Landeshauptstadt: Gnadenlos munter machen
Das Jugendradio Fritz sendet seit 15 Jahren aus Babelsberg – und hat einen Umbruch hinter sich
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Halb drei Uhr nachts steht Tom Ehrhardt auf, wenn er nach Potsdam muss. Alle zwei Wochen muss er sich seinen Wecker so früh stellen, fünf Tage hintereinander. „In der Zeit bist du “raus“, sagt der 29-Jährige. Doch für den wenigen Schlaf wird seine Stimme berühmt: Denn hat er Dienst in der Medienstadt Babelsberg, muss er am frühen Morgen zwischen fünf und zehn Uhr zehntausende Hörer mit den „RadioFritzen“ munter machen und in den neuen Tag bringen. Daneben moderiert er den täglichen „Soundgarden“ und die Nachtsendung „Nightflight“.
Wie viele Hörer er damit aber genau erreicht, weiß Tom Ehrhardt zur Zeit nicht wirklich. Wie er warten viele bei dem Jugendsender des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) mit Spannung auf den 5. März: Dann werden die jährlichen Hörerzahlen der Media Analyse veröffentlicht, die ähnlich wie die Einschaltquoten im Fernsehen funktionieren. Rund 80 000 Hörer sind es aktuell, drei Viertel davon sollen zwischen 14 und 29 Jahren alt sein. Die Frage für Radio Fritz pünktlich zu seinem 15. Geburtstag ist nun: Hat die neue Ausrichtung der vergangenen Monate im heiß umkämpften Berlin-Brandenburger Radio-Markt schon mehr Hörer gelockt – oder fallen die Zahlen niedriger aus?
Denn das bei vielen Fans wegen seiner unkonventionellen Art beliebte Radio hat einen Umbruch hinter sich. Im vergangenen Jahr entließ der RBB gleich mehrere Fritz-Moderatoren, manche von ihnen waren schon seit 1993 bei dem Radio beschäftigt. Die offizielle Begründung damals: Mehr jüngere Moderatoren sollen besser junges Lebensgefühl vermitteln. Auch die musikalische Untermalung erhielt neue Impulse. „Hier wird fast nichts mehr gespielt, dass älter ist als ein halbes Jahr“, erklärt Fritz-Musikchef Ernst „EC“ Zander das Prinzip. Dabei setze der Sender gezielt auch auf Bands ohne Plattenvertrag, wie sie sich bei Online-Musikportalen á la MySpace hundertfach tummeln: Auch wegen dieser thematischen Offenheit verspricht Zander einen „gnadenlosen Mix“, der sich vom Einheitsbrei anderer Sender unterscheiden soll. Dass dabei Gitarren-Rock auf Groove-Elektro folgen kann, nimmt der Musik-Chef in Kauf – selbst wenn einmal Leute weg schalten: „Irgendwann kommen sie wieder.“
Dass sie auf dem richtigen Weg sind, glaubt auch Redaktionschef Stefan Warbeck. Mehr interaktive Elemente sollen die Hörer langfristig binden, Handy und Internet mehr ins Programm einbezogen werden. „Das Renovieren war wichtig“, sagt Warbeck. Was bleiben soll: Freche Sprüche und journalistische Kompetenz müssen auch zukünftig nebeneinander funktionieren. Daran glaubt auch Tom Erhardt. Gerade mit dem aktuellen Konzept der stetig neuen Musik müsse er vor den Sendungen oft zu ihm unbekannten Bands recherchieren, um sie auch richtig vorstellen zu können – denn Fehler melden aufmerksame Radio-Hörer sofort: „Da gibt es schon “mal Mails, in denen geschimpft wird, dass wir keine Ahnung haben.“
Jenseits dessen gibt es auch viel Ungewissheit. Denn wie wirkt ein Jugendradio-Moderator für seine Hörer glaubwürdig? Ein gewisses „Grundverständnis für Klatsch-Kultur“ sei auf jeden Fall notwendig, sagt Tom Erhardt. Nicht nötig sei es dagegen, täglich Jugendmagazine zu lesen oder ständig in angesagte Clubs zu gehen, um das aktuelle Lebensgefühl junger Leute aufzusaugen. „Das klappt nicht, schon wegen der Zeit.“ Eine Ausbildung braucht es ebenso nicht unbedingt: Aus „Planlosigkeit“ sei er zum Radio gekommen, sagt Tom Ehrhardt. Lieber verlässt er sich auf sein Gespür und den Glauben, dass Menschen auch im Kopf jung bleiben können: „Die Lebenswelten sind schon anders, der Rest muss es aber nicht sein.“
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