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Landeshauptstadt: Goldstück oder Schrott

Die IHK Potsdam schätzte am „Tag der Sachverständigen“ vermeintlich wertvolle Gegenstände

Von Eva Schmid

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Regina Böhrer tippelt von einem auf das andere Bein, sie ist aufgeregt. Gleich ist sie an der Reihe. Vorsichtig schlägt die 70-jährige Potsdamerin ein weißes Leinentuch auf und entpackt vor Frithjof Hampel, einem Sachverständigen für Kunst und Antiquitäten, einen Teil des Erbes ihrer Tante. Zum Vorschein kommt ein fein verziertes Porzellantässchen mit dazugehöriger Untertasse. „Ich bin jetzt sehr gespannt, denn das Porzellanset hat nur eine Nummer – nicht mehr. Das Set benutze ich gar nicht mehr, ich finde das etwas kitschig, aber wer weiß“, so die Rentnerin. Schrott oder Sammlerstück? Wie wertvoll ist das Erbe der Tante wirklich? Regina Böhrer klebt an den Lippen des Sachverständigen – doch der holt erst mal aus: „Das Blumendekor ist typisch für die Zeit zwischen 1890 und 1900, der Produktionsprozess umfasste mehrere Stufen – man sieht hier eine Spritzglasur, per Hand wurde dann noch Emaille aufgetragen und es hat auch eine Goldstaffage.“ Ja, und was bedeutet das nun? Hampel macht es spannend, bis er dann endlich mit dem eigentlich Interessanten herausrückt. „Leider Gottes hat das Set keine Manufakturmarke, es zählt zwar zu den gehobenen Gebrauchswaren, hat aber nur einen ideellen Wert.“

Solch ernüchternde Bewertungen hört man von ihm noch öfter im Laufe der Schätzung von Gegenständen, die am Mittwoch im Rahmen des „Tages der Sachverständigen“ in der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam stattfand. Neben Porzellan wurden die unterschiedlichsten Gegenstände den Gutachtern vorgelegt: Ringe, Halsketten, ein uraltes Buch, Gemälde und auch ein Messer mit Elfenbeingriff und Solingerklinge. Und obwohl nichts wirklich Wertvolles dabei war, gab es wenig enttäuschte Gesichter. Ein Berliner, der sein für 80 Euro erstandenes Gemälde von einem Antiquitätsflohmarkt vorzeigte, hatte sich keine großen Hoffnungen gemacht: „Ich wollte nur eine Einschätzung haben, aufhängen werde ich das Bild auf jeden Fall.“

Zu Hampels spektakulärsten Fällen in seiner nunmehr 25-jährigen Laufbahn gehört ein Biedermeierschreibtisch, dessen Wert er schätzen sollte. Bei der Begutachtung drückte er an einigen Stellen das Möbelstück und fand ein geheimes Fach in der Rückwand, das 40 000 DM enthielt. „Eine Riesenüberraschung für den Besitzer – seitdem weiß ich sehr genau, an welchen Stellen ich bei Möbelstücken ein bisschen drücken und tasten muss.“

Am „Tag der Sachverständigen“, der gestern zum ersten Mal in Potsdam stattfand und von den IHKs, Handwerks- und Architektenkammern in Brandenburg alle zwei Jahre ausgerichtet wird, trafen sich die öffentlich vereidigten Sachverständigen aus Brandenburg, um sich bei Potsdamern mit ihrer Dienstleistung vorzustellen. Die Potsdamer IHK hat 47 Sachverständige aus 25 Sachgebieten vereidigt, die Potsdamer Handwerkskammer 58 aus 24 Handwerken. Von Abdichtung bis Vorbeugender Brandschutz reichen die Sachgebiete.

Am häufigsten, so berichtet Regina Wegener, Sachverständigenbeauftragte der IHK Potsdam, werden Gutachten im Bereich Grundstücksbewertung und Bausachverständigung angefragt. „Es geht ganz oft um Schäden an Gebäuden wie Schimmel, Feuchtigkeit Heizung oder Sanitär“, so Wegener. Sachverständige werden von Privatpersonen, Gerichten und Versicherungen beauftragt, Gutachten zu erstellen. Am schlimmsten seien Gutachten bei Nachbarschaftsstreitereien, da „muss man sich oftmals zwischen die zwei Parteien stellen, damit es nicht zu Handgreiflichkeiten kommt – das macht ganz schön Arbeit“, erzählt Immobilienbewerter Bernhard Bischoff.

Doch mit den Gutachten ist es so eine Sache, nicht jedem Sachverständigen kann man trauen: „Jeder kann sich Sachverständiger nennen, die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt“, weiß René Allonge, Kommissar für Kunstdelikte beim Landeskriminalamt Berlin. „Oftmals stellen Betrüger beim Verkauf von Kunstgemälden gefälschte Wertgutachten aus.“ Sein Team hat den großen Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi, der Kunst im Wert von bis zu 35 Millionen gefälscht haben soll, letztes Jahr zur Strecke gebracht. Die Zusammenarbeit der Polizei mit „echten“, also öffentlich vereidigten Sachverständigen sei daher sehr wichtig, „denn wir als Polizei kommen nicht an solche Informationen – wir müssen darauf gestoßen werden, um dann Schlimmeres, wie zum Beispiel den Verkauf von Fälschungen an Museen zu verhindern.“

Eine Liste öffentlich vereidigter Sachverständigen in Potsdam gibt es unter www.potsdam.ihk24.de und www.hwk-potsdam.de.

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