Landeshauptstadt: Gegen schlechte Stimmung
Schlussetappe für Tour gegen Depression in Potsdam
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Innenstadt - Diese Fahrräder haben ganz Deutschland gesehen: Die über ein Dutzend Drahtesel der sogenannten „Mood Tour“, die am Samstag von Potsdam zu ihrer letzten Etappe nach Berlin aufbrachen, haben bereits knapp 4500 Kilometer hinter sich gebracht. Auf ihnen sitzen rund 30 Menschen mit und ohne Depressionserfahrungen. Sie haben ein Ziel: die Krankheit Depression, von der rund vier Millionen Deutsche betroffen sind, zu entstigmatisieren. Ihre Tour startete am 16. Juni in Freiburg, sie durchquerten 45 Städte und veranstalteten ebenso viele Aktionstage.
Vor allem Frauen fahren mit, nur sechs Männer mit Depressionserfahrung sind dabei. „Bei Männern gibt es halt immer noch viele Hemmungen“, sagte Sebastian Burger, der Organisator der „Mood Tour“. Ohnehin seien nicht so viele Interessierte gekommen wie erhofft. „Aber genau deswegen machen wir das ja: Das Stigma gegen Depression wirkt immer noch“, so Burger. Viel mehr Interesse habe es etwa bei einer Tandem-Radtour für Blinde von Bremen bis Singapur im Jahr 2005 gegeben.
Der 32-jährige Fotograf und Weltenbummler verbindet bereits seit zwölf Jahren Fahrradtouren mit gesellschaftlichem Engagement. Die „Mood Tour“ ist sein neustes Projekt, das unter anderem von Spendern, dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, der Deutschen Depressionsliga und dem Potsdamer Selbsthilfe-, Kontakt- und Informationszentrum (Sekiz) unterstützt wird. Er wolle Depression enttabuisieren, sagte Burger: „In der Berufswelt zum Beispiel werden auf beiden Seiten Fehler gemacht: Die Betroffenen bringen ihr Problem nicht zur Sprache, und die Arbeitgeber müssen lernen, wie man echte Depressionen erkennt – und wie man sie von Trittbrettfahrer-Depressionen unterscheidet.“
Das Radfahren spielt für Burger eine besondere Rolle: Laut Studien habe Ausdauersport eine positive Wirkung auf Depressionen. Über die Erlebnisse der Reise berichtet ein Internet-Blog: An einem Tag hatten die Teilnehmer in Niedersachsen endlich einen Platz zum Zelten gefunden, als klar wurde, dass auf der gleichen Wiese die örtliche freiwillige Feuerwehr eine Übung machen wollte. Schließlich arrangierte man sich und teilte den Platz. Eine ähnliche Situation lag auch beim Start der Schlussetappe vor, die um elf Uhr auf der Wiese hinter dem Hauptbahnhof starten sollte. Zeitgleich begann dort das Toleranz-Fest gegen die geplante NPD-Demonstration durch die Innenstadt. Doch beide Seiten machten aus der Not eine Tugend: Die Radler starten ihre Schlussetappe nach einer kurzen Vorstellung der „Mood Tour“ durch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) unter dem Applaus von mehr als 100 Besuchern vor der Bühne des Toleranz-Festes. „Auch Depression ist ein Problem, für das es mehr Toleranz bedarf“, sagte Jakobs während seiner kurzen Eröffnungsrede des Festes. Erik Wenk
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