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Landeshauptstadt: Gegenseitiges Achten aller Unterschiede

Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dietmar Beuchel gab Amt ab

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Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dietmar Beuchel gab Amt ab Unter nationalsozialistischer Präsenz hieß es 1945: Potsdam bleibt judenfrei. „Heute können wir sehen, dass das nicht wahr ist", meint Dietmar Beuchel zufrieden. Seit Jahrzehnten interessiert sich der Theologe und langjährige Pfarrer der Nikolaikirche für den Dialog mit seinen jüdischen Mitbürgern. Vor zehn Jahren war er Mitbegründer und einer der drei Vorsitzenden der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Potsdam. Ende Januar übergab er sein Amt an seinen Nachfolger Hans-Jürgen Schulze-Eggert. Bereits während seines Theologiestudiums in Leipzig und Jena wurde Beuchels Interesse für das Volk Israel geweckt. Die Situation für Juden war, so erinnert sich der gebürtige Chemnitzer, in der DDR schwierig. Unter der stalinistischen Herrschaft verließen viele Juden mit und ohne Aufforderung das Land. Das jüdische Leben kam fast zum Erliegen. Nach anfänglicher Zustimmung zur Gründung des Staates Israel wurde der Antizionismus die herrschende Staatsdoktrin. Dem Verband der Jüdischen Gemeinden blieb jegliche Form öffentlichen Wirkens untersagt. Bis zum September 1987 wurde kein Rabbiner im Staat zugelassen. Zudem war es schwierig zehn erwachsene Männer für den Sabbat zu versammeln. Die zwei Potsdamer jüdischen Glaubens waren der Gemeinde in Schwerin zu geordnet. „Ich empfand das als Schikane.“ Erst im Jahre 1988, anlässlich des 50-Jahr-Gedenkens der Reichskristallnacht, wurde auf Erich Honeckers Anweisung hin dem Judentum eine größere öffentliche Aufmerksamkeit gewährt. „Honecker wollte damit seinen erhofften Staatsbesuch in die USA fördern.“ Versuche kirchlicher Gruppen, den christlich-jüdischen Dialog zu suchen und zu beginnen, löste Misstrauen und geheimdienstliche Überwachungen aus. Auch Dietmar Beuchel musste diese Erfahrungen machen. Anfang der 90er Jahre erwachte das jüdische Leben vor Ort wieder, nicht zuletzt durch die Zuzüge russischer Migranten. An einem Sonntag im Herbst 1990, erinnert sich der 1934 Geborene, trafen sich jüdische Familien mit Potsdamern. Daraus entstand die Idee für die Gesellschaft. Wie die ersten Gesellschaften, die unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg entstanden, setzte man sich auch hier beispielsweise für die Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Juden und Christen in gegenseitiger Achtung aller Unterschiede und die Achtung der Eigenständigkeit von Minderheiten ein. Die knapp 50 jüdischen, christlichen und konfessionslosen Mitglieder laden zu Vorträgen, besuchen Schulen und Gemeinden im ganzen Land Brandenburg, um das Gespräch zu suchen und für ein tolerantes Miteinander zu werben. Die Frauen und Männer verstehen ihre Arbeit auch als Hilfe für die Migranten. So helfen sie bürokratische Hürden zu nehmen oder laden einfach zu Kaffee und Kuchen. In all den Jahren lag dem bekennenden Christen der Bau einer Synagoge am Herzen. „Gern hätten wir es geschafft, wenigstens ein Grundstück zu erwerben.“ Doch die finanziellen Fehlentwicklungen haben das Ziel in weite Ferne gerückt. Die Hoffnung auf eine Synagoge gibt Beuchel nicht auf, „obwohl es noch ein langer Weg ist, bis das Vorhaben realisiert werden kann“. Auch wenn Dietmar Beuchel sein Amt als Vorsitzender abgab, wird er der Arbeit der Gesellschaft weiterhin mitgestalten. U. Strube

U. Strube

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