zum Hauptinhalt

Mit Moses Mendelssohn Medaille geehrt: Friede wird gebraucht

Moses Mendelssohn Zentrum ehrte Verlegerin Friede Springer für ihren Beitrag zur Aussöhnung von Juden und Deutschen.

Stand:

Henryk M. Broder rückt seine feuerwehrrote Brille auf der Nase zurecht. Es gibt einiges, was der Autor und Denker zu sagen hat, vor Ärger sagen muss – da er sonst platze. Zum Beispiel über die Regierung: „Sie treibt den Benzinpreis in die Höhe, damit wir wieder Radfahren, und sie achtet darauf, dass wir nicht zu viel essen“, sagt Broder und stößt im Potsdamer Kutschstall mit seinem runden Bauch gegen das Rednerpult. Eine Ministerin habe herausgefunden, dass die Portionen in den Restaurants zu groß seien. „Offenbar ist der mündige Bürger nicht in der Lage, selber zu entscheiden, was und wie viel er essen möchte.“ Broder meckert auch über Nährwertampeln und Energiesparlampen. „Nein, so geht es nicht weiter“, sagt er dann und blickt streng zu Deutschlands bekanntester Verlagschefin Friede Springer, deren dezentes Lächeln in der ersten Reihe einem fröhlichen Grinsen gewichen ist.

Der Potsdamer Kutschstall war am Freitagvormittag Anlaufpunkt für zahlreiche Prominente aus Politik und Gesellschaft. Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Oscar-Gewinner Arthur Cohn, die frühere Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Lala Süsskind, Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst, Bild-Chefredakteur Kai Dieckmann und andere hatten sich am Neuen Markt versammelt, um Friede Springer zu ehren. Der 69-jährigen Verlagschefin wurde die Moses Mendelssohn Medaille verliehen. Das Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) für europäisch-jüdische Studien der Universität Potsdam würdigt damit das unbedingte Eintreten Friede Springers für den freiheitlichen Rechtsstaat.

Sie habe das Engagement ihres verstorbenen Mannes Axel Springer um die Annäherung von Juden und Deutschen fortgeschrieben und die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel gefestigt, sagte Julius Schoeps, Direktor des MMZ. Friede Springer sei eine couragierte, unerschrockene Persönlichkeit, die immer wieder wichtige Hoffnungszeichen setze.

Im 18. Jahrhundert habe Mendelssohn ein Zeichen setzen wollen, kulturelle und religiöse Differenzen beiseitezuräumen, erklärte Schoeps. Tatsächlich galt der Philosoph als Sprecher und Vertreter der Juden in Deutschland. Mendelssohn machte sich daran, die Bibel in das Jüdische zu übersetzen, um sie den Juden näherzubringen. Er gilt als Aufklärer, der für Gedanken- und Redefreiheit kämpfte. Bereits seit 1993 wird die Mendelssohn-Medaille an bedeutende Persönlichkeiten vergeben, darunter der Dirigent Daniel Barenboim oder die Politikerin Hildegard Hamm-Brücher.

Alt-Bundespräsident von Weizsäcker lobte Friede Springer. Sie habe das Werk ihres Mannes hervorragend verstanden und mit dem tiefen Verständnis ihres Herzens fortgeführt. „Dafür können wir ihr sehr dankbar sein.“ Wissenschaftsministerin Kunst führte Friede Springers Großzügigkeit, ihr Herzblut und ihr Engagement auch in der Brandenburgischen Forschungslandschaft an. „Es ist für die Gesellschaft ein Geschenk, dass es Unternehmerinnen wie sie gibt“, sagte Kunst.

Dabei war der Gärtnerstochter das Unternehmertum nicht in die Wiege gelegt worden: Im Jahr 1965 trat die auf Föhr geborene Friede Riewerts als Kindermädchen in den Dienst der Familie Springer. Die Blondine mit einer Vorliebe für Miniröcke, Musik der Beatles und Büchern von Hemingway wurde erst zur Geliebten und später zur fünften Ehefrau des Medienmoguls. Israel war für Axel Springer eine Herzensangelegenheit, gemeinsam lernte das Paar das Land kennen und lieben. Sie fühle sich dem Heiligen Land eng verbunden, sagte Friede Springer zuletzt. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1985 erbte sie mit den Kindern und Enkeln aus Springers früheren Ehen Springers Anteile am Verlagsimperium.

Die Milliardärin, die Potsdam eng verbunden und hier öfter beim Straßenbummel anzutreffen ist, übte sich in ihrer kurzen Rede in Zurückhaltung. „Was habe ich Besonderes getan. Sind das nicht Selbstverständlichkeiten?“, fragte sie. Die 69-Jährige lehnt Sonderbehandlungen ab, privat fährt sie Golf.

Auch sonst verhalte sie sich vollkommen atypisch, erklärte Henryk M. Broder in seiner Laudatio. „Sie tun Gutes und reden nicht darüber, das ist eine große Ausnahme.“ Friede Springer erscheine nicht in den Klatschspalten. Und während die Priester des Öko-Zeitalters Nährwertampel und Energiesparlampen predigten, appellierte Broder an Friede Springer, sich weiter zu Eigenverantwortung, zum Leistungsprinzip, zur Freiheit des Individuums und zur Freude am Leben zu bekennen. „Liebe Friede Springer, bleiben Sie gesund, setzen Sie das Werk ihres Mannes fort. Wir brauchen Sie“, sagte Broder, nahm seine Brille von der Nase und ließ sie im Applaus der Zuhörer in seiner roten Hemdtasche verschwinden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })