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Homepage: Für 30 Silberlinge im Monat Uni-Ringvorlesung über Theodor Fontanes Reisen

Die Wirkungsmechanismen der Presse, auch die der in Preußen, sind Mitte des 19. Jahrhunderts auf einem hohen Niveau angelangt.

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Die Wirkungsmechanismen der Presse, auch die der in Preußen, sind Mitte des 19. Jahrhunderts auf einem hohen Niveau angelangt. Einflussreiche Männer haben eine klare Meinung von ihrer Handhabung. Dem müssen sich Journalisten zumeist unterordnen. Auch Theodor Fontane ist davon nicht ausgeschlossen. Bis 1858 ist er Regierungsjournalist, reitet zähneknirschend für König und Vaterland: „Ich habe mich heute der Reaction für 30 Silberlinge im Monat verkauft und bin wiederum angestellter Scriblifax“, gesteht er. Fontane schreibt für die Preußische (Adler-)Zeitung, ein nationalistisches Regierungsblatt, das ihn 1852 als Korrespondent nach London schickt, später auch für die Kreuzzeitung und die Vossische Zeitung. Er schreibt über alles – Politik, Kunst, Vermischtes.

Auch vom 1. bis 8. Mai 1858 ist er als Journalist in London tätig. Diese Woche hat der Literaturwissenschaftler Roland Berbig (Humboldt Universität Berlin) zum Anlass genommen, eine Art Chronik aus dem Leben Fontanes mit ausgewählten Schaustücken zusammenzutragen. Innerhalb der Ringvorlesungs-Reihe „Theodor Fontane: Berlin-Brandenburg, Preußen-Deutschland, Europa und die Welt“ hat er sie nun an der Universität Potsdam vorgetragen. Elf Veranstaltungen initiierte Helmut Peitsch, Professor am Institut für Germanistik, gemeinsam mit dem Fontane-Archiv Potsdam. Bis zum 1. Juli finden jeden Montag Vorlesungen statt, in denen Wissenschaftler Fontane in die Welt folgen. So geben sie eine Vertiefung der Sichtweise auf den Dichter.

Die Veranstaltung am vergangenen Montag führte nach London, wo sich Fontane mehrmals aufhielt. „London war Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur die größte Stadt der Welt, sondern auch die übermächtige Metropole eines weltumspannenden Imperiums. Wollte jemand den Pulsschlag der Welt hören, musste er sein Ohr an die Londoner Börse legen, das Auge auf den Buckingham Palace richten und den Crystal Palace betreten, der seit der ersten Weltausstellung 1851 Symbol für ein globales Wirtschaftsimperium war“, beschreibt Roland Berbig die Stadt, in der Fontane das „Gefühl des Unendlichen“ hat.

Der Berliner Journalist sieht sich auf Stadtausflügen und auf Treffen mit Bekannten. Dann hat er am 6. Mai 1858 „einen Blick“ auf Königin Victoria anlässlich eines Empfangs für den französischen Botschafter. Drei Tage später erschien darüber sein Artikel „Eine Equipage und ein Wappen“ in der Kreuzzeitung. Roland Berbig: „Fontane bedient sich des bewährten feuilletonistischen Mittels, sein Ich auf Augenhöhe mit dem Geschehen flanieren zu lassen.“ Das politische Paar interessiert ihn weniger, sondern der Botschafter-Wagen, den er ironisch beschreibt.

Frankreich und Großbritannien sind in dieser Zeit Verbündete im Krimkrieg, der gegen Russland geführt wurde. Von Reiz ist für Fontane die Kriegsbericht-Lektüre William Russells. Der hat erkannt, dass die modernen Medien Telegraphie und Photographie das Miterleben globaler Ereignisse und Geschehen verändern können. „Und er hatte bewusst gemacht, welche Kraft kritisches journalistisches Potenzial besitzt“, so der Literaturwissenschaftler. Fontane schreibt ein Porträt über Russell.

In seinen frühen Dichtertagen sei Fontane immer auf der Suche nach poetisch verwertbaren historischen Stoffen gewesen, sagt Berbig. In London fand er sie in einem Kapitel erfolgloser englischer Geschichte, dem Anglo-Afghanischen Krieg, der erst wenige Jahre zuvor stattfand, von 1839 bis 1842. Am 1. und 2. Mai 1858 schreibt Fontane die Ballade „Das Trauerspiel von Afghanistan“. Roland Berbig resümiert: „Recht und Unrecht, Schuld und Unschuld sind nicht die Fragen, die das Gedicht stellt. Wer es liest, leidet mit denen, deren Unglück es beklagt, nicht anklagt.“ Zurück in Berlin hat der Korrespondent Theodor Fontane drei Buchpublikationen im Visier, die sich mit England beschäftigen. Klaus Büstrin

Nächste Vorlesung: 29. April, 18 Uhr: „Von der Müggel aus die Welt erobern“ mit Hubert Canzik, Tübingen. Campus Am Neuen Palais, Haus 9, Raum 2.05

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