Landeshauptstadt: Gegen das Vergessen
Hunderte gedachten am 13. August der Opfer des Mauerbaus / Grabert: „Deutungshoheit darf nicht Tätern überlassen werden.“
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Hunderte Potsdamer haben gestern an verschiedenen Orten der Landeshauptstadt dem Mauerbau vor 47 Jahren und dessen Opfer gedacht. Mehr als 20 Menschen sind zwischen 1961 und 1989 an den Grenzanlagen des DDR-Regimes in Potsdam umgekommen, etwa 7000 Menschen sind als politische Gefangene im ehemaligen Gefängnis der Staatssicherheit in der Lindenstraße 54 inhaftiert gewesen. Das Gebäude wird derzeit zur Gedenkstätte ausgebaut. Vertreter aller Parteien schlossen sich dem Gedenken an den Mauerresten am Griebnitzsee, in der Lindenstraße 54 sowie an der Glienicker Brücke an – einzig Die Linke fehlte.
Der Berliner CDU-Chef Friedbert Pflüger erklärte während der Gedenkfeier an der Glienicker Brücke, Die Linke „ist nicht die Nachfolgepartei, sie ist nach wie vor die SED, nur mit anderen Leuten“. Er sieht es als einen großen Fehler an, dass Andrea Ypsilanti in Hessen ausgerechnet am Tag des Mauerbaus, dem 13. August, einen Konsens aufgekündigt hat und mit den Linken koalieren will. Die Potsdamer CDU-Vorsitzende Katherina Reiche forderte, dass die Opfer der zweiten deutschen Diktatur in Schulbücher und die Öffentlichkeit gehören. „Sie gehören in die Mitte der Gesellschaft, am Rand haben sie lange genug gestanden“. Sie bemängelte, dass die Unterstützer „des SED-Machtstaates heutzutage oft finanziell besser gestellt sind als deren Opfer“. Das sei zynisch.
Das Gedenken an die Opfer ist fest mit im Potsdamer Boden verankert: „Ich finde es wichtig, dass alle erfahren, was mit uns geschah, damit sie wissen können, dass die Freiheit, in der sie leben, nicht selbstverständlich ist. “ Dieser Satz von Horst Schüler steht fest in den Gehweg eingelassen vor der Gedenkstätte in der Lindenstraße. Schüler war Journalist in Potsdam und selbst Häftling im früheren „Linden- Hotel“, wie der Hochsicherheitstrakt inmitten der Stadt genannt wurde. Schüler wurde 1951 wegen Widerstandes gegen das kommunistische System vom sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Haft verurteilt. Sein Verbrechen: Er hatte Flugblätter für die Pressefreiheit verteilt. „Hier begann der Leidensweg vieler bis hin nach Sibirien“, sagte Brandenburgs Wissenschaftministerin Johanna Wanka daher. Allein wegen versuchter Republikflucht habe es 71 000 Freiheitsstrafen in der DDR gegeben, so Claus Peter Ladner von der Fördergemeinschaft Lindenstraße 54. Er hält den Streit um die genaue Anzahl der Mauertoten, der alljährlich aufkommt, für „müßig“. Die Zahl sei zweitrangig, „jedes Opfer ist eines zu viel“, so Ladner. Wichtig sei vor allem die Vermittlung von Wissen über die DDR. „Soziales Paradies oder Stasi-Staat?“, fragt Ladner. Die Schülerprojektwerkstatt der Lindenstraße 54 werde gut angenommen, 123 Gruppen hätten die Gedenkstätte besucht. Zudem seien 92 Lehrer fortgebildet worden.
Auseinandersetzen statt aufarbeiten fordert der Verein Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg. Die Deutungshoheit dürfe nicht den Tätern überlassen werden, so Detlef Grabert. Linda Teuteberg (Junge Liberale), Manfred Kruczek und Grabert forderten gestern am Griebnitzsee erneut, dass die fünf letzten Originalteile der Mauer in Potsdam unter Schutz gestellt werden. Das Denkmalamt der Stadt hält dies allerdings nicht für nötig. Die Mauerreste, ein Kreuz und eine Liste mit 17 Namen von bei Fluchtversuchen in Potsdam Umgekommenen erinnern heute an einem der letzten authentischen Orte in der Landeshauptstadt an die 28 Jahre Berliner Mauer.
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