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Landeshauptstadt: Garnisonkirche, Stadtschloss, Stadtkanal

Wie die Parteien und Vereinigungen nach der Kommunalwahl die Stadtmitte weiterentwickeln wollen

Stand:

WAS WOLLEN DIE PARTEIEN

387 Kandidaten von elf Parteien und Gruppierungen bewerben sich bei den diesjährigen Kommunalwahlen am 26. Oktober um die 50 Mandate in der neuen Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. In unserer Wahlserie stellen wir den Vertretern von SPD, PDS, CDU, Bündnis 90/Grüne, Die Andere, BürgerBündnis, FDP, Familien-Partei und der Kommunalen Wählergemeinschaft Fahrland (KWG) zwölf Fragen zur Stadtentwicklung.

Am 26. Oktober stellen sich auch ein Mitglied der DKP und sechs Bewerber der rechtsextremen DVU dem Wählervotum. Das Besondere der Kommunalwahl 2003: Mit dem Wahltag werden sieben Orte – Groß Glienicke, Fahrland, Neu Fahrland, Golm, Marquardt, Uetz-Paaren – in die Landeshauptstadt eingegliedert. Die Zahl der Wahlberechtigten stieg von 103 000 auf 117000. Der PNN-Fragenkatalog, auf den die einzelnen Parteien und Vereinigungen schriftlich und in vorgegebenem Umfang zu antworten hatten, umfasst alle wichtigen Problemkreise der aktuellen Entwicklung in der Landeshauptstadt – von den Finanzen, der Bildung bis zum Verkehr.

Frage 7: In der Stadtmitte sind drei Projekte in der Planung, Vorbereitung bzw. Realisierung. Wie wichtig sind die Projekte Garnisonkirche, Stadtschloss und Stadtkanal für die Stadt? Wie und welchem Tempo sollten sie realisiert werden?

SPD: Diese drei grundverschiedenen Projekte haben zwei Dinge gemeinsam: Sie dienen der Annäherung an die ursprüngliche Schönheit der Stadt und sie werden überwiegend mit privaten Mitteln errichtet, da die Stadt dafür kein Geld hat. Die SPD ist für die Unterstützung privater Initiativen, die sich um eine Wiederherstellung bemühen, und für die Schaffung der entsprechenden Rahmenbedingungen (Baurecht, Erschließung). Die Wiedergewinnung der Mitte am Alten Markt lässt sich nicht auf die Errichtung eines Gebäudes reduzieren. Mit der Bebauung an der Alten Fahrt (ehemals Palais Barberini), auf dem Baufeld der Fachhochschule (nach deren bevorstehenden Umzug) und auf dem ehemaligen Stadtschlossgrundriss soll einer der ehemals schönsten Plätze Europas wieder erstehen. Die Erschließungsarbeiten für diese drei Baufelder werden zu 90 Prozent mit EU-Fördermitteln finanziert, die nur bis 2006 zur Verfügung stehen und nicht für andere Zwecke (Schulen, Kitas) genutzt werden können. Diese nicht auszunutzen wäre politisch dumm. Die Investorensuche für die drei Baufelder ist in vollem Gange, der Zeitpunkt der Bebauung hängt von ihrem Erfolg ab. Ähnlich ist es bei den anderen Bauwerken. Der Stadtkanal wird in dem Tempo ausgegraben, wie es dem Förderverein gelingt, Spenden einzusammeln. Die Garnisonkirche wird gebaut, wenn genug privates Geld bereit steht.

PDS: Die PDS sieht die Wiederbelebung der historischen Mitte als ein wichtiges Anliegen der Stadtentwicklung. Dieses Anliegen muss jedoch in die Gesamtprobleme der Stadt eingeordnet werden. Angesichts der schwierigen Haushaltssituation müssen die begrenzten finanziellen Mittel stärker auf die Lebensinteressen der Menschen konzentriert werden, so zum Beispiel auf die Schulsanierung. Im Unterschied zu SPD und CDU steht die PDS den Plänen zu einem zügigen Wiederaufbau des Stadtschlosses kritisch gegenüber. Wir sind für ein schrittweises Vorgehen unter unmittelbarer Einbeziehung der Bürger. Es muss auch Zeit sein für die Entwicklung von Alternativen zum Stadtschloss. Beim Stadtkanal hält die PDS daran fest, dass keine städtischen Mittel für die Freilegung eingesetzt werden sollen. Zwingende Voraussetzung für einen Wiederaufbau der Garnisonkirche ist die Bindung an das Konzept der Evangelischen Kirche für ein Versöhnungszentrum. Hier dürfen keine Zugeständnisse an den Traditionsverein zugelassen werden. Alle diese Projekte sind nicht dringlich. Das Schloss kann warten, andere Probleme nicht.

CDU: Bei den drei Projekten sollte es Ziel sein, dass von den immer weniger werdenden Bürgerinnen und Bürger, die den alten Zustand kannten, noch möglichst viele sein Wiedererstehen erleben. Für die Identität Potsdams sind alle drei Projekte ohne wenn und aber wichtig und alle drei werden an Stellen entstehen, die in ihrer jetzigen Gestaltung indiskutabel sind. An erster Priorität sollte jedoch die Wiederherstellung des Alten Marktes stehen und mit ihr der Bau des Stadtschlosses - womöglich als Landtag. Wir werden alles daran setzen, dass der erste Spatenstich in der neuen Wahlperiode der Stadtverordnetenversammlung erfolgt. Wir wissen, dass die Wiedererrichtung der Garnisonkirche, und hier als erstes des Kirchturms, zur Zeit noch sehr in der Schwebe ist. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Zusammenspiel der verschiedenen damit befassten Institutionen zu einem erfolgreichen Abschluss kommt und alle für den Bau erforderlichen Planungen und Beschlüsse ebenfalls in dieser Wahlperiode erfolgen. Der Stadtkanal sollte weiterhin zeitlich parallel und Stück um Stück ausgebaut werden, in Zusammenarbeit von staatlicher Förderung und bürgerlichem Engagement.

Bündnis 90/Grüne: Die Mitte bestimmt die Zukunft Potsdams, auch als Kulturhauptstadt mit. Das Engagement des Landes muss durch die Stadt untersetzt werden. Dies steht nicht gegen die weiterzuführende Sanierung der Schulen und Kitas. Eine Stadt muss sich vielfältig entwickeln. Am Alten Markt soll an der Havel und statt des FH-Gebäudes qualitätvolle moderne Architektur entstehen. Das Grundstück des Stadtschlosses soll nicht privatisiert werden, sondern eine wertvolle öffentliche Nutzung wie zum Beispiel ein teilweise öffentlich zugängliches Landtagsschloss erhalten. Qualitätvolle Architektur aus historischer Fassade, Originalfragmenten und modernem Inneren kann zentraler neuer Anziehungspunkt der Stadt werden. Der Stadtkanal belebt und verschönt die Stadt wieder. Wer ihn annimmt, wer den Tourismus fördern will, sollte sich über die Leistungen der Verwaltungen und der engagierten Bürger freuen. Wir unterstützen die Bemühungen, hier so sparsam wie möglich, in einem überschaubaren Zeitraum Ergebnisse zu erzielen. Wir unterstützen nur das von der Synode der evangelischen Kirche bestätigte Konzept eines Versöhnungszentrums Garnisonkirche, weil es gerade an diesem historisch problematischen Ort eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und Versöhnungarbeit in der Gegenwart ermöglicht.

Die Andere: Der Alte Markt soll als öffentlicher Raum nutzbar und gestaltet sein. Die Fixierung auf den Schlossnachbau verhindert diese Entwicklung, zeigt ein überholtes Kulturverständnis und wenig Vertrauen in kreative Lösungen der Jetztzeit. Ein städtebaulicher Entwurf aus der Zeit, als das Auto noch nicht erfunden war, kann kaum die Ideallösung für eine Stadt des 21. Jh. sein. Die äußere Gestaltung muss der tatsächlichen Nutzung entsprechen und die jetzige städtebauliche Situation aufnehmen. Die Errichtung eines Landtagsgebäudes in der Form eines monarchistischen Repräsentationsbaus, verweist auf ein problematisches Demokratieverständnis. Bei einem Nachbau der Garnisonkirche muss deren Symbolgehalt inhaltlich und architektonisch gebrochen werden. Der neue Bau sollte als Heilig-Kreuz-Kirche entstehen, da die Nutzung der zerbombten Kirche durch die Heilig-Kreuz-Gemeinde bis 1968 die einzige Zeit war, in der die Kirche zivil genutzt wurde und daher einen geschichtlichen Anknüpfungspunkt bildet. (siehe auch Frage 1)

BürgerBündnis: Seit 1990 unterstützen wir die Annäherung an das historische Stadtbild. Dafür ist es wichtig Stadtschloss, Garnisonkirche und den Stadtkanal wiederherzustellen. Nur so kann unsere Stadt ihre (Identität und) alte Schönheit, die sowohl touristische Basis als auch weicher Standortfaktor für Firmenansiedlungen ist, zurückgewinnen. Diese Projekte müssen außerhalb des städtischen Haushaltes finanziert werden. Es ist eine dringende Aufgabe private Investoren dafür zu gewinnen – nach dem Vorbild von Günther Jauch zum Fortunaportal. Die entstehenden Synergieeffekte von einem Landtag im Schloss, einem Kongresszentrum in der Speicherstadt und den in der Nähe liegenden Ministerien würden die Innenstadt weiter beleben. In einem fusionierten Bundesland ist es selbstverständlich, dass die Ministerien ihren Sitz in der Landeshauptstadt Potsdam haben und somit auch Arbeitsplätze entstehen. Für die Silhouette der Stadt sind die markanten Gebäude und damit die Kirchtürme unverzichtbar. Mit dem Stadtkanal wird die Innenstadt strukturiert und lädt zum spazieren gehen ein. Potsdam gewinnt seinen italienischen Charme langsam zurück.

FDP: Der Alte Markt ist als Verbindung zwischen historischer Innenstadt und Hauptbahnhof eine wichtige städtebauliche Maßnahme. Die Voraussetzung für einen Baubeginn muss aber ein Nutzungskonzept und das dazugehörige Finanzierungskonzept sein. Der städtische Haushalt darf nicht belastet werden. Wenn die Stadt nicht in der Lage ist einen Investor zu finden, muss die Maßnahme weltweit ausgeschrieben werden. Eine Wiedererrichtung der Garnisonkirche wäre für die Stadt ein architektonischer Gewinn. Es gilt auch hier, dass dabei der städtische Haushalt nicht belastet werden darf. Die Wiederherstellung des Stadtkanals sollte für die nächsten Jahre auf den Bereich Yorkstraße beschränkt bleiben. Die finanzielle Belastung der Stadt ist auf ein Minimum zu reduzieren. Schon der Wegfall vorhandener Parkflächen belastet den Haushalt der Stadt.

Familien-Partei: Für die Familien-Partei haben Investitionen in Kindertagesstätten, Schulen und in die Jugendhilfe absolute Priorität gegenüber den genannten Prestigeobjekten. Wir bezweifeln, dass nur wegen des Stadtkanals ein einziger Tourist zusätzlich nach Potsdam kommt. Wir unterstützen daher das Bürgerbegehren „Das Stadtschloss kann warten!" und treten dafür ein, die genannten Projekte zurückzustellen, bis die Stadt ihrer Verantwortung gegenüber Eltern und Kindern wieder ausreichend nachkommen kann. Nach unserem Verständnis muss der Stellenwert von familiärer Erziehung, Kinderbetreuung und schulischer Ausbildung deutlich erhöht werden. Die hierfür entstehenden Kosten sind jedoch eine sinnvolle und notwendige Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. Wir können uns übrigens für den Alten Markt auch andere Nutzungen als einen Landtagspalast vorstellen, von dem die Menschen hier ohnehin nichts haben würden. Als Beispiel ist hier die Errichtung eines großen Indoor-Spielplatzes mit zusätzlicher Sport-Nutzung für Jugendliche und Erwachsene zu nennen. Wählergemeinschaft Zur Zeit gibt es wichtigere Aufgaben als die genannten Projekte. Wenn die Wirtschaft wieder Tritt gefasst hat, kann man sich auch der Pflege der gesamten Historie der Landeshauptstadt Potsdam widmen.

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