Etwas HELLA: Gebt uns unsern Kaiser wieder
In alten Zeiten konnten Kaiser nicht pleitegehen. Wenn das Geld knapp wurde, haben sie einfach die Steuern erhöht.
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In alten Zeiten konnten Kaiser nicht pleitegehen. Wenn das Geld knapp wurde, haben sie einfach die Steuern erhöht. Seit aber Kaiser kein Beruf mehr ist, sondern ein Familienname, treibt es eben auch Kaiser in den Ruin. Zum Beispiel Lebensmittel verkaufende Kaiser. Und nicht nur die, wie sich im Laufe der gesamtdeutschen Jahre herausgestellt hat. In Potsdam gibt es zum Beispiel schon lange keinen Konsum mehr. Doch, Entschuldigung, einen gibt es noch, den Konsum neben dem Thalia Kino. Aber das ist kein Lebensmittelladen, sondern eine Kneipe und die bewirtet vorwiegend Hungerkünstler und Kettenraucher. Thank you for the smoking! Viele Tante-Emma-Läden haben ebenfalls die Rollläden heruntergelassen oder sich im günstigsten Fall einer Kette angeschlossen. Über die HO müssen wir nicht reden, die war staatlich und ist mit dem Staat eingegangen.
Wieso ist es nur so schwierig, mit ganz normalen Lebensmitteln vernünftig Geld zu verdienen? Schließlich müssen wir, ob wir nun dem Schlankheitswahn huldigen oder es eher etwas molliger lieben, doch alle essen. Sind da die großen Supermarktketten, die – das hoffe ich wenigstens – Klasse mit Masse verbinden, der Weisheit letzter Schluss? Und dann alles konzentriert in Einkaufszentren, bei denen man mit dem Auto vorfährt und sich für die nächsten vier Wochen oder die kommende mittlere Katastrophe wie Verwandtenbesuche rundherum eindeckt. Nur mit Müh und Not konnten in Stadtteilzentren wie dem Schlaatz oder im Kirchsteigfeld Filialen der Großanbieter erhalten werden. Man musste ihnen förmlich mit dem Fleischklopfer drohen. Eine Ausnahme scheinen lediglich die Bioläden zu machen. Gesunde Ernährung heißt da das Zauberwort.
Im jetzigen Karstadt-Kaufhaus gab es nach der Wende noch eine Lebensmittelabteilung. Sie ist wegrationalisiert. Das privat geführte Lebensmittelgeschäft in der Friedrich-Ebert-Straße – längst passé. Die Liste der aufgegebenen Lebensmittelläden ist lang. Da war und ist Kaiser’s in der Brandenburger Straße noch ein richtiger Lichtblick. Man kann sich dort von Apfelmus bis Zaziki mit allem eindecken, was Herz und Magen begehren. Die Fleischtheke ist hervorragend und die Weinauswahl freundlich. Doch wie lange noch? Unter verschreckten Potsdamern kursieren schon Gerüchte, dass der Standort Potsdam garantiert nicht erhalten wird. Da kommen Klamotten rein, etwas Exquisites, weil wir das so dringend brauchen in der Innenstadt, wird gemunkelt. Aber wir sollten uns nicht verrückt machen lassen. So wie ich das einschätze, lief und läuft Kaiser’s in der Potsdamer City doch sehr gut und ich möchte meinen Kaiser behalten, auch wenn ich kein bekennender Reichsbürger bin und der Kaiser dann Rewe heißt. Aber was weiß ich schon von Gewinn und dessen Maximierung. Ich weiß nur, dass ich für eine vergessene Tüte Mehl nicht unbedingt kilometerweit laufen möchte.
Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam
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