Landeshauptstadt: Frühling aus dem Gewächshaus
Die Gärtnerei Schellack ist ein alter Familienbetrieb. Hier gibt es sorgsam aufgepäppelte Pflänzchen und Stauden – aber auch Rosen vom holländischen Blumenmarkt
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Der Tag beginnt für Marliese Stasch bereits um fünf Uhr. Denn schon gegen halb sechs steht „der Holländer“, wie sie sagt, vor der Tür. Dann klettert die 73-Jährige auf und in den LKW und sucht sich aus, was sie für den Blumenladen braucht. Eimerweise knackige Tulpen und edle Rosen beispielsweise. Die „Avalanche“ im zarten Eierschalenton ist ihre Lieblingssorte. Die Blumen aus Holland beziehungsweise Kenia haben somit, bevor sie bei Blumen-Schellack in Alt-Drewitz landen, oft schon halbe Weltreisen hinter sich. „Früher wurden auch welche in Trebbin angebaut“, sagt die Floristin. Aber dieses Früher ist lange her, das war zu DDR-Zeiten. Für den Floristik- und Gärtnereibetrieb von Marliese Stasch und Gerd Schellack ist das nur ein Zeitfenster von vielen.
Gerd Schellacks Vater Fritz gründete 1929 den Betrieb im Dorf Drewitz – genau an dieser Stelle, wenn auch noch nicht ganz so groß. Heute umfasst das Gelände mit Gewächshäusern zwischen Neuendorfer Straße und Zum Kirchsteigfeld 3000 Quadratmeter, dazu kommen 500 Quadratmeter Verkaufsfläche. Der Betrieb ist einer der letzten in privater Hand, der den Potsdamer Baumärkten mit ihren riesigen Gartenabteilungen die Stirn bietet. Mehr als 20 Gärtnereien waren es einst in der Stadt, sagt Gerd Schellack, aber schon die DDR haben nur wenige überlebt. 82 Jahre ist er alt und erinnert sich noch gut, wie sie sich in den 50er-Jahren gegen die Verstaatlichung wehrten. Die Bürgermeisterin haben sie damals vom Hof geworfen, sagt er und winkt ab.
Heute wird hier niemand mehr vom Hof geworfen. In der Februarsonne ahnt man bereits den Frühling, und wer einen Garten hat, sitzt in den Startlöchern. Bei Schellacks blüht schon alles – in den Gewächshäusern. Draußen ist es noch zu kalt, nachts gibt es Minusgrade. Jeder Morgen beginnt damit, dass Tische, so groß wie Tischtennisplatten, beladen mit bunten Frühblühern, ins Freie gerollt werden. Manches kaufen sie als kleine Stecklinge, die unter Glas hochgepäppelt werden. Anderes wird selbst ausgesät und pikiert. „Deine Geranien sind immer gut, nicht wahr, Schatz?“, sagt Marliese Stasch zu ihrem Mann. Und erklärt: Wer seine Balkonpflanzen billig im Discounter kauft, der kauft eben zweimal. „Wer weiß, wo die herkommen. Da schaut doch keiner mehr nachts ins Gewächshaus, ob es auch warm genug für die kleinen Pflänzchen ist“, sagt sie mütterlich. Beim Rundgang durch die aufgeräumten Gewächs- und Anzuchthäuser zeigt sie, was im Februar schon gut nachgefragt ist: Teppiche voller Primeln, knallige Farbtupfer von Pink bis Veilchenlila. Die hochgewachsenen Stielprimeln gibts in Dottergelb. Kein Frühling ohne diese mutigen ersten Hoffnungsträger, Narzissen, Tulpen, Hyazinthen und Christrosen.
Wenn die Temperaturen verlässlich über null Grad liegen, werden sie beginnen, die Freilandbeete zu bestücken. Im Dezember wurden auf dem Areal an der Straße noch Weihnachtsbäume verkauft. Im Frühjahr kommen winterharte Stauden und Sträucher, Rosenstämmchen, Gräser und Heckenpflanzen. Von Flieder bis Rittersporn, alles für Balkon, Terrasse und Garten, darunter auch Gemüsepflanzen, Salat, Kohlrabi, Tomate und Paprika. Kartoffeln zum Stecken gibt es jetzt bereits.
Im Sommer spenden Sonnensegel Schatten, damit die Pflanzen im Freien nicht verbrennen. Wer dann an der Ampelkreuzung halten muss, schaut aus dem Auto auf ein üppiges Gartenszenario. Und kann, wenn er möchte, spontan auf den großen Parkplatz vor dem Haus umschwenken. Nur wenige Meter weiter türmen sich Säcke mit Blumenerde und Rindenmulch, Terrakottatöpfe, Schalen, Blumenkästen. Die Wege sind hier kürzer als im Baumarkt.
Insgesamt zwölf Mitarbeiter kümmern sich um Pflanzen und Kundschaft. Die Zuständigkeiten in der Firma haben sich Marliese Stasch und Gerd Schellack aufgeteilt. Sie ist Inhaberin des Ladens, betreut Verkauf und Abteilung Schnittblumen. In der Gärtnerei hat ihr Mann das Sagen. Der ist allerdings ein eher wortkarger Typ. In dicker Steppjacke und mit Hut schaut er überall nach dem Rechten. Manches hat sich seit den Anfängen der Firma nicht verändert. „Das hat mein Vater gebaut“, sagt Schellack und zeigt auf die Wände vom Orchideengewächshaus. Aus den Hunderten blühenden Phalaenopsis springt plötzlich die Hauskatze hervor – kuschelig warm ist es hier. Natürlich ist es schwere Arbeit, sagen beide. Kein Feierabend um 16 Uhr – und selbstverständlich Arbeiten auch am Wochenende, Pflanzen kennen keine Feiertage. Und nur selten gibt’s Urlaub. „Höchstens mal drei Tage an der Ostsee.“ Aber die Arbeit draußen hält sie frisch, beiden sieht man ihr Alter kaum an. Doch irgendwann stellt sich die Nachfolgefrage, so richtig gelöst ist sie bisher nicht. „So will ja heute keiner mehr arbeiten“, sagt Schellack. Wenn er die Jugendlichen im Sterncenter rumsitzen sieht, dann wundert er sich nur noch.
Blumen kaufen wollen hingegen alle irgendwann. Brautsträuße und Hochzeitsschmuck wird bei Schellack bestellt, Mutter-Kind-Sträuße zur Geburt, Gebinde aus einem großen und einem kleinen Strauß. Auch Grabschmuck und Trauergebinde werden in dem Traditionsunternehmen angefertigt. Ausgefallener sind die Wünsche von den Filmstudios, langjährige Kundschaft. „Einmal mussten wir noch fast mitten im Winter Maiglöckchen ranholen. Sie wurden für eine Filmkulisse gebraucht und dort in den Wald gepflanzt“, sagt Marliese Stasch.
Der Valentinstag, der vermeintlich umsatzstärkste Tag für Floristen, lief in diesem Jahr allerdings weniger gut. „Wenn der ein Samstag ist, ist es schlecht für uns. Dann wird zu Hause erst mal gemütlich gefrühstückt – und die Blumen werden zur Nebensache. Ist es ein Werktag, kaufen auf dem Heimweg alle Männer Blumen“, erklärt Marliese Stasch das Phänomen.
Neuendorfer Straße 7, Tel. (0331) 621377
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