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Landeshauptstadt: Gefahrvoller Zug ins Winterquartier
Forscher verfolgen über Funk die Reise der letzten deutschen Schreiadler nach Afrika
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Greifswald/Potsdam -Der jährliche Zug der Schreiadler in die südafrikanischen Winterquartiere ist für die Tiere weitaus gefährlicher als bislang angenommen. Darauf verweisen Wissenschaftler der Deutschen Wildtier Stiftung, die gegenwärtig in einem großangelegten Forschungsprojekt die rund 10 000 Kilometer lange Reise der Raubvögel per Funk verfolgen. Offenbar erreichen nur ganz wenige Jungvögel die Überwinterungsgebiete.
„Wir gewinnen zum Teil erstaunliche Erkenntnisse über das Zugverhalten“, sagte Projektleiterin Margit Meergans am Freitag in Hamburg. So sei ein Jungvogel von Kreta aus über das Mittelmeer nach Nordafrika geflogen. Bisher sei man immer davon ausgegangen, dass Schreiadler die Thermik nutzten und deshalb ausschließlich über Land ziehen. Offenbar scheuten sie aber auch nicht kräftezehrende Flüge über das Meer.
Für das bislang umfassendste Überwachungsvorhaben waren im Sommer dieses Jahres in den Wäldern von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sechs Alt- und 16 Jungvögel mit Satellitensendern ausgestattet worden. Inzwischen liefern die GPS-Sender genaue Daten über die Wanderwege der letzten deutschen Schreiadler.
Jüngsten Signalen zufolge haben zwar die sechs routinierten Altvögel den gefährlichen Teil der Reise überstanden und die Winterquartiere in Sambia und Sudan erreicht. Die noch unerfahrenen Jungvögel seien dagegen noch unterwegs, sagte Meergans. Einige hätten den Winterzug nicht überlebt. So sei ein Vogel vor Malta ertrunken. Ein weiteres Tier kollidierte in Tschechien mit einem Auto. In der Ukraine verendete ein Jungadler an einem Hochspannungsmast. Mehr Glück hatte ein Schreiadler, der völlig entkräftet in Norditalien aufgegriffen wurde. Das von Parasiten befallene Tier wurde in einer Pflegestation bei Turin wieder aufgepäppelt. Es hat inzwischen seinen Flug fortgesetzt.
Dank der Satellitenüberwachung könnten erstmals belastbare Zahlen über die Todesrate junger Schreiadler auf ihrem ersten Zugweg ermittelt werden, sagte Meergans. Das Ergebnis sei erschreckend. „Wir gehen jetzt davon aus, dass 70 bis 80 Prozent der Tiere ihre erste Reise nicht überleben.“ Besondere Gefahren lauerten vor allem in Syrien, im Libanon und in der Türkei, wo jugendliche Wilderer traditionell Jagd auf Greifvögel machten. Vor wenigen Tagen sei zum Beispiel über dem Sinai ein Schreiadler verschollen. Im September vergangenen Jahres war ein Schreiadler namens „Sigmar“ aus Brandenburg über Malta angeschossen worden, als er sich naturgemäß auf dem Vogelzug nach Süden befand. „Sigmar“ war zuvor mit weiteren Jungvögeln im Landkreis Oberhavel ausgewildert worden. Aus Malta wurde der kleine Schreiadler an die Berliner Universitätsklinik gebracht, wo er aber im Dezember aufgrund der schweren Verletzungen eingeschläfert werden musste.
Ein Grund für den Rückgang der auch als Pommernadler bekannten Vögel liegt aber auch in den heimatlichen Brutgebieten. Durch den Verlust naturbelassener Wälder im Nordosten Deutschlands finden die Vögel laut Meergans immer seltener die zum Nahrungserwerb wichtigen Feuchtgebiete und Moore. Im Unterschied zur erfreulichen Bestandsentwicklung bei Seeadlern gehen die Bestände der Schreiadler weiter stark zurück. Im Jahre 2007 brüteten in Vorpommern und im nordöstlichen Brandenburg nur noch 103 Paare. Mitte der 90er Jahre waren es noch 130. Durch künstliche Aufzucht hoffen Forscher, die Population wieder stabilisieren zu können. So wird seit 2007 das jeweils zweite Geschwistertier, das in freier Natur vom älteren Jungtier getötet wird, rechtzeitig aus dem Horst genommen und gerettet. Ralph Sommer
Ralph Sommer
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