Landeshauptstadt: Gespräche bauen Barrieren ab Europamedaille für Dr. Carola Wolf
Die Adresse lässt eher auf geruhsames Ausspannen schließen und nicht darauf, dass hier ein Schmelztigel brodelt, dass gerade hier lebendige Gesprächsfäden zwischen Ost und West zu einem neuen Geflecht verwoben werden. Dr.
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Die Adresse lässt eher auf geruhsames Ausspannen schließen und nicht darauf, dass hier ein Schmelztigel brodelt, dass gerade hier lebendige Gesprächsfäden zwischen Ost und West zu einem neuen Geflecht verwoben werden. Dr. Carola Wolf, Vorsitzende des Ost-West-Forums e. V., wohnt im Weißdornweg, Altes Rad, Potsdam-Eiche. Dorthin hat sie sich 1996 alles andere als zurückgezogen, obwohl man aus ihrem Fenster sehr beschaulich auf einen kleinen See und viel blühendes Grün sehen kann. Nach der Wende sah die Mitarbeiterin des Evangelischen Kirchentages, dass eher aufeinander prallte, was zusammenwachsen sollte. Um das Miteinander besser auf den Weg zu bringen, wollte sie Basisarbeit leisten. 1991 kam ihr die Idee, ein Ost-West-Forum zu gründen. Ein Jahr später wurde es ins Leben gerufen, und seitdem ist Wolf die immer wieder gewählte Vorstandsvorsitzende. Etwa fünf Jahre lang sollte der Verein Menschen gleicher Berufsausbildung, Generation und entsprechenden Wissensstandes zusammenbringen. Nun gibt es das Forum schon über zehn Jahre und es ist kein Ende abzusehen. Carola Wolf, die gerade erst mit der Europamedaille des Landes Brandenburg für ihre erstaunliche Organisationsarbeit ausgezeichnet wurde, sieht noch immer jede Menge Gesprächsbedarf. Inzwischen hat sich der Teilnehmerkreis sogar ausgeweitet und bezieht das neue EU-Mitglied Polen mit ein. Grundsätzlich aber sollen die Gesprächsgruppen klein und übersichtlich bleiben. „Wir wollen zu unseren Tagungen möglichst nicht mehr als 40 Teilnehmer haben. Sonst ist das Ganze nicht mehr privat genug“, meint sie. Das gelang nicht immer und es entstand manchmal auch eine Warteliste, abgerissen ist der Dialog aber nie. Sehr bald gab es einen fester Stamm von Forum-Teilnehmern, der Einladungen bekommt. Das sind mittlerweile etwa 3000. Nicht jeder interessiert sich für jedes Thema und so wird schon bei den Einladungen eine Vorauswahl getroffen. „Viele Forum-Teilnehmer sind Multiplikatoren und geben Einladungen oder das Gehörte weiter“, erklärt Wolf den ständig wachsenden Kreis. Das ist wie ein Schneeballsystem. Manche erführen auch zufällig von den Tagungen und es sei auch schon vorgekommen, dass eine Buchung für ein Gesprächswochenende als Geburtstagsgeschenk auf dem Gabentisch lag. Getagt wurde in den vergangenen Jahren vorwiegend im Schloss Petzow. Da es aber nun saniert wird, hat das Forum ein neues Domizil in der Heimvolkshochschule Seddiner See gefunden. Den Umgang mit Ost und West hat Dr. Wolf übrigens schon zu Mauerzeiten gelernt. Bis 1996 war sie für den Evangelischen Kirchentag in Fulda hauptamtlich tätig, fungierte als dessen Pressesprecherin und war für internationale Beziehungen zuständig. Zu Kirchentagen reiste sie auch in die DDR. Sie habe quer durch Europa gelebt und da sei auch die Region Berlin mit inbegriffen gewesen. „Ich bin zwar eine Wessi-Frau“, sagt Dr. Wolf von sich, „doch mit den Ostproblemen besser vertraut als mancher andere.“ Nach Gründung des Ost-West-Forums mit Sitz in Potsdam hatte sie schon länger mit einem Umzug in die Stadt an der Havel geliebäugelt. 1996 wurde er möglich, denn mit ihrer neuen Tätigkeit bis 2001 als Pressesprecherin der Evangelischen Kirche der Union in Berlin war der Ortswechsel gut zu verbinden. Nun ist neben wissenschaftlichen und journalistischen Arbeiten das Forum ihr Hauptbetätigungsfeld. Die Tagungs-Themen machen übrigens Lust, selbst einmal mit zu diskutieren. So ging es im März 2002 um „Kontrollierte Freiheit“, im September 2003 um die Identität der Deutschen oder im März 2004 um Asylrecht als Menschenrecht. Inzwischen wird die 52. Tagung vorbereitet und es gibt viele Gruppen, Verbände oder die Gewerkschaften, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Und es kam immer wieder auch zu hochinteressanten persönlichen Zusammentreffen, so zum Beispiel von zwei Lehrern, die einer in Ost, der andere in West für den Schulbuchverlag arbeiteten. Inzwischen sind sie beide für einen gesamtdeutschen Herausgeber tätig. Die Referenten kommen natürlich auch aus Ost und West und mit der „Osterweiterung“ auch aus Polen. Im September dieses Jahres wird es um Deutsche und Polen auf der Suche nach ihrer (oft verdrängten) Vergangenheit gehen. Als prominenten Gesprächsteilnehmer hat das Ost-West-Forum den Schriftsteller Christoph Hein geworben.Aber auch Polen sollen über das Thema Vertreibung berichten, das ihnen ja nicht fremd ist. Im November wird dann der „seelische Untergrund“ des Deutschseins erforscht. Die erste Veranstaltung wandte sich übrigens an Polizisten in Ost und West, die neben den Juristen, Lehrern und Medizinern die treueste Klientel des Ost-West-Forums sind.
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