zum Hauptinhalt
Protest. 2010 demonstrierten die Groß Glienicker wochenlang jeden Montag gegen die Sperren; dieses Foto entstand Mitte April. Geändert hat sich an der Situation seither wenig.

© A. Klaer

Von Sabine Schicketanz: Groß Glienicke: Enteignung rückt näher

Ufer-Konflikt: Moratorium wohl nicht erfolgreich / Jakobs: Enteignung dann „einziger noch offener Weg“

Stand:

Groß Glienicke - Im Ufer-Konflikt am Groß Glienicker See rückt eine Lösung auf dem Verhandlungsweg in weite Ferne. Dagegen wird die Enteignung der Seeanrainer, die ihre Grundstücke absperren, immer wahrscheinlicher. Fest steht: Die Stadt Potsdam hat bisher kein Moratorium mit den Anrainern abschließen können. Die vierjährige Friedenspflicht sollte der Stadt die Möglichkeit geben, den gültigen Bebauungsplan für das Ufer, der einen öffentlichen Uferweg vorsieht, zugunsten der Anrainer zu ändern.

Dazu hatte Potsdam Mitte November den Moratoriums-Vorschlag an die rund 40 Eigentümer der Seegrundstücke verschickt. Innerhalb der Frist, die bereits am 15. Dezember endete, gab es allerdings nur wenige Rückmeldungen. Offiziell verkündet ist ein Scheitern des Moratoriums noch nicht, doch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte den PNN bereits, die „Resonanz ist nicht so ausgefallen, wie ich erhofft habe“. Bevor die Verwaltung über das weitere Vorgehen entscheide, müsse die Lage „gründlich ausgewertet“ werden. Die Fachleute prüften, ob das Moratorium und die folgende Änderung des Bebauungsplans auf Teilstrecken des knapp zweieinhalb Kilometer langen Ufers wirken könne, so Jakobs. „Das macht Sinn, wenn einige Anrainer, die nebeneinander wohnen, dem Moratorium zugestimmt haben.“ Sie könnten sich dann auf mehr Möglichkeiten freuen, ihr Seegrundstück zu nutzen: Per geändertem Bebauungsplan will die Stadt den Anrainern erlauben, ihre Grundstücke beispielsweise besser abzugrenzen, als dies jetzt gestattet ist. Im Gegenzug bleibt der Uferweg auf dem ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer geöffnet; damit dies rechtssicher ist, muss der Grundstückseigentümer der öffentlichen Widmung des Wegs über seine Fläche zustimmen.

Oberbürgermeister Jakobs konnte bisher aber auch nicht ausschließen, dass der Kompromissweg der Stadt gänzlich gescheitert ist. Hätten nur drei oder vier Seeanrainer, „die verstreut am Ufer wohnen“, der Friedenspflicht zugestimmt, „ist es für die Katz’“, so Jakobs. Dann werde der Bebauungsplan sicherlich nicht verändert. Dieser sei Rechtsgrundlage für den Uferweg, werde er angefasst, geschehe dies mit hohem rechtlichen Risiko, so Jakobs. „Kommt es so, werden wir den uns zustehenden und einzigen noch offenen Weg gehen müssen und Enteignungsverfahren einleiten“, sagte Jakobs. Er betonte jedoch, er wolle „keine Drohkulisse an die Wand malen“.

Enteignungsverfahren in Groß Glienicke würden rund zwei Jahre dauern, hatte der Jurist Hans-Martin Groth im vergangenen Herbst in einem Rechtsgutachten im Auftrag der Stadtverwaltung festgestellt. Groth hatte die Teiländerung des Bebauungsplans samt vierjährigem Moratorium befürwortet; er hatte bereits skizziert, dass die Stadt den Bebauungsplan, der rechtssicher ist und den freien Uferweg ausweist, für jene Anrainer ändern könne, die dem Moratorium zustimmen. Parallel könnten bei den Ablehnern Enteignungsverfahren begonnen werden. Ein kompletter Ankauf aller Uferflächen durch die Stadt samt Entschädigungen für die Privateigentümer und Investitionen in den Uferpark würde laut Groth rund neun Millionen Euro kosten. Sichere sich die Stadt das reine Wegerecht – sie müsste dann 80 Prozent des Wertes der vier Meter breiten Wegefläche entschädigen – koste dies mit Verfahrenskosten voraussichtlich „mehrere hunderttausend Euro“, aber weniger als eine Million Euro. Für alle Varianten brauche die Stadt ein festgelegtes, im Haushalt eingestelltes Budget, so der Jurist.

Welchen Weg die Stadt einschlägt, soll in der verwaltungsinternen „Lenkungsgruppe“ zum Groß Glienicker Ufer-Konflikt beraten werden. Bisher ist laut Stadtsprecher Stefan Schulz allerdings nicht klar, wann sie wieder tagt. Ein Termin solle „frühzeitig in diesem Monat“ stattfinden, so Schulz. Möglich ist außerdem, dass die Stadtverwaltung einen Workshop zum weiteren Verfahren einberufen muss; dies fordern die Bündnisgrünen in einem Antrag für die Stadtverordnetenversammlung am 19. Januar.

Unterdessen hat der Verein „Freies Groß Glienicker Seeufer“ Jakobs gestern aufgefordert, das Ergebnis des Moratoriums möglichst schnell zu veröffentlichen. Der Verein, dem auch der Bündnisgrüne Stadtverordnete Andreas Menzel angehört, verweist dabei auf ein von ihm beauftragtes Rechtsgutachten des Berliner Juristen Karsten Sommer. Danach sei der Uferweg bereits „eine öffentliche Straße“. Die Stadt solle per Feststellungsklage den „Wegcharakter“ des ehemaligen Postenwegs klären lassen, bevor aufwendige Enteignungsverfahren begonnen werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })