Von Günter Schenke: Gedenken an Maueropfer
Förderverein Lindenstraße 54 lud zum „1. Potsdamer MauerVerlauf“ ein / 150 Teilnehmer
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Babelsberg - Die Grenzsicherungsanlagen der DDR sind bereits Objekte der Archäologie: In der Nähe des letzten Mauerteils im Stadtgebiet an der Stubenrauchstraße gruben die Landschaftsgestalter die antik anmutenden Fundamente eines Wachturms aus. Zusammen mit zehn weißen Stelen und dem ebenfalls weiß gestrichenen Original-Mauerrest mit Kreuz bilden sie die Gedenkstätte am Griebnitzsee. Der jetzt sehr eindrucksvolle Ort war gestern Nachmittag Ausgangspunkt des „1. Potsdamer MauerVerlaufs“, einer Gedenktour von der Berliner Stadtgrenze in Babelsberg bis zu der an der Glienicker Brücke. 150 Teilnehmer waren zu der nicht ganz unbeschwerlichen Wanderung ab 15 Uhr bis in die frühen Abendstunden gekommen.
Der erste Abschnitt am Griebnitzsee hat bekanntlich Hindernisse, mit denen einige Grundstückseigentümer den Uferweg sperren. Das „Freie Ufer“ ist derzeit nur eine Forderung auf Postern an den Häusern vieler Bewohner, die einen „Griebnitzsee für alle“ wollen. Die Wanderer müssen auf die Straße ausweichen. Am Sitz der „Friedrich-Naumann-Stiftung für Freiheit“ an der Karl-Marx-Straße gibt es die erste Informationspause mit einem Film von Peter Gärtner aus dem Jahre 1990. Gärtner filmte den Mauerverlauf von Potsdam bis Berlin-Mitte von einem Hubschrauber aus in fünfzig Metern Höhe. „Keiner hat sich für diesen Film interessiert“, erzählt der frühere brandenburgische Kulturminister Hinrich Enderlein (FDP), der im Förderverein Lindenstraße 54 mitarbeitet. Dafür werde jetzt im 20. Jahr des Mauerfalls „zum Teil sehr fragwürdiges Material“ gezeigt. Der Film zeigt die Exklaven Steinstücken und Klein Glienicke ebenso wie den berühmten weißen Strich in der Mitte der Glienicker Brücke, welcher die Grenze zwischen der DDR und West-Berlin markierte.
Vor dem Abzweig nach Klein Glienicke verharren die Wanderer zu einem Gedenken an neun junge Männer und eine Frau, die versuchten, über das Wasser nach Westberlin zu gelangen. So wollte der 28 Jahre alte Roland H., Werkzeugmacher aus dem GRW Teltow, am 10. Juli 1980 die Glienicker Lake durchschwimmen und wird laut dem Bericht „von der Besatzung eines Grenzbootes beschossen und getroffen. Der Verwundete wird aufgefordert, zurückzuschwimmen. Erst kurz vor dem Ertrinken nehmen ihn die Grenzer an Bord.“ Bewegend auch das Schicksal der 53 Jahre alten Erna Kelm aus Sacrow, die im Juni 1962 versucht, nach West-Berlin zu schwimmen. Am 11. Juni wird sie von West-Berlin aus tot aus der Havel geborgen.
„5075 Menschen gelang die Flucht in die Freiheit“, erklärt Klaus Röder, der während der Wanderung per Megaphon über die Grenze informierte. 156 Menschen hätten an der Mauer in Berlin und dem Brandenburger Umland ihr Leben lassen müssen. Dass, was gemeinhin „Mauer“ genannt werde, sei ein ausgeklügeltes System aus Todesstreifen, Wachtürmen, Metallgitter- und Signalzäunen gewesen. Dazu kamen Hundelaufanlagen mit 484 Wachhunden und das „Grenzgebiet“, das nur mit besonderer Genehmigung betreten werden durfte.
Der offizielle Teil des „MauerVerlaufs“ endet mit einem abschließenden Gedenken an der Nike-Stele von Wieland Förster an der Glienicker Brücke.
Günter Schenke
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