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Passgenau. Personalisierte Medizin setzt auf individualisierte Medikamente.

© dpa

Von Anja Laabs: Gezielte Therapie

Die Universität Potsdam koordiniert ein Verbundvorhaben zur personalisierten Medizin

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„Eine Pille für alle reicht nicht mehr aus“, sagt Dana Mietzner von der Universität Potsdam. Das klassische Block-Buster-Modell, nachdem die Pharmafirmen ein Medikament entwickeln und alle es verwenden können, funktioniere nicht mehr. Dana Mietzner leitet ein Projekt zur personalisierten Medizin am Institut für Gründung und Innovation der Uni Potsdam. Das Ziel der personalisierten Medizin sei es herauszufinden, warum bestimmte Medikamente bei den Einen wirken und bei den Anderen nicht.

In dem Verbundprojekt der Uni geht es nun vornehmlich darum, ein tragfähiges Geschäftsmodell für Pharmaunternehmen zu finden. Denn der alleinige Produktverkauf lohne sich nicht. Eine Alternative wäre die personalisierte Medizin mit einem „integrierten Produkt-Dienstleistungsangebot mit Gendiagnose und darauf abgestimmter Therapie“. Die Verfechter der personalisierten Medizin sehen in ihr eine herausragende Innovation für Medizin und Wirtschaft. Gegner halten sie für überzogen und sogar gefährlich. Kritikpunkte sind die Verteuerung des Gesundheitswesens, Probleme beim Datenschutz und der Verdacht eines wissenschaftlich begründeten Rassismus.

Die Idee der personalisierten Medizin ist es, Menschen unter Berücksichtigung ihrer biologischen und genetischen Besonderheiten sowie der Umwelteinflüsse mit Medikamenten gezielt zu behandeln. Alexander Schwerin vom Verein Gen-ethisches Netzwerk bemängelt allerdings, dass sich die personalisierte Medizin zu sehr mit den genetischen Unterschieden beschäftige. „Hier gibt es Vorannahmen, die die Forschung in anderen Bereichen von vornherein ausschließt oder erschwert.“ Daraus resultiere die enge Verbindung zwischen personalisierter Medizin und Pharmakogenetik.

In der personalisierten Medizin wird davon ausgegangen, dass genetische Unterschiede zwischen den Menschen die Wirksamkeit von Arzneimitteln verändern können. Mit Hilfe neuer Verfahren könnten in Zukunft Nebenwirkungen besser vorhergesagt werden.

„Die personalisierte Medizin“, so Projektleiterin Dana Mietzner, „gilt als zukunftsträchtige Innovation.“ Sie könne der Gesundheitsbranche zum Wachstum verhelfe und die medizinische Versorgung verbessern. Mehr als in anderen Bereichen seien in der personalisierten Medizin Dienstleistungen nötig. „Denn die Diagnostik spielt hier eine wesentlich größere Rolle als die Therapie.“ Das Universitätsprojekt wird zu 95 Prozent aus Drittmitteln finanziert – unter anderem von Unternehmen der Pharmaindustrie und Biotechnologie.

Unklar ist, ob die Pharmakogenetik das Gesundheitswesen verteuert. Laut Pharmaindustrie sinken die Kosten, weil sich die Gesundheit der Menschen bei längerer Lebenserwartung verbessert. Die Versicherungswirtschaft geht hingegen von einem Kostenanstieg aus. Mehr Lebensjahre würden mehr Krankheiten und chronische Beschwerden bedeuten. Regine Kollek von der Universität Hamburg befürchtet ebenso einen Kostenanstieg. Die personalisierte Medizin stecke noch in den „Kinderschuhen“. Kollek: „In den meisten Fällen sind die Wirkungszusammenhänge bei Medikamenten so komplex, dass eine unüberschaubare Menge an Diagnostik nötig wäre.“ Die Genetik allein erkläre die Wirkungsvielfalt nicht.“ Gerade einmal fünf bis zehn Prozent der Menschen einer Patientengruppe würden davon profitieren. Als allgemeines Prinzip ist die personalisierte Medizin nicht umsetzbar.“ Das Interesse der Pharmafirmen an der Pharmakogenetik ist jedoch groß. Die Entwicklung von Medikamenten wurde in den vergangenen Jahren immer teurer, die Zahl der neu zugelassenen Produkte hingegen stagniert. Mit spezifischeren Medikamenten sollen Patientengruppen zukünftig gezielter behandelt, und so der Absatz angekurbelt werden.

Um die pharmakogenetische Wirksamkeit von Medikamenten nachzuweisen, müssen viele Menschen untersucht und ihre Daten gesammelt werden. Diese betreffen den Lebensstil, die Gesundheit und Genetik. Kritiker befürchten, dass daraus ein bis heute ungeklärtes Datenschutzproblem resultiert. Dana Mietzner von der Universität Potsdam sieht diese Probleme gelassen. Ihr Institut habe die Forschungsgelder bekommen, weil „die personalisierte Medizin von besonderem Interesse für das Land ist“. Das Institut befasse sich damit aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Im April 2013 soll das Projekt abgeschlossen sein. „Wenn die Gesellschaft gegen die personalisierte Medizin ist, werden wir Vorschläge erarbeiten, wie sie unter anderen Voraussetzungen durchgesetzt werden kann.“

Anja Laabs

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