zum Hauptinhalt

MEINE Woche: Gedanken zur Globalisierung

Eine Szene, die ich zuletzt erlebte: Wie so oft ist der Berliner Mauerpark bevölkert mit vielen interessanten Menschen. Piercings, die Kleidung so bunt wie die Frisuren.

Stand:

Eine Szene, die ich zuletzt erlebte: Wie so oft ist der Berliner Mauerpark bevölkert mit vielen interessanten Menschen. Piercings, die Kleidung so bunt wie die Frisuren. Ein Konzert läuft. Es ist ein „Sehen-und-gesehen-werden“, gewissermaßen ein Topf voll Inspiration und verkörpert somit unsere Hauptstadt nahezu perfekt – denn wenn Berlin anderen Städten wie Paris und New York etwas voraus hat, dann ist das der Grad an Individualität und Inspiration. Die Kunst-, Musik- und Modekultur in Berlin ist nicht imitierbar.

Diese Gedanken habe ich, während ich auf der Wiese sitze und zusehe, wie der Bass die Grashalme kitzelt. Heute, wo die Globalisierung die Grenzen aller westlichen (= Industrie-)Länder mehr und mehr verwischt, was die Kultur und Gewohnheiten betrifft, was können sich die einzelnen Länder und Weltstädte überhaupt noch bewahren? Gibt es nicht in London genauso viele sogenannte Individualisten wie hier, wenn nicht noch mehr? Städte wie Mumbai und Johannesburg werden neuerdings unter anderem deswegen als die neuen Super-Metropolen gehandelt, weil sie sehr viel mehr an ureigener Tradition und Eigenart mitbringen als amerikanische und europäische Städte, die sich im Laufe der letzten Jahrhunderte mehr und mehr einander angeglichen zu haben scheinen. Galten die USA nicht als Inbegriff dieser „Globalisierungskultur“? Natürlich zieht mein langsam US-geschädigtes Hirn – bald bin ich dort als Austauschschülerin, momentan gibt es deswegen kein anderes Thema mehr – augenblicklich den Vergleich: Wir hier in „good old Germany“ sehen Jerry-Bruckheimer-Filme, telefonieren über die neuesten Handys und sind in der „World´s-fattest-nations“-Liste bloß zwei Plätze unter unseren McDonalds-Kollegen. Die USA haben Hollywood, Pamela Anderson (beziehungsweise ihre Brüste), eine bemerkenswert kurze Geschichte und den Traum der endlosen Möglichkeiten. Wir dagegen haben Kirchen aus dem 11. Jahrhundert, Sauerkraut, den Fußball und bis vor Kurzem noch eine Mauer. An sich scheinen unsere Kulturen nicht dieselbe – und dennoch sind besonders gravierende Unterschiede nicht festzustellen. Gilt es unter solchen Umständen die heimlichen Charakterzüge zu entdecken – jene, die nicht im Reiseführer stehen?

Ich sehe mich noch mal um. Etwas entfernt von mir sitzt eine Gruppe Rockabillies (samt „Elvis-lebt“-Motto-Shirts), die sich von der Musik – unter anderem – berauschen lassen. Und gleich daneben ein Paar Mitte vierzig. Die Beiden wippen synchron mit den Köpfen zum Rhythmus und sie sehen zufrieden aus. Tatsächlich ältere Menschen, hier! Ja, denke ich mir, so ist das. Nicht bloß „entweder oder“, sondern Neues an Orten, an denen man es nicht erwartet. Sicher ist das auch in den USA möglich – wenn man die Klischees für einen Moment weg und die Amerikaner aus ihrer Schublade lässt. Da ein Mensch aber bekanntermaßen oft lange braucht, um Vorurteile abzubauen, kann ich bis zu meiner langen Amerikafahrt ruhig noch mit einem leichten Anflug von Ironie die Augen aufreißen, sollte mir ein Amerikaner auf einem Fahrrad begegnen – die fahren doch alle immer nur Autos?!

Johanna Rothmann ist 14 Jahre alt und Schülerin im Gymnasium Hermannswerder. An dieser Stelle berichtet sie in unregelmäßigen Abständen über ihre Gedanken und ihr geplantes Jahr in den USA.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })