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Landeshauptstadt: Geschäft unter Freunden

Vor sieben Jahren wurde das Krampnitz-Gelände unter dubiosen Umständen verkauft. Der Fall entwickelte sich zum größten Immobilienskandal des Landes HEUTE TEIL 6: Die Affäre um den Verkauf der Kaserne

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Welch Ironie. Manch Affäre, ihre Enthüllung führt erst zur Lösung eines Problems, wirkt wie ein Katalysator, ein Beschleuniger. So ist es auch in Potsdam mit der Krampitz-Kaserne im Norden der Stadt. Hier ist es der größte Immobilienskandal der vergangenen Jahre in Brandenburg. Seit der im Sommer 2010 aufflog, macht die Stadt Potsdam – auch wegen des angespannten Wohnungsmarktes – selbst Nägel mit Köpfen: Bis 2023 soll auf dem Gelände ein neues Wohnortviertel für mehrere Tausend Menschen entstehen. Vorbei ist die Aufarbeitung des Skandals damit nicht, weder politisch noch juristisch. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, im Landtag durchleuchtet ein Untersuchungsausschuss die Geschehnisse.

Es war ein Tag Ende August 2010, als der Katalysator für das Krampnitz-Projekt der Stadt Potsdam anging, dann Fahrt aufnahm – und dann immer mehr Details des Skandals um die Kaserne zu Tage brachte. Angeworfen wurde der Katalysator von der Presse. Das Magazin „Der Stern" berichtete, beim Verkauf der Kasernen soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. In den Hauptrollen dieses Krimis sind zwielichtige Investoren, Potsdam-Prominenz, getäuschte, aber fahrlässig gutgläubige Beamte und bestens in der Politik, bis hin zu Ministern vernetzte Unternehmer.

Die Geschichte reicht zurück ins Jahr 2006. Unter der Ägide des damaligen Finanzministers Rainer Speer (SPD) privatisierte das Land Brandenburg die Brandenburgische Boden Gesellschaft (BBG), die vor allem frühere, meist mit Altlasten verseuchte Militärflächen aus Landeseigentum verkaufte. Die Geschäfte liefen gut, die Landesfirma erwirtschaftete Gewinne. Für die eigentlich geplante Liquidation wurden Rücklagen in Millionenhöhe gebildet. Doch dann ging die BBG 2006 an die TVF Altwert von Frank Marczinek, einst Verteidigungsstaatssekretär in der letzten DDR-Regierung unter Lothar de Maizière (CDU), einer der sich mit Militärliegenschaften bestens auskannte. Offizieller Kaufpreis: 3,9 Millionen Euro. Doch inoffiziell finanzierte Marczinek den Kauf mit 3,3 Millionen Euro aus dem angehäuften Eigenkapital der BBG. Obendrein wurde der dann privaten BBG mehrmals verlängert. Eine Goldgrube.

Dann kommt es im Jahr 2007 zum Deal um die Krampnitz-Kasernen. Bereits mehrfach waren Versuche der noch staatlichen BBG gescheitert, für das Gelände einen Investor zu finden. Doch nach der Privatisierung ging es plötzlich ganz einfach. 4,1 Millionen Euro sollte der Käufer zahlen, es war die TG Projektentwicklungsgesellschaft Potsdam, hinter der sich ein Firmengeflecht des wegen undurchsichtiger Geschäfte bekannten Hannoveraner Juristen Ingolf Böx verbirgt. Auch wenn die rot-rote Regierungskoalition das anders sieht, entstand dabei ein Schaden für das Land: Nach einem Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft war das Gelände zum Zeitpunkt des Verkaufs schon fast zehn Millionen Euro wert, später 29 Millionen. Mittlerweile dürften es noch mehr sein, denn Potsdam wächst und die Immobilienpreise steigen.

Offiziell, so glaubte es der Landtag damals Speer, kaufte die dänische Thylander Gruppe die Kaserne. Allein der Name TG erinnert ja irgendwie daran, dass das europaweit agierende Unternehmen dahinter steht. Böx hatte ein mit dem Thylander-Namen fingiertes Angebotsschreiben abgegeben, die Beamten im Finanzministerium saßen dem Schwindel auf. Dabei hätte ein Blick ins Handelsregister genügt, weil „TG Potsdam Entwicklungsgesellschaft mbH“ zu diesem Zeitpunkt als solche gar nicht existierte.

Inzwischen ist bekannt, dass Thylander durchaus Interesse hatte, aber nicht direkt damit zu tun hatte. Zwei Tage nach Unterzeichnung der Krampnitz-Verträge zwischen BBG und Böx meldet sich die Thylander Group per E-Mail beim Büro des Berliner Sachverständigen Klaus Keunecke. Demnach wollte Thylander in das Krampnitz-Projekt einsteigen, verlangte aber ein Dritt-Gutachten von Keunecke, das den Wert auf mehr als 45 Millionen Euro taxiert. Thylanders Ziel: Das Gelände nach der Übernahme für mehr als diese Summe weiterverkaufen, allerdings ohne irgendwelche Investitionen. Keunecke weigerte sich und kam nur auf einen Wert von 25 Millionen Euro. Sollte hier also nur mit billig verkauftem Landesvermögen spekuliert werden, um hohe Gewinne abzuschöpfen; schnelles Durchhandeln also, wie es Insider nennen? Immerhin: Es klappte nicht.

In dem ganzen Gewirr spielte auch Potsdams damalige Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz (SPD) eine Rolle. Sie war von der BBG früh informiert über den geplanten Verkauf an die TG Potsdam. Doch erst eine Notiz von ihr über ein Gespräch mit dem Berater Thilo Steinbach trieb den Preis für Krampnitz plötzlich nach oben, weil sie eine Änderung der Bebauungspläne zusagte: statt Sport- und Erlebniswelt sollte Krampnitz zum Wohngebiet werden. Steinbach war schon vor dem Krampnitz-Deal als Berater involviert, Auftraggeber war der später verunglückte Potsdamer Architekt Moritz Kock. Gemeinsam mit Böx stellte er im Dezember 2007 bei Kuick-Frenz seine Pläne für einen Villen-Vorort vor. 2008 dann unterzeichnete die Stadt mit der TG Potsdam einen Rahmenvertrag für Krampnitz, doch es passierte nichts, weil die Firma keine Investoren fand, die Banken nicht mehr mitspielten. Und die BBG gab der TG Potsdam sogar Aufschub. Marczinek informierte das Finanzministerium nicht einmal. Für den Potsdamer Wohnungsmarkt verlorene Jahre. 2009 versuchten Marczinek und Steinbach das Krampnitz-Geschäft zu retten. Sie wollten ein Zehn-Hektar-Grundstück von der Stadt Potsdam kaufen, das westlich an das Kasernen-Areal angegrenzt. Sie gründeten eigens eine GmbH und reichten ein Angebot ein. Am 7. September 2010, zehn Tage nach dem Auffliegen des ganzen Skandals, zogen sie das Angebot zurück. Die Firma wurde aufgelöst.

Es bleibt also dieses Personaltableau: Steinbach, Speer, Marczinek und Kock - alle waren gemeinsam in der Spitze des Fußballvereins SV Babelsberg 03 aktiv. Machertypen meist, die nach der Wende empor gekommen sind, Karriere machten und gelernt haben, Probleme per Handschlag und unkompliziert zu lösen.

Aber Einsicht? Bei Speer jedenfalls nicht, er wies im Untersuchungsausschuss alle Vorwürfe zurück, für mehr Geld wäre Krampnitz nicht zu verkaufen gewesen. Sicherlich, bei der TG Potsdam hätte er genauer hinschauen können. Gegen Marczinek wird wegen Untreue ermittelt, gegen Böx wegen falscher uneidlicher Aussage vor dem Untersuchungsausschuss. Die Stadt Potsdam zog ihre Schlüsse, kündigte alle Verträge mit der TG Potsdam und will das Gebiet nun selbst voranbringen. Ein Problem gibt es noch: Es gibt juristisch noch zwei Halb-Eigentümer, die TG Potsdam klagt gegen das Land wegen der Rückabwicklung der Verträge, beide können daher nicht voll über die Flächen als Eigentümer verfügen. Die Firma von Böx, der inzwischen seine Notar-Zulassung verlor, verklagt auch die Stadt Potsdam. Dass diese Blockade vor Gericht bald beendet wird, ist nicht absehbar.

Kommenden Freitag lesen Sie, wie Krampnitz Leinwandkarriere machte.

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