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Landeshauptstadt: Gold aus dem Einweckglas

Potsdams zweite Gourmet-Tour: Sechs Restaurants, sechs Gänge und sechs hoch motivierte Chefköche – die um Minuten kämpfen

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Potsdams zweite Gourmet-Tour: Sechs Restaurants, sechs Gänge und sechs hoch motivierte Chefköche – die um Minuten kämpfen Von Sabine Schicketanz Es ist fünf vor acht. Im schwarzen Kostüm steht Katja Schellknecht zwischen der weißen Garde. „Macht mal aus“, sagt die Hotelchefin mit einer Kopfbewegung Richtung Radio. Die Dudelei stört die Konzentration. Sieben Minuten und dreißig Sekunden später ist alles vorbei. Vierundvierzig Teller sind aus der Küche auf die Tische des „Fiore“, des Restaurants im Hotel am Jägertor, gelangt. Auf ihnen perfekt angerichtet ein kreisrundes Ravioli mit kunstvoll eingearbeitetem Petersilienblatt, gefüllt mit Kalb, ein hauchdünnes Kalbscarpacchio, Artischocken-Streifen. Serviert wird die Kreation vierundvierzig Feinschmeckern, die sich an diesem Sonntagabend auf Gourmet-Tour gemacht haben. Mit Opel-Limousinen werden sie durch die Stadt kutschiert, von einem Nobel-Restaurant zum nächsten. Sechs Gänge werden serviert, sechs verschiedene Weine kredenzt. Und sechs Küchenchefs sind hoch motiviert, das perfekte Gericht auf den Tisch zu bringen. Begonnen hat die Tour, die zum zweiten Mal stattfindet und in nur zwei Tagen ausverkauft war, im Hotel Bayrisches Haus. Kaum hat dort der kommissarische Chefkoch Ingo Habermann seine Vorspeise – Hummercroustillant auf confierten Steinpilzen mit Koriandercreme – serviert, klingelte bei Chefkoch Lars-Peter Michelson im Hotel am Jägertor das Telefon: Station zwei kann vorbereiten. Während im „Fiore“ die Ravioli munden, ploppen am Neuen Markt die Korken. Acht Raritäten stehen auf dem Tresen in Specker“s Gaststätte zur Ratswaage, weiße Burgunder von der Mosel. Gottfried Specker, Chefkoch und Restaurantchef in einem, gießt aus jeder Flasche einen Schluck ins Glas, schnuppert, kostet. Verkorkt ist keine. In der Küche duftet es nach Fisch. Wahre Kunstwerke sind es, die im Ofen knistern: Steinbutt, per Arztspritze mit Kanüle mit einer Kerbelessenz geimpft. Um achtzehn Minuten vor neun landet der erste auf dem Teller. „I''m easy, easy like sunday morning“ singen sanft die Commodores aus dem Radio – Gottfried Specker und seine Lehrlinge Antonie Grütte und Sebastian Liefeld lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. In elf Minuten sind die Teller mit Risotto, Tomaten, Steinbutt, Fino-Teig-Fähnchen in Kartoffelbrei und Hummerschaumsauce auf den Tischen. Ganz Easy. Ein stilechtes „Bon Soir“ erwidert der Kellner auf das „Guten Abend“. Wer das Juliette in der Jägerstraße betritt, befindet sich mitten in Frankreich. Zumindest im Gastraum, wo dieses Jahr sogar Rolling Stone Mick Jagger gegessen hat. In der Cuisine, dem Reich von Dirk Güttes, geht es deutsch zu. Noch. „Your my heart, your my soul“ schmettert Dieter Bohlen, bevor Güttes ihm den Strom abdreht. Bohlen und das Gold der Köche, das der Küchenchef aus einem Einweckglas voller Reis hervorzaubert, das will einfach nicht zusammenpassen. Zweihundert Gramm Trüffel hat Güttes sich im echten Frankreich ausgraben und liefern lassen, tausend Euro kostet ein Kilo. Fast benebelnd duften die dunkelbraunen Knollen, die sorgfältig geviertelt werden, bevor Güttes sie über die Taubenbrust, dick eingepackt in eine Putenfarce mit Trompetenpilzen und Aprikose und maßgeschneiderte, blanchierte Wirsingblätter, raspelt. Eine Augenweide, die da auf dem Selleriepüree thront. In zwölf Minuten ist sie auf allen Tischen zu bewundern. Wie eine Märchenburg liegt der Cecilienhof im Dunkel der Adventsnacht. In der Schlossküche schwenken zwei Köche elegant riesige Pfannen, auf dass die Rosenkohlblättchen ganz gleichmäßig sautiert sind. Das Fleisch gehört dem Chef. Mit schnellen Schnitten trennt Stephan Bullerjahn die Scheiben vom Hirschkalbrücken, den eine Portwein-Schalotten-Kruste bedeckt. Seine sechs Helfer hat er bis ins Detail instruiert: Der erste löffelt die geschmorten Vanilleschwarzwurzeln auf den Teller, der zweite platziert darum fünf Thymiangnocchi, der dritte legt die Kalbsrückenscheibe und das Kotelett auf die Wurzeln, der vierte tröpfelt den Pfefferschaum herum, der fünfte verteilt die Rosenkohlblätter, der sechste reicht den Teller weiter. Sie arbeiten schweigend, das Radio spielt „Genie in a bottle“. Kein Flaschengeist zaubert hier, nur Disziplin. Siebeneinhalb Minuten, dann sind die Teller weg. Dominique Hannemann hat den leichtesten Job des Abends – und den schwersten. Der Turm aus Nougatmousse steht geduldig neben dem Passionsfruchtmousse, das eingesperrt ist in eine Karamelpyramide. Nur das eisgekühlte Sorbet samt Minz- und Schokoblatt kommt erst auf die Teller, wenn die Gourmet-Reisenden die letzte Station, die Villa Kellermann am Heiligen See, erreicht haben. Dann aber, weiß Küchenchef Hannemann, sind sie schon ziemlich satt. Das Dessert muss also besonders lecker sein, damit es noch reinpasst. Und schnell auf dem Tisch. Hannemann schafft es in sechs Minuten. Zur Party nach der Show spielt Christoph Sorci im Kellermann-Saal Klavier. „Beyond the Sea“ schwingt durch den Raum, voll mit beschwingten Feinschmeckern. Fantastisch, sehr gut, absolut nichts auszusetzen, besser als im letzten Jahr, loben sie. Die Chefköche, in Ausgehweiß, sammeln sich um einen Stehtisch. Jetzt haben sie es nicht mehr eilig.

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