Landeshauptstadt: Garantiert Bio – mit und ohne Reblaus
Welcher Wein passt wozu? Wer im La Bouteille einkauft, darf kosten und bekommt eine gründliche Beratung
Stand:
Manchmal veranstaltet Derk Franke Blindverkostungen. Das sei sehr erheiternd, sagt der Weinhändler. „Dann stecke ich die Flaschen in Säckchen, die nummeriert werden. Die Kunden sollen nur über das Schmecken die Weine beurteilen. Das ist auch eine Art Marktforschung für mich“, sagt Franke. Seit 2009 betreibt der gebürtige Westfale in der Babelsberger Karl-Liebknecht-Straße den Weinladen La Bouteille. Bei ihm wird nicht nur verkauft – der Kunde bekommt eine ordentliche Beratung, egal ob es ein „komplett ahnungsloser Kunde“ ist, der einen massentauglichen Wein sucht oder ein Geschenk, oder ob er genau weiß, was er will, Wein von einer speziellen Rebsorte oder aus einem bestimmten Anbaugebiet.
Die Händler am oberen Ende der Liebknecht-Straße in Richtung Stadion haben es schwer: Hier wird der Fußgänger-Verkehr von Block zu Block dünner. Dennoch reihen sich viele kleine Geschäfte aneinander, Bäcker, Friseure, ein Fahrradladen. Vor dem La Bouteille steht ein auffälliges Fahrrad mit Firmenschild. „Ist aber nicht nur ein Werbegag“, sagt Franke. Mit dem Dienstfahrrad macht er Lieferungen, bringt die Weine beispielsweise zu den Gastronomen, die von ihm betreut werden. Vor Ort berät er, welche Weine zur Speisekarte passen und schult die Kellner.
Doch hauptsächlich ist er für seine Kunden in Babelsberg da. Als er sich damals nach Geschäftsräumen umsah, stellte er fest, dass die Innenstadt mit Weinhändlern gut versorgt war. „Aber hier gab es nichts“, sagt er. Franke hatte zuvor einige Jahre in einem Weinladen in Süddeutschland gejobbt und fand, Potsdam wäre für einen Neubeginn mit eigenem Laden ein schöner Ort. „Genau zwischen Berliner Großstadtflair und Pampa, perfekt“, befand er. Mit einem Existenzgründerzuschuss vom Arbeitsamt legte der heute 38-Jährige los und spezialisierte sich bald auf Bio-Weine. „Aber nicht alles, was Bio ist, ist automatisch gut“, lenkt er ein. Dennoch: Es gebe viele gute Weine aus biologischem Anbau, oft kaum teurer als herkömmliche. Also stellte er sich komplett auf Bio um. „Das ist bei diesen Weinen dann das I-Tüpfelchen“, sagt er. „Alle Weine sind biozertifiziert, rein und schädelsicher“, schreibt er auf seiner Internetseite. Und manche Weine gibt es sogar in Pfandflaschen.
Mindestens 50 Sorten Rot, 40 Weiß, etwa 10 Rosé, aus ganz Europa, Argentinien und Südafrika, hat Franke permanent vorrätig, dazu eine gute Anzahl an Schaumweinen und ein kleines Sortiment Obstler und Tresterbrand aus der Mosel-Region. „Das ist quasi deutscher Grappa.“ Für alle Veganer hat er außerdem gekennzeichnet, welche Weine ohne sogenannte Schönungsmittel hergestellt werden, also ohne eiweißhaltige Zusätze, die die Trübstoffe im Wein binden sollen. „Die werden zwar ohnehin wieder aus dem Wein gefiltert, aber manche Veganer nehmen es sehr genau“, sagt Franke. Und falls doch mal eine Reblaus hineingeraten ist? Franke lächelt sanft und winkt ab.
Alle Weine lagern im kühlen, dunklen Nebenraum, nur die Demo-Flaschen stehen im Regal, sortiert nach Farben. Derk Franke hat sämtliche Regale, Tresen und den Probiertisch aus unbehandeltem, grobem Bauholz selbst zusammengezimmert. Außerdem einen hohen Sessel, der Chefsessel hinter der Kasse, sowie eine Art Absacker-Stuhl aus dem bunten Holz spanischer Einwegpaletten. Alles beleuchtet mit Hängelampen aus Weinflaschen Marke Eigenbau.
Bei einem Weinseminar werden je zehn Weine vorgestellt, erklärt, gekostet. Dazu gibt es Wasser, Brot und zur Halbzeit ein deftiges Buffet. Auf Wunsch stehen auch Weine einer bestimmten Region oder Raritäten im Mittelpunkt. Für 25 Euro ist man an so einem Abend dabei, der Betrag kann später beim Einkauf verrechnet werden. „Keine Sorge, ich nutze niemanden aus, der nach so einem Abend womöglich leicht angetrunken ist und überrede ihn zu einer Großbestellung“, sagt Franke. „So was muss man sacken lassen.“
Im Weinseminar wird jedoch nicht nur verkostet – im Übrigen ohne auszuspucken –, sondern diskutiert: Korken oder Schraubverschluss, was ist besser, wie liest man ein Etikett, was bedeuten Rebsorten und Anbaugebiete und was ist ein Cuvée? Auch wichtig: die richtige Lagerung sowie Trinktemperatur. „Die sogenannte Zimmertemperatur war in einem französischen Schloss vor 300 Jahren viel niedriger als heute“, sagt er. Mehr als 14 bis 18 Grad sollte ein Rotwein nicht haben.
Zehn Euro, mehr sollte eine Flasche nicht kosten, so die Erfahrung des Weinhändlers. „Das ist eine magische Grenze.“ Was teurer ist, wird meist als Geschenk gekauft, auf Wunsch verpackt in Tütchen oder stilvolle Holzkistchen. Zum Wein passt oft auch eine Kleinigkeit aus der Region, eine Wildpastete oder ein Obstessig. Weine aus Werder und Töplitz gibt es nicht – Franke, der alles selbst probiert, bevor er es bestellt, fand nichts Passendes darunter.
Er selbst mag besondere Rebsorten, alte, auf eine Region beschränkte Raritäten oder ganz neue Züchtungen. Und er hofft, dauerhaft im Babelsberger Kiez zu wurzeln. Am 21. Juni soll ein Babelsberger Liedermacher vor dem Laden auftreten, bei Klassik am Weberplatz wird Franke wie immer den Weinausschank übernehmen. Jetzt muss er sich zunächst von der „blöden Fastenzeit“ erholen – „da hören nämlich immer alle auf zu trinken“, beklagt er.
La Bouteille, Karl-Liebknecht-Str. 111, geöffnet bis 20 Uhr. www.la-bouteille.de.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: