
© dpa
Geo-Forschungs-Zentrum in Potsdam: Frühwarnung aus der Wolke
Die vom Potsdamer GFZ entwickelte „Tridec Cloud“ gibt rechtzeitig Hinweise auf Naturkatastrophen
Stand:
Wie ein Feuerball erscheint das Erdbeben vor der Küste Griechenlands in der Grafik der „Tridec Cloud“. Von einem kleinen Punkt, der das Epizentrum des Bebens darstellt, breitet sich ein Tsunami bis an die Küsten Afrikas und Asiens aus. Mit einer „Cloud Message“ kann der Nutzer der Tridec Cloud unmittelbar eine Nachricht über die Stärke des Erdbebens und mögliche Auswirkungen eines Tsunamis im östlichen Mittelmeer an alle Nutzer des Systems versenden. Er kann an die ganze Cloud adressieren, an Regierungen, an Institute oder Nutzer sozialer Medien. Grafiken, Messreihen und Informationen über die Auswirkungen des Bebens sind angefügt. Daten über mögliche Katastrophenszenarien stehen den Nutzern der Tridec Cloud schon vor dem Ereignis zur Verfügung.
Noch in diesem Jahr soll sich das Projekt des Deutschen Geo-Forschungs-Zentrums (GFZ) in Potsdam außerhalb der Wissenschaft bewähren. Hierfür stehen rund 100 000 Euro zur Verfügung, auch das Personal für die wirtschaftliche Auswertung des Projektes stellt das Forschungszentrum. Aus fünf Mitarbeitern besteht das Team derzeit.
„Es ist ein schnelles, effizientes System, das einfach zu bedienen ist und an die jeweilige Region und deren Möglichkeiten angepasst werden kann“, sagt Dorit Kerschke vom GFZ. Mit der „Tridec Cloud“, die aus dem bereits im Jahre 2013 abgeschlossenen Tridec-Projekt hervor gegangen ist, nutzt das GFZ allerneuste Cloud-Technologie, um ein neues Analysesystem für Großkatastrophen publik zu machen und kommerziell auszuwerten. Dazu greift das System unter anderem auf Daten und Informationen zu, die von Sensoren und Messdaten verarbeitenden Systemen bereitgestellt werden.
Zunächst einmal für Tsunamis angelegt, ist das Konzept für Erweiterungen offen. „Fluten, Vulkanausbrüche, Tropenstürme, das sind Naturkatastrophen, die wir künftig mit den Werkzeugen der „Tridec Cloud“ ebenfalls abdecken wollen“, sagt Joachim Wächter, Leiter des Zentrums für Geoinformationstechnologie am GFZ, der das Projekt betreut hat. Ein Team von fünf Wissenschaftlern arbeitet derzeit an der Plattform im Internet. Die „Tridec Cloud“ soll es ermöglichen, potentielle Gefahren durch Naturkatastrophen abzuschätzen und das Ausmaß des Unglücks mit entsprechenden Grafiken, Statistiken und Berichten darzustellen. Hiervon könnten einerseits Regierungen und Hilfsdienste profitieren, die ihre Bevölkerung vor der Gefahr warnen. Andererseits bekommen auch Universitäten und Forschungsinstitute die Möglichkeit, unmittelbar auf Rechenoperationen und Algorithmen zuzugreifen, die sich hinter der sichtbaren Oberfläche in der Cloud verbergen.
„Möglich wird das erst durch Computertechnik und die Nutzung von Grafik Processing Units (GPU), die sehr kostengünstig Informationen und Daten in grafische Prozesse umsetzen können“, sagt Joachim Wächter. Das bereits entwickelte Tridec-System funktioniere in der ganzen Welt, weil internationale Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse koordiniert hätten. Eingeflossen seien beispielsweise weltweite Seepegeldaten über Wasserhöhen und Wellenbewegungen.
Mit dem Tridec Projekt hat das GFZ an eine Entwicklung angeknüpft, die unmittelbar nach dem verheerenden Tsunami im Indischen Ozean im Jahre 2004 eingesetzt hat. Auch Informationen von Nutzern sozialer Medien aus Orten, von denen möglicherweise keine offiziellen Nachrichten mehr gesendet werden konnten, waren in die Auswertung der Katastrophenfolgen eingeflossen. Zusammen mit Informationen von Forschungs- und Nachrichtenstationen war so ein vollständigeres Bild der Katastrophe entstanden.
Die „Tridec Cloud“ soll nun auch Nutzern außerhalb der wissenschaftlichen Community zugänglich gemacht werden. „Wir sehen das als Transfer-Projekt, bei dem wissenschaftliche Ergebnisse in ein Geschäftsmodell überführt werden“, erklärt Martin Hammitzsch, der einige Videos auf YouTube hochgeladen hat, auf denen die Benutzeroberfläche der „Tridec Cloud“ – allerdings ohne eine Kommentierung – zu sehen ist. „Nicht alle Möglichkeiten, die eigentlich für die Nutzung der „Tridec Cloud“ geplant waren, sind in die nun veröffentlichte Version des Projektes eingeflossen.
„Eine App, mit der wir Augenzeugenberichte von Naturgefahren sammeln und darstellen können, wird nicht zur Verfügung stehen“, so Wächter. Es sei bisher ungeklärt, wie eingehende Berichte im Ernstfall rechtlich gehandhabt und verantwortlich genutzt werden. Gleiches gelte für Twitter-Nachrichten. Prinzipiell können diese Funktionen der „Tridec Cloud“ aber später hinzu gefügt werden.
Aber: Auch an Versicherungen wollen die Wissenschaftler die Nutzungsmöglichkeit der Internet Plattform verkaufen. Die Unternehmen erhalten dann einen Zugang, um entweder unmittelbar in der Cloud Rechenprozesse zu nutzen, die sich auf den Serverstationen eines irgendwo in der Welt postierten Rechensystems abspielen. Oder sie können eine kleinere Version in ihre eigenen Rechensystemen integrieren. „So können sie Risiken und Schadensanfälligkeit von Versicherten erkennen“, sagt Hammitzsch.
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: