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Landeshauptstadt: Geboren in Babelsberg

Seit 15 Jahren werden im Geburtshaus Apfelbaum Frauen betreut und Kinder sanft in die Welt geholt. Das wird gefeiert

Stand:

Claudia Krönke kann sich noch gut an die erste Hausgeburt, die sie betreute, erinnern. Und dass sie dazu fast ein wenig überrumpelt wurde. „Die Frau sagte zu mir: ,Ich bin wieder schwanger und will zu Hause entbinden. Und du bist meine Hebamme.’“ 1994 war das. Claudia Krönke, heute 54 Jahre alt, hatte sich nach einigen Jahren im Bergmann-Klinikum gerade selbstständig gemacht, als freie Hebamme. Diese erste Hausgeburt verstärkte ihren Wunsch nach einem eigenen Geburtshaus. Wo Frauen eine Rundumbetreuung vor und nach der Geburt bekommen und auch gebären können. Denn viele suchten damals nach einer Alternative zur Klinik, konnten sich aber eine Geburt zu Hause aus verschiedenen Gründen nicht vorstellen.

Heute gibt es das Geburtshaus Apfelbaum in der Tuchmacherstraße seit mittlerweile 15 Jahren. Am Nachmittag findet deshalb in Haus und Garten sowie auf der ruhigen Straße – eine der letzten in Babelsberg mit historischem Katzenbuckelpflaster – ein Familien- und Nachbarschaftsfest statt. Mit Kaffee und Kuchen, Kinderspielen, Musik und viel Zeit zum Reden. Das Haus kann besichtigt werden. „Das ist vielleicht interessant für die älteren Kinder, die hier geboren wurden – oder für die Großeltern, die sich oft nicht vorstellen können, wie es hier aussieht“, sagt Claudia Krönke. So langsam verliere die Haus- oder Geburtshausgeburt ihr negatives Stigma. Früher hingegen sei es durchaus vorgekommen, dass die Familie sich entrüstete: „Was, ihr geht nicht ins Krankenhaus? Seid ihr verrückt?“, hieß es dann, sagt die Hebamme, die 1999 das Haus Apfelbaum gründete. Der Name geht zurück auf einen Spruch von Martin Luther. Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen, habe er gesagt. Zwei Apfelbäume hat Claudia Krönke in dem kleinen Garten am Geburtshaus gepflanzt. Und sie tragen reichlich.

Das Haus, eine Backsteinremise in einem Babelsberger Hinterhof, ist ein Kleinod, wie man es heute kaum noch findet in Potsdam. Mitstreiterinnen kamen dazu, darunter fast von Anfang an Claudia Burghardt, Stephanie Albrecht und Bettina Melchior. Und Claudia Krönke konnte irgendwann das Haus kaufen. „Ich weiß nicht mehr, wie ich das damals alles geschafft habe“, sagt sie ein wenig erstaunt über diese Anfangszeit. Als manchmal am Ende des Monats kein Gehalt für sie selbst übrig blieb.

Aber bereut hat sie es nie. Es sei ein Beruf mit vielen Glücksmomenten. Sieben Hebammen arbeiten jetzt im „Apfelbaum“. In den 15 Jahren betreuten sie insgesamt 846 Frauen zur Geburt. 460 Kinder kamen im Geburtshaus zur Welt, 219 zu Hause, 166 nach einer Verlegung in die Klinik. Diese Rate von etwa 13 Prozent ist normal, sagt die Hebamme. Zu kritischen oder gar gefährlichen Situationen sei es dabei jedoch nie gekommen.

Heute gebe es, im Unterschied zu den 90-er Jahren, verlässliche Statistiken, die belegen, dass eine Eins-zu-eins-Betreuung von Schwangeren das wichtigste Qualitätsmerkmal für eine Entbindung ist. Auch Ärzte erkennen das mittlerweile an, sagt Claudia Krönke. Und die Frauen selbst trauten sich inzwischen mehr zu. Das Geburtshaus ist gut nachgefragt, die Frauen kommen aus Potsdam und dem Umland, selbst aus Brandeburg/Havel oder Jüterbog. Sie sei immer wieder erstaunt, wie weit es sich herumspricht, dass es sie gibt, sagt Krönke.

„Bis zu einer Dreiviertelstunde Fahrzeit nehmen wir in Kauf, wenn es eine Hausgeburt sein soll.“ Doch es gehe nicht nur um die Geburt an sich, viele Frauen sozialisieren sich danach ganz neu. Die Vorbereitungskurse und Angebote für Rückbildung, Yoga und Pilates, Pekip, Kinder-Erste-Hilfe sowie die Stillgruppen sind immer voll. Dass demnächst ein zweites Geburtshaus in Potsdam eröffet, findet sie gut. „Das kann die Stadt vertragen“, sagt sie. Sie ist auch guter Hoffnung, dass das Versicherungsproblem der freien Hebammen gelöst werden wird. Es könnte auf einen Kompromiss hinauslaufen, dass die teure Berufshaftpflicht künftig gestaffelt wird: je nach der Anzahl der Geburten.

Stressig bleibe der Beruf ohnehin. Immer zwei Kolleginnen sind für eine Geburt in Rufbereitschaft. Das muss die eigene Familie daheim verkraften. Wenn die Mutter vom Abendbrottisch aufspringt und plötzlich losmuss. Hebamme Vera Burger, die selbst vier Kinder hat, erinnert sich an ein Weihnachten: Am Heiligabend kamen gleich zwei Christkinder zur Welt. „Aber es war ein tolles Timing: Eines kam so gegen fünf Uhr morgens, Eines am Nachmittag, und abends zur Bescherung waren wir alle zu Hause“, sagt sie. Damit jede einmal durchatmen kann, haben sich Hebammen im Geburtshaus die Dienste so verteilt, dass jede von ihnen zwei bis drei Monate im Jahr keine Geburtsbereitschaft macht, sich stattdessen auf andere Dienste konzentriert.

Probleme bereitete ihnen einst die Parkraumbewirtschaftung in der Tuchmacherstraße. Plötzlich gab es keine freien Parkplätze mehr vor der Tür. Ein Unding, fand Krönke. „Wir haben bei der Stadt protestiert – und es wurde geändert.“

In diesem Jahr wurden hier bereits 33 Babys geboren, 2013 waren es insgesamt 84, die hier oder zu Hause zur Welt kamen. Das mache etwa vier Prozent aller Potsdamer Geburten aus – eine gute Quote, findet Claudia Krönke.

Feier am heutigen Samstag von 15 bis 18 Uhr im Geburtshaus Apfelbaum, Tuchmacherstr. 17, Babelsberg.

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