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Landeshauptstadt: Gewinnen gegen die eigene Partei

Rolf Kutzmutz (Die Linkspartei.PDS) wirbt für die „neue soziale Idee“ – und für sich selbst

Stand:

Rolf Kutzmutz (Die Linkspartei.PDS) wirbt für die „neue soziale Idee“ – und für sich selbst Am 18. September entscheiden die Wähler des Wahlkreises 61 mit über die Zusammensetzung des neuen Bundestages, bestimmen mit ihrer Erststimme aber auch, welcher Direktkandidat den Potsdamer Wahlkreis im Bundestag vertritt. PNN-Mitarbeiter haben die Direktkandidaten von SPD, CDU, PDS, Bündnis 90/Grüne und FDP im Wahlkampf begleitet und stellen sie den Lesern vor. Heute: Rolf Kutzmutz (Die Linkspartei.PDS) Auf das Faltblatt könnte die Frau auch verzichten. „Meine Stimme haben Sie“, sagt sie. „Und viel Glück am Sonntag.“ Wie Balsam ist das auf die Wahlkämpferseele des „roten Rolf“, der sich in Jeans und T-Shirt, natürlich dunkelrot, im morgendlichen Sonnenschein vor dem Einkaufsmarkt in Caputh postiert hat. „Wenn man das hochrechnet“, sagt er, und meint die versprochenen Kreuzchen, „würde man sich in Sicherheit wiegen.“ Sicherheit aber ist das, was Rolf Kutzmutz vor diesem 18. September im politischen Sinne wohl am wenigsten hat. Seine Partei hat ihm, der acht Jahre im Bundestag saß, 15 Jahre den Potsdamer Kreisverband geführt hat, der auf Bitten von Lothar Bisky Ende Juni 2003 das wenig ruhmvolle aber arbeitsintensive Amt des Bundesgeschäftsführers der PDS übernommen hat, keinen Listenplatz gegeben. Auf Platz 4 steht stattdessen der parteilose Bundesrichter Wolfgang Neskovic aus Lübeck. Eine Entscheidung, die sogar die politischen Gegner verwundert. Gilt doch der 58-Jährige nicht nur als Garant für viele PDS-Zweitstimmen, sondern bei vielen auch als Favorit für den Potsdamer Wahlkreis 61. Nun aber kämpft Kutzmutz vor allem für sich allein – denn ohne Direktmandat zieht er nicht in den Bundestag ein. Er wirbt dort um Stimmen, wo man ihn nicht so gut kennt wie in Potsdam – auf den Dörfern. Caputh, Ferch, Geltow, Glindow, Töplitz, Golm im Stundentakt. „Es ist ja nicht so, dass ich der Partei keine Zweitstimmen bringe“, rechtfertigt er den Wahlkampf in eigener Sache. Das würde nicht jeder tun, und manch einer hätte nach der Listenplatz-Demütigung lieber gleich hingeschmissen. Dass Kutzmutz nicht im Sinne der Partei denkt, soll ausgerechnet ihm aber keiner vorwerfen können. So diskutiert er geduldig fast vierzig Minuten mit dem jungen Mann, der mit dem Rad vorgefahren ist und, ganz subjektiv betrachtet, eher wie das Gegenteil eines PDS-Wählers aussieht. „Erklären Sie mir mal, warum ich Sie wählen soll“, fordert der Mann und arbeitet die Politikressorts ab wie abends im Fernsehen die Moderatoren. Kutzmutz nimmt das Angebot an – und punktet mit Sachlichkeit und Freundlichkeit: Die Vermögenssteuer, die die Linkspartei.PDS wieder einführen will, brächte allein in Brandenburg 500 Millionen Euro jährlich, 700 050 Vermögende mit einem Einkommen ab 300 000 Euro gebe es. Die Börsenumsatzsteuer, in London liege sie bei 0,5 Prozent, bringe ebenfalls Millionen – 2,9 Billionen Euro seien im vergangenen Jahr in Deutschland an der Börse umgesetzt worden. Bausteine, um sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze statt Ein-Euro-Jobs, kostenlose Kitabetreuung, die Abschaffung von Hartz IV oder zumindest die Anhebung des Arbeitslosengelds II, eben die „neue soziale Idee“ zu finanzieren, meint Kutzmutz. Selbst bei der „indiskreten“ Frage des jungen Mannes „was war da eigentlich bei Ihnen mit der Stasi?“, zuckt der PDS-Politiker nicht. Erklärt stattdessen, welches Papier er wann unterschrieben hat, dass er allein über Arbeitsschutzkleidung berichtete, seine Vergangenheit bereits von der Bundestagskommission untersucht wurde und er „immer öffentlich dazu Stellung genommen“ habe: „Ich bin nicht stolz darauf, aber es gehört zu meinem Leben.“ Als sich der Mann mit den Worten „das war ein gutes Gespräch, aber ich wähle Sie trotzdem nicht“ verabschiedet, knurrt Kutzmutz nur zwischen einem Lächeln. Ist der „netteste Politiker Potsdams“, der seit Jahren zu hören bekommt, er sei „leider in der falschen Partei“, gar zu nett? „Man kann doch nicht raus aus seiner Haut“, sagt er. Und so kategorisiert er den Listenplatz-Vorfall als rein „persönliche Enttäuschung“. Allerdings eine mit „Verletzungen, die über die Wahl hinaus gehen“. So weit, dass er ohne Bundestags-Direktmandat auch nicht mehr Bundesgeschäftsführer sein wollen würde. Bis der Wähler entscheidet, hat Kutzmutz aber nicht nur parteiprogrammatisch Motivation zu kämpfen. Gewinnt er den Wahlkreis, hätte er es damit zu allererst den „eigenen Leuten“ gezeigt.

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