Phu bot ihm an, weiter im Landhaus zu kochen und ihn zu beraten. Specker sagte zu: „Die Chemie hat gestimmt.“ „Ich war beeindruckt davon, dass wir beide nach den selben Prinzipien arbeiten: Alle Fonds und alle Saucen selbst herstellen, nur frische Produkte“, sagt Phu. „Ich kann neue Wege gehen, ich habe viel über die vietnamesische Küche gelernt“, sagt Specker. Davon inspiriert, will er Königsberger Klopse mit einer Zitronengrassauce kreieren. Auf der Homepage steht: „Keng meets Speckers“. 

Beide profitieren voneinander. Auf der Karte stehen in der Weihnachtszeit Ente und Gänsebraten. „Meine Gans kann man nicht verbessern, auch meine Ente nicht“, sagt Specker selbstbewusst und grinst dabei. Aber er kann ihr eine andere, asiatische Note geben: Brust und Keule etwa der Ente werden mit Rot- und Grünkohl serviert – oder mit Rahmwirsing, Rübchen, Ananas, Sesambällchen und Tarokartoffeln. Neben einer Vielzahl von asiatischen Gerichten gibt es auch Rinderfilet mit Gänseleber oder Wiener Kalbsschnitzel mit Kartoffel-Gurkensalat und Preiselbeeren. 

Specker plant Low-Cost-Küche für Studierende

Steffen Specker ist 45 Jahre alt, zu jung, um nicht nach weiteren Herausforderungen zu suchen. Und auch seinen 67-jährigen Schwiegervater Gottfried juckt das Neue. Beide stehen in Verhandlungen mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI), um auf dem Campus am Griebnitzsee eine Low-Cost-Küche mit 90 Plätzen für Studierende und Professorinnen und Professoren und Gäste zu eröffnen. 

Gottfried und Steffen Specker (v.l.) vor dem Neubau auf dem Waldcampus des Hasso-Plattner-Instituts.
Gottfried und Steffen Specker (v.l.) vor dem Neubau auf dem Waldcampus des Hasso-Plattner-Instituts.

© Andreas Klaer

Sie soll sich, sagt Specker junior, von der üblichen Mensa-Verpflegung abheben und „frischproduktlastig“ sein. Es werde eine Karte mit vegetarischen Bowls, aber auch „Altbekanntes wie Schnitzel und Currywurst geben“. Der Neubau samt Mensa auf dem HPI-Areal steht. „Wir würden dort im Frühjahr gern einziehen“, sagt der Koch.

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