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Doppelte Kontrolle. Das neue Verfahren soll die Darmspiegelung ergänzen.

© T. Rückeis

Homepage: Gene verraten Darmkrebs Forscher entwickeln neues Diagnoseverfahren

Die Krankheit ist tückisch – bemerkt man die ersten Symptome, ist es meist schon zu spät. Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart in Deutschland und endet bei etwa jedem zweiten Erkrankten tödlich.

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Die Krankheit ist tückisch – bemerkt man die ersten Symptome, ist es meist schon zu spät. Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart in Deutschland und endet bei etwa jedem zweiten Erkrankten tödlich. Dabei zählt Darmkrebs zu den Krebsarten, die sehr langsam entstehen. Meist entwickelt sich der Tumor aus einem gutartigen Polypen – einer Schleimhautvorwölbung, die in den Hohlraum des Dickdarms hineinragt. Etwa zehn Jahre dauert es von den ersten Zellveränderungen bis zum bösartigen, unkontrollierten Zellwachstum. Die Chancen, einen Polypen über eine Darmspiegelung zu erkennen, bevor aus ihm ein Tumor wird, sind sehr hoch. 97 Prozent aller Krebsvorstufen werden über die Koloskopie erkannt. Doch nur wenige Menschen nehmen die Möglichkeit zur Vorsorge wahr. Zu groß sind die Ängste vor der unangenehmen Prozedur.

Ernährungstoxikologen der Universität Potsdam entwickelten nun ein neues, nicht-invasives Verfahren, mit dem ein Großteil der Krebsvorstufen auch ohne Koloskopie erkannt werden kann. In Stuhlproben weisen die Forscher beginnenden Darmkrebs und seine Vorstufen nach – über eine genetische Analyse von Zellresten der Darmschleimhaut, die sich darin befinden. „Bei Darmkrebspatienten sind meist ganz bestimmte Gene mutiert“, erklärt Bettina Scholtka vom Deutschen Institut für Ernährungswissenschaft (DIfE). So sind etwa Gene durch Mutationen stillgelegt, die Defekte an der DNA reparieren oder den Prozess der Tumorentstehung blockieren können. Andere Mutationen aktivieren sogenannte Krebsgene, die ein unkontrolliertes Zellwachstum anstoßen. Um die für die Krebserkrankung relevanten DNA-Abschnitte zu identifizieren, analysierten die Wissenschaftler zunächst zahlreiche Gewebeproben von Darmkrebspatienten. Schließlich fanden sie vier Gene, die für die Initiation von Darmkrebs anscheinend eine entscheidende Rolle spielen. In 80 Prozent der Krebsfälle und 65 Prozent der Krebsvorstufen liegt mindestens eines dieser vier Gene in mutierter Form vor.

Nach den Gewebeanalysen übertrugen die Forscher ihre Ergebnisse auch auf die Stuhlproben. „Im Stuhl sind neben den Tumorzellen immer auch gesunde Zellen vorhanden“, erläutert Bettina Scholtka. Das veränderte Genmaterial ist mit gesundem verdünnt und damit auf herkömmlichem Wege nicht zu erkennen. Die Ernährungstoxikologen verfeinerten ihre Nachweismethode, um auch in Stuhlproben kleinste Mengen von mutiertem Erbmaterial aufzuspüren. Dazu reicherten sie die mutierten Gene an. Die isolierte DNA aus den Stuhlproben versetzten die Forscher mit einem Molekül, das sich nur an die gesunden Genabschnitte anlagerte und diese blockierte. Nur die mutierten Gene blieben frei und wurden in einem anschließenden Schritt vervielfältigt und schließlich detektiert. „Dieses Verfahren ist sehr sensitiv“, betont Scholtka. Mit der Methode können die Ernährungswissenschaftler eine einzige krebsspezifische Genveränderung unter einer 10 000-fachen Menge gesunder DNA aufdecken.

Nach mehrjähriger Forschungsarbeit, in denen etwa 600 Stuhl- und Gewebeproben im Labor analysiert wurden, konnten die Forscher ihre Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift „Cancer Prevention Research“ publizieren. Trotzdem werden wohl noch mehrere Jahre vergehen, bis der Test Marktreife erlangt und tatsächlich in den Praxen der Gastroenterologen zur Anwendung kommt. „Das hängt letztlich davon ab, ob sich ein Biotechnologie-Unternehmen dafür interessiert, Patientenstudien durchführt und die Tests validiert“, so Scholtka.

Trotz der hohen Genauigkeit der neuen Methode, betont Bettina Scholtka: „Es wird in absehbarer Zeit keine Methode geben, die die gleiche Empfindlichkeit erreicht wie eine Darmspiegelung.“ Die Genanalyse sei keinesfalls als Ersatz zur Koloskopie gedacht. Vielmehr solle für jene Menschen eine Alternative angeboten werden, die große Ängste vor einer Darmspiegelung hätten und deshalb nicht zur Vorsorge gingen. „Das wollen wir verhindern“, so Scholtka. Heike Kampe

Heike Kampe

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