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An der Heinrich-Mann-Allee Potsdam haben Bohrungen zur Tiefen-Geothermie begonnen.

© Andreas Klaer,PNN,Tsp / Andreas Klaer

Geothermiebohrung gestartet: Potsdams 1800 Meter tiefe Heizung

Die Stadt treibt die Energiewende voran. An der Heinrich-Mann-Allee ist ein 33 Meter hoher Bohrturm aufbaut. Mit der Erdwärme soll das neue Wohngebiet beheizt werden.

Der Moment war symbolträchtig, wenn auch unabsichtlich: Am bisher kältesten Tag dieses Winters hat am Donnerstag die Bohrung für eine Tiefengeothermieanlage in Potsdam begonnen. Damit soll künftig das Neubaugebiet auf dem Areal des früheren Tramdepots und der früheren Tennisplätze hinter der Sporthalle an der Heinrich-Mann-Allee beheizt werden. Und zwar CO2-frei. Wie der Energieversorger Energie und Wasser Potsdam (EWP) mitteilte, gehe das Projekt nun in die „heiße Phase“.

Auf dem Gelände ist ein 33 Meter hoher Bohrturm aufgebaut. Das Monstrum aus Stahl, Pumpen, Rohren und Motoren ist insgesamt 700 Tonnen schwer. Damit Anwohner schlafen und der Betrieb in der benachbarten Grundschule weitergehen kann, ist rings um den Bohrturm eine zehn Meter hohe Lärmschutzwand aufgebaut. Ab sofort wird im 24-Stunden-Betrieb gebohrt - voraussichtlich bis Juni 2023.

Zwei Fahrzeuge bringen den Untergrund in Schwingung

Rund 1800 Meter tief soll gebohrt werden. Dort erwartet man eine 200 Millionen Jahre alte Schicht aus Buntsandstein, die Wasser mit Temperaturen von 65 bis 70 Grad Celsius führt. Das ist die heiße Ware, an die die EWP ran will. 50 Kubikmeter pro Stunde sollen gefördert werden. Damit ließe sich alle zehn Sekunden eine Badewanne füllen. Die Gesteinsschichten unter Potsdam waren zuvor in Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Geoforschungszentrum untersucht worden. Dazu waren im Potsdamer Süden zwei Fahrzeuge unterwegs die mit sogenannter Vibro-Seismik den Untergrund in Schwingung gebracht haben. Die Echos aus der Tiefe wurden mit Geophonen aufgezeichnet. So entstand ein Bild von den geologischen Schichten.

Christiane Preuß, Geschäftsführerin der EWP
Christiane Preuß, Geschäftsführerin der EWP

© Andreas Klaer,PNN,Tsp / Andreas Klaer

Die EWP rechnet damit, dass sie mit den beiden Bohrlöchern etwa 50 Jahre lang klimaneutral Fernwärme gewinnen kann. Garantiert ist der Erfolg allerdings nicht. Es könnte auch weniger sein. Man weiß nicht, wie die Gesteinsporen miteinander verbunden sind und wie schnell das Wasser strömen kann. „Wir sind die ersten in der Region, die das machen“, sagte Geschäftsführerin Christiane Preuß. Erstmal werden 20 Millionen Euro investiert. „Wir gehen volles Risiko. Das ist für unser Unternehmen eine große Summe.“ Wenn man Erfolg habe, werde die EWP die Tiefengeothermie weiter ausbauen. Mit jeder Anlage könnten im Sommer bis zu zehn Prozent der Fernwärmeleistung emissionsfrei und nachhaltig aus der Tiefengeothermie gewonnen werden.

Wenn die Bohrung beendet ist und alles klappt, wird man von der Geothermieanlage kaum etwas bemerken. Die Technik verschwindet unterirdisch unter dem künftigen Quartiersplatz. Oben drüber soll Gras wachsen. Die Energie wird in das lokale Niedertemperaturnetz eingespeist, das in dem Neubauviertel der kommunalen Wohnungsholding Pro Potsdam verlegt ist. Das kommt mit 58 Grad warmem Wasser aus. Wenn die Energie dort im Sommer nicht vollständig verbraucht wird, fließt der Rest in das stadtweite Fernwärmenetz, hieß es.

Kompliziertes Genehmigungsverfahren

Erste Ideen, das neue Wohngebiet mit Geothermie zu beheizen, gab es schon 2018. Der Genehmigungsprozess sei sehr kompliziert gewesen, so Preuß. „Das war en wahnsinnig aufwendiges Genehmigungsverfahren.“ Da müsse man geduldig sein. Hinzu komme, dass bei der Bohrung in einem bewohnten Gebiet viele Dinge beachtet werden müssen. Die EWP wolle die Geothermie weiter ausbauen. „Aber wir müssen sehen, wie schnell wir uns das leisten können.“

Potsdams Baubeigeordnetem Bernd Rubelt (parteilos) ging es um das große Ganze. „Die Geothermie wird die Stadt verändern.“ Für die Zukunft sei es wichtig, dass man den Mut zu Veränderungen habe. Angesichts von steigenden Energiepreisen auf dem Weltmarkt und der gleichzeitigen Notwendigkeit, klimaschonende Technologien voranzubringen, unterstützt die Stadt das Projekt. Das gelte auch für das Engagement der EWP an weiteren Standorten. Wo die sind, steht allerdings noch nicht fest, sagte er den PNN.

60
Prozent der Potsdamer Haushalte sind an das Fernwärmenetz angeschlossen

60 Prozent der Potsdamer Haushalte werden über das Fernwärmenetz der EWP versorgt. Bisher kommt die Wärme überwiegend aus dem Heizkraftwerk Süd, das mit Erdgas arbeitet. Es müsste in den nächsten Jahren ohnehin modernisiert oder ersetzt werden. In den nächsten zehn Jahren soll daneben ein neues entstehen, das auch Wasserstoff oder synthetisch erzeugtes Gas nutzen kann. Die Geothermie könnte einen großen Teil des Bedarfs übernehmen. Ihr Vorteil ist, dass sie grundlastfähig ist. Das heißt, sie funktioniert unabhängig davon, ob Wind weht oder die Sonne scheint.

Potsdam hat sich in seinem „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ im Jahr 2017 verpflichtet, innerhalb von 30 Jahren den CO2-Ausstoß um 95 Prozent zu reduzieren. Inzwischen peilt man das schon fünf bis zehn Jahre früher an. Die sogenannte Energie- und Dekarbonisierungsstrategie der EWP umfasst vier Säulen: Fernwärme, Stromversorgung, Mobilität und Unterstützung der Kunden bei der Senkung des Energieverbrauchs. So soll zum Beispiel das Potsdamer Fernwärmenetz perspektivisch mit einer niedrigeren Temperatur betrieben werden, um Energie zu sparen.

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