
© Manfred Thomas
Von Sabine Schicketanz: Geisterhafte Szenarien
Die Babelsberg- Produktion „The Ghost Writer“ hatte gestern im Wettbewerb der Berlinale Premiere
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Berlin / Potsdam – Es ist, daran ließ niemand einen Zweifel, ganz und gar sein Film. Bestimmt von seiner Präzision, durchzogen von seiner Perfektion. Der Politthriller „The Ghost Writer“, abgedreht vor gut einem Jahr in Babelsberg, fertig gestellt im schweizerischen Gstaad. Dort, wo Regisseur Roman Polanski seit Anfang Dezember in Hausarrest festgehalten wird, nachdem er zwei Monate in einem Schweizer Gefängnis saß. In seinem Chalet, das er nicht verlassen darf, gab Polanski „The Ghost Writer“ den letzten Schliff. Zuvor habe man über seinen Schweizer Anwalt Material ins Gefängnis geschickt. So erzählt es Robert Benmussa, einer der Produzenten des Films.
Eines Films, der unwillentlich Parallelen provoziert zwischen der isolierten Welt des wegen angeblichen Kriegsverbrechen in Bedrängnis geratenen britischen Ex-Premiers Adam Lang (Pierce Brosnan) und der vermuteten Abgeschiedenheit des Regisseurs Polanski, gegen den ein vor 32 Jahren von den USA ausgestellter Haftbefehl vollzogen wurde. Polanski soll 1977 in Los Angeles eine 13-Jährige mit Drogen gefügig gemacht und dann mit ihr Sex gehabt haben. Einen Tag, bevor 1978 das Urteil gegen in verkündet werden sollte, verließ er das Land. Ende September ist Polanski auf dem Flughafen Zürich verhaftet worden; die Schweiz will ihn in die USA ausliefern. Ein geisterhaftes Szenario, das den Film, der ein ebensolches präsentiert, in der Realität begleitet.
Dass die Berlinale entschieden hat, „The Ghost Writer“ im Wettbewerb zu zeigen, sei „gut und mutig“, sagt Carl L. Woebcken, Vorstandschef des Koproduzenten Studio Babelsberg AG. Die internationale Presse spendete dem Film nach der gestrigen Vorführung entschiedenen Beifall, den Schauspielern und Produzenten ebenfalls, als sie zur Pressekonferenz auf dem Podium erscheinen. „Dass Roman heute nicht in unserer Mitte sitzt, ist für uns alle sehr seltsam“, sagt Produzent Benmussa. Kommentare zum Fall Polanski lehnt er ab, wie alle anderen. Stattdessen reden die Darsteller und der Autor der Romanvorlage Robert Harris über ihren Regisseur, seine Arbeitsweise, seine Angewohnheiten, ahmen ihn gar nach. „No, no, no“, rufe Polanski ungebremst, wenn ihm eine Szene nicht gefalle, sagt Olivia Williams, im Film die Ehefrau des Ex-Premiers. Von Sensibilität gegenüber Schauspielern keine Spur. „Unkomfortabel für unsere Egos“ sei Polanski, sagt Ewan McGregor, der rebellisch wirkende Brite, der den „Ghost Writer“ spielt. Doch wer erst einmal gelernt habe, die Ausbrüche des Regisseurs nicht persönlich zu nehmen, mache eine befreiende Erfahrung: „Dann ist er wie deine Mutter, die nervt, aber gewöhnlich Recht hat.“ Und Erfolg: „Roman Polanski verantwortet genauso viel meiner Leistung in diesem Film wie ich.“
An seine Kindheit könnten den blonden McGregor auch die Dreharbeiten vor einem Jahr erinnert haben. Gefilmt wurde auf Sylt und Usedom, in Dänemark, Berlin und Babelsberg. Dabei ist McGregor vor allem die deutsche Promi-Insel im Gedächtnis geblieben – als Ort, an dem es „nichts, gar nichts“ zu tun gab. Freilich fanden die Dreharbeiten nicht in der Touristensaison statt, sondern zu Beginn des vergangenen Jahres. Das Team um den Ausführenden Produzenten Henning Molfenter, Chef von Studio Babelsberg Motion Pictures, hatte die Inseln gefunden als Pendant des Originalschauplatzes in den USA, der dortigen Ferieninsel Martha’s Vineyard nahe New York. In den Babelsberger Studios wurde das Innere des abgeriegelten Feriendomizils des Ex-Premiers nachgebaut. Die Inszenierung ist tadellos gelungen: Kein noch so kleines Details lässt darauf schließen, dass dieser Film in Deutschland gedreht wurde.
Eine Babelsberger Qualität, die Polanski schon vor Drehstart bekannt war. Vor zehn Jahren hatte er mit dem Studio und Produzent Molfenter sein oscarprämiertes Holocaust-Drama „Der Pianist“ realisiert. Überzeugungsarbeit sei nicht nötig gewesen, um Polanski nun wieder nach Babelsberg zu holen, sagt Studio-Chef Woebcken. Bei „Der Pianist“ habe der Regisseur mit einer deutschen Crew gearbeitet, die er danach sogar für andere Filme engagiert habe und die jetzt wieder zusammengekommen sei. Die „Polanski-Familie“ nennt Produzent Molfenter das eingespielte Team. Geld aus dem Deutschen Filmförderfonds und von regionalen Förderern wie dem Medienboard Berlin-Brandenburg habe es freilich noch einfacher gemacht, den 40 Millionen Euro teuren Thriller zu produzieren, so Woebcken. Über die Erfolgschancen von „The Ghost Writer“ im Rennen um den Goldenen Bären will der Studio-Chef lieber nicht sprechen. Polanskis Abwesenheit allerdings dürfte, so viel sei spekuliert, die Chancen nicht schmälern.
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