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Homepage: Genug Zeit, sich anzustecken

Potsdamer Biologen erforschen die Vogelgrippe bei Störchen / Hoffen auf schnelle Förderung

Die Vogelgrippe kam nicht überraschend. Man hatte damit gerechnet, und doch haben die aktuellen Ereignisse scheinbar alles überrollt. Sogar die Wissenschaft. Dabei ist angesichts der drohenden Gefahr des aggressiven Virus H5N1 auch für den Menschen, Forschung dringend nötig. Doch Forschung braucht Geld. Und die Bewilligung von Geldern braucht ihre Zeit.

So fördert die Europäische Union in ihrem sechsten Forschungsrahmenprogramm Projekte zum Thema Vogelgrippe immerhin mit insgesamt 20 Millionen Euro. Doch bis jetzt sind noch nicht einmal alle Bewerbungsverfahren abgeschlossen. Und die Entscheidung, wer schließlich Geld aus dem großen europäischen Topf bekommt, fällt erst zum Jahresende. „Wir sind der Meinung, dass bestimmte Fragen, schnell beantwortet werden müssen“, bedauert Dieter Wallschläger vom Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam die langsam mahlenden Mühlen der europäischen Forschungsförderung. Schließlich herrscht in einigen Gebieten bereits Katastrophenalarm.

Gemeinsam mit deutschen und osteuropäischen Kollegen will der Potsdamer Ökologe untersuchen, welche Rolle die über den Balkan und die arabische Halbinsel nach Südafrika ziehenden Störche bei der Ausbreitung des aggressiven Vogelgrippe-Virus H5N1 spielen. Allein in Brandenburg nisten jährlich an die 100 Brutpaare ganz unmittelbar über den Dächern der Menschen und ihrer Nutztiere. Mehr noch: Die Tiere fliegen auf ihrem Weg aus den südafrikanischen Winterquartieren nicht nur über Länder, in denen die Vogelgrippe ausgebrochen ist. Sie rasten auch dort. Anders als Singvögel, die den Heimweg in wenigen Wochen schaffen, sind Störche oft zwei, drei Monate auf Reisen. Genug Zeit, sich unterwegs bei anderen Tieren anzustecken.

Möglicherweise aber tragen die Tiere das Virus schon längst mit sich herum. Viele Forscher befürworten inzwischen eine Hypothese, der zufolge das H5N1 bereits unerkannt in heimischen und überwinternden Vögeln schlummert und nur auf den richtigen Zeitpunkt wartet, seine krank machende Wirkung zu entfalten und sich zu vermehren. Doch wann ist dieser Zeitpunkt? Welche Bedingungen müssen herrschen? Man weiß es nicht. Sicher scheint nur, dass auch Tiere in bester Konstitution erkranken – die auf Rügen verendeten Schwäne zum Beispiel waren eigentlich topfit.

Der Tag, an dem H5N1 bei den Schwänen entdeckt wurde, zeigte Dieter Wallschläger vor allem eines: Die Zeit drängt. Im März erwarten die Experten die ersten Störche zurück. Im Balkan werden sie schon eher eintreffen. Eigentlich müssten dann sofort Proben genommen werden. Zwar hat das Team von Dieter Wallschläger noch rund 300 Blut- und Tupferproben von Störchen aus anderen Projekten in der Tiefkühltruhe, doch diese allein reichen nicht. Käme tatsächlich erst Ende des Jahres Geld, ginge den Forschern ein komplettes Jahr verloren.

Wallschläger hofft jetzt darauf, dass die Entscheidungen der EU durch die aktuelle Lage beschleunigt werden. Sogar einen Schwung Faxe hat er losgeschickt. An Bundesminister Seehofer, an Brandenburgs Agrarminister Dietmar Woidke, an Ausschüsse und Gremien. Antwort bekam er bislang nicht.

„Wir müssen einfach wissen, wie sich das Virus verbreitet und was schließlich zum Ausbruch der Krankheit führt.“ Drei Jahre müssen reichen, um die wichtigsten Fragen zu klären. Fünf wären Wallschläger lieber. „Wir kommen vornehmlich an junge Störche heran. Die kehren aber oft erst nach einigen Jahren wieder in ihre Heimat zurück.“ Grund: Ein Storch ist erst mit drei, vier Jahren geschlechtsreif.

Von Julia Thurau

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