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Landeshauptstadt: Ganz schön stinkig

Finanzminister Görke steht wegen seiner Sommertour im Wahlkampf in der Kritik. Nun sorgt sein Parteifreund und Potsdams Linke-Chef Sascha Krämer für Ablenkung: mit ausgestrecktem Mittelfinger

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Eigentlich wollte Christian Görke, Brandenburgs Finanzminister, Linke-Parteichef und Spitzenkandidat für die Landtagswahl, die Schlagzeilen um seine umstrittene Sommertour hinter sich lassen. Der Honorar-Vertrag des Finanzministeriums mit dem Potsdamer Linke-Parteichef Sascha Krämer, der die Reise des Ministers werbewirksam für die Internetseite der Behörde fotografieren sollte, wurde kurzfristig beendet. Doch nun sorgt der 37-jährige Krämer mit einer Entgleisung für eine Fortsetzung – und neuen Ärger mitten im Landtagswahlkampf.

Krämer zeigte den Stinkefinger – und zwar einem Reporter der Boulevardzeitungen „Bild“ und „BZ“, der am Wochenende beim Sommerfest der Linken im Lustgarten zu den Vorwürfen gegen Görke recherchierte, Wahlkampf mit Steuergeldern zu betreiben. Das am Montag veröffentlichte Foto sorgt für Wirbel. Linke-Politiker und die Parteizentrale sahen sich genötigt, auf Distanz zu Krämer zu gehen, der im Potsdamer Norden als Direktkandidat zur Wahl antritt.

Bei führenden brandenburgischen Linken ist man dem Vernehmen nach fassungslos über die Unprofessionalität Krämers. So kritisierten die anderen beiden Direktkandidaten der Linken in Potsdam, die langjährigen Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Scharfenberg und die Gesundheitsministerin Anita Tack, die Entgleisung. Scharfenberg nannte es ärgerlich, dass sich Krämer „zu dieser Unbeherrschtheit hat hinreißen lassen“. Er sei sicher, dass Krämer die Aktion inzwischen bedaure: „Er wird daraus lernen.“ Gesundheits- und Umweltministerin Tack sagte: „Der Finger sollte immer unten bleiben, mein Stil ist das nicht.“ Von einer „unglücklichen Aktion“ sprach Matthias Osterburg, stellvertretender Sprecher der Partei.

Auch von der politischen Konkurrenz im Potsdamer Wahlkreis 19 kam am Montag Kritik. SPD-Landtagskandidat Mike Schubert sprach auf Anfrage von einem „bedauerlichen Aussetzer“. Für den Rest des Wahlkampfs hoffe er, dass sich Krämer an die Gebote der Fairness gegenüber Konkurrenten und Journalisten halte, sagte der Potsdamer SPD-Chef. CDU-Kandidatin Saskia Ludwig wollte sich nicht weiter äußern.

Krämer selbst zeigte sich zerknirscht und räumte Fehler ein. „Der Stinkefinger war unüberlegt. Das bedaure ich. Natürlich war es ein Fehler, sich derart provozieren zu lassen. Keiner wünscht sich ein solches Foto in der Bild-Zeitung“, teilte Krämer den PNN mit. Er agiere manchmal zu emotional, daran arbeite er, so der bereits seit vier Jahren amtierende Kreisvorsitzende. Zu dem mit 700 Euro dotierten Honorarvertrag mit dem Finanzministerium sagte Krämer, dessen Abschluss sei im Nachhinein betrachtet falsch gewesen. „Allerdings weise ich den Vorwurf der Vetternwirtschaft entschieden zurück.“ Der Fotoauftrag sei nach einer Anfrage der Pressestelle des Ministeriums zustande gekommen: „Ich habe spontan ja gesagt.“

Es ist nicht die erste Entgleisung Krämers, der seinen Wahlkampf – auf den Plakaten – unter dem Motto „Pragmatisch. Frech. Sozial.“ führt. Im April etwa hatte er Katherina Reiche, Staatssekretärin in der Bundesregierung, Potsdams CDU-Chefin und direkt gewählte Bundestagsabgeordnete, auf dem sozialen Netzwerk Facebook beleidigt: „Die Frau ist geboren, um grenzdebil zu lächeln.“ Danach hatte er seine Äußerung zunächst sogar noch verteidigt und keinen Anlass für eine Entschuldigung gesehen.

Ausfälle von Nachwuchspolitikern werden für Brandenburgs Linke zunehmend zum Problem. Erst im Juni hatte der Potsdamer Landtagsabgeordnete Norbert Müller, immerhin auch Vize-Landesparteichef der Linken, für Empörung gesorgt, indem er den Bundespräsidenten Joachim Gauck einen „widerlichen Kriegshetzer“ nannte. H. Kramer/ T. Metzner

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