Landeshauptstadt: Fußball-Welten
Potsdam bereitet sich auf das EM-Finale vor – und an manchen Orten der Stadt wird sogar richtig Fußball gespielt
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Potsdam versinkt im deutschen Fahnenmeer, die Stimmung bewegt sich vor dem morgigen EM-Finale gegen Spanien gefühlt auf dem Level der Weltmeisterschaft 2006 – doch nicht an jedem Platz in der Stadt. Ein Beispiel kann Björn Steinberg erzählen, einer der Mitarbeiter im Asylbewerberheim am Lerchensteig. „Eine WM ist im Vergleich hier für die Leute viel interessanter, gerade für die Afrikaner“, sagt Steinberg. Jetzt sei zwar auch Interesse da, die Stimmung aber eher „naja.“ In einem Raum mit Videobeamer können die Bewohner des Lerchensteigs zusammen die Spiele sehen.
Anderswo wird deutlich mehr Aufwand betrieben. Mit bis zu 2000 Besuchern rechnet der Babelsberger Lindenpark beim Spanien-Spiel. „Wir stellen die große Festivalbühne auf“, sagt Sprecherin Sarah Buschmeier. Bereits das Halbfinale sahen dort rund 1100 Menschen an zwei Leinwänden, lange Schlangen bildeteten sich an Getränke- und Essenstände. Andere Veranstalter wie das Mercure-Hotel werben dagegen mit ihrem exklusiven Charakter: Nach einem Showprogramm soll hier die Live-Übertragung über Potsdams Dächern genossen werden können. Auch die einzige offizielle Public Viewing-Zone in der Innenstadt rüstet fürs Endspiel auf. Eine zweite Leinwand soll im Kutschstall dazu kommen, hat die zuständige Event-Agentur mitgeteilt – samt einer öffentlichen Erklärung, auch in zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft in Südafrika die öffentliche Fußballschau wieder organisieren zu wollen.
Soweit ist es für Potsdams Polizei noch lange nicht. Dort wird sich laut Polizeisprecherin Angelika Christen auf eine lange Nacht vorbereitet. „Wir haben mehr Leute im Einsatz als an normalen Sonntagen.“ So stünden zusätzliche Einheiten der Bereitschaftspolizei bereit, ebenso mehr Kollegen aus Verkehrsdiensten und von der Radstaffel. Nach dem EM-Halbfinale hatte die Polizei wegen dem Autokorso in der Innenstadt die Breite Straße gesperrt – womit auch morgen Nacht gerechnet wird, sollte Deutschland tatsächlich Weltmeister werden.
Björn Steinberg hat in diesen Tagen dagegen wenig Zeit, an das Finale zu denken. Der Sozialarbeiter hat ganz praktisch mit Fußball zu tun. Gestern betreute er die U15-Mannschaft des Lerchensteig-Heims beim LBS-Cup auf dem Luisenplatz, einem Straßenfußballturnier für Toleranz. Und mit dem FC Lerchensteig tritt er heute im Stern-Center beim XXL-Kicker-Cup an. Dort stehen sich jeweils 11 Spieler an einem sieben Meter langen Kickertisch gegenüber und versuchen an 22 Stangen, den Ball ins gegnerische Tor zu bringen. „Solche Termine mit Sport sind für unsere Leute hier im Heim sehr wichtig“, sagt Steinberg.
Ein Beispiel dafür sind Senaid und Jasko, ein junges Brüderpaar aus Bosnien, das erst im Lerchensteig war und nun im Kinderheim am Stern wohnt. Beide spielten gestern auch Straßenfußball,sie rannten viel, lachten – und erzählen nebenbei, wie sie sich morgen auf das Spiel freuen. Nur über den Ausgang sind sie sich uneinig. Spanien gewinnt 3:2 sagt Senaid, 3:1 für Deutschland tippt Jasko. Morgen werden sie es wissen
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