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Landeshauptstadt: Geschichte entdecken auf dem alten Friedhof

Jugendliche wollen Potsdams Graffiti-Landschaft und die dazugehörige Soziokultur erforschen

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Die Sprayer-Szene begann in Potsdam in den Achtzigern. „1985 kam der Film Beatstreet in die Kinos, damit fing alles eigentlich an“, sagt Mark Straeck. Der 35-Jährige ist heute freischaffender Künstler und betreut die Gruppe Jugendlicher des Offenen Kinder- und Jugendhauses j.w.d., die sich am landesweiten Geschichtsprojekt „Zeitensprünge“ beteiligt. Das Thema, zu dem die Jugendlichen forschen wollen, ist eher ungewöhnlich: „Graffiti in Potsdam – von den Anfängen bis heute“.

Die Initiatoren des Geschichtsprojekts, der Landesjugendring, freuen sich über Ausgefallenes. Sie wollen Jugendliche für ihre Heimat interessieren und damit letztlich der Abwanderung vorbeugen. Seit 2005 gibt es diese Initiative, die bei den Teilnehmern auf wachsendes Interesse stößt, so Andrea Jacob vom Landesjugendring. Es bewerben sich stets mehr Projekte, als sie auswählen können, viele interessante müssen sie aus Kostengründen ablehnen. Nur für 31 reicht die Finanzierung vom Land und von der Stiftung Demokratische Jugend, sagt Jacob. 1250 Euro gibt es für jede Forschergruppe, die damit Unkosten wie Eintritt in Museen oder Archive, Fahrtkosten, Bücher, Fotos, Papier und ähnliches finanziert. Letztlich soll zum Jugendgeschichtstag im November ein vorzeigbares Ergebnis präsentiert werden, in Form von Ausstellungen oder Filmen, Fotobänden, Landkarten oder Spielen.

Am gestrigen Dienstag fand im Treffpunkt Freizeit die Auftaktveranstaltung statt, über 100 Jugendliche, Schüler und Azubis aus ganz Brandenburg, trafen sich zu dem Kick-Off-Meeting, zum Kennenlernen und den ersten Workshops, in denen wichtiges Rüstzeug vermittelt wird, Methodentraining zur perfekten Recherche und Quellensuche, zu Organisation und Planung. Hilfreich sind auch die Startersets, die an die Teilnehmer verteilt wurden, mit Umhängetasche, T-Shirts und Schreibzeug; die angekündigte Kamera und MP3-Player waren dem Sparzwang zum Opfer gefallen.

Mitmachen bei „Zeitensprünge“ kann jeder bis zum Alter von 26 Jahren. Die Interessengemeinschaften finden in Schulklassen und Vereinen, Jugendclubs und Kirchgemeinden zusammen.

Die Potsdamer vom j.w.d. sind jetzt zum zweiten Mal mit der Fortsetzung des Graffiti-Projekts dabei. Damals wurden Fotoarchive gesichtet und in der Stadt die Orte gesucht, die Ende der Achtziger Spuren von Graffiti trugen. So entstand eine Broschüre, in der alte und neue Bilder gegenüberstehen und die Szene mit Aussagen aus Interviews mit Sprayern erlebbar wird. Jetzt soll weiter geforscht werden, ein neues Heft entstehen: „Wir sind mittlerweile in der fünften Generation angekommen, die alternative Szene ist wegrationalisiert. Da gibt es was zu erzählen“, sagt Straeck.

Auch in Mittelmark gibt es Geschichte(n) zu entdecken. Eine Gruppe in Geltow will die Historie des Kinderheims „Lotte Pulewka“ in der Villenkolonie auf dem Franzensberg erforschen. Die Jugendgemeinschaft Caputh e.V. interessiert sich für das sogenannte alte „Hexenhaus“ im Wald am Caputher See, über das es viele geheimnisvolle Geschichten gibt. Noch geheimnisvoller sind vielleicht der „vergessene Friedhof“ und die leer stehende Mädchenschule in Ferch. Auch einen Bunker wollen die Mitglieder der Jugendgemeinschaft Ferch e.V in der „Kemnitzer Heide“ erforschen.

Ein bisschen Forschung am lebendigen Objekt zeigten drei Schüler aus Lübbenau, die sich Bildungsminsterin Martina Münch in einem Interview vorknöpften, nach ihrem Werdegang, Schulerfahrungen und Noten fragten. Sie habe sich immer für Geschichte interessiert, wobei sie die Weimarer Republik oder Nazizeit spannender fand als die Abfolge deutscher Könige und Kaiser. Was Sie denn von Friedrich II. halte, der ja bekanntlich Geburtstag hat, wollten die Schüler dennoch wissen. „Hier in Brandenburg begegnet einem auf Schritt und Tritt Geschichte, da kommt man auch an Friedrich nicht vorbei“, sagte die Ministerin. Vielleicht, so ihr Wunsch, gelingt es im Jubiläumsjahr, diese schillernde Persönlichkeit etwas genauer kennenzulernen.

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