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Landeshauptstadt: Gute Mischung

Anderthalb Jahre stand die frühere Tonabteilung von Studio Babelsberg leer – jetzt blinken die „Ruhe“-Schilder wieder

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Babelsberg - Das Kino hat 230 Plätze, aber es sitzen nur zwei Leute drin. Der Film, der auf der Leinwand läuft, ist noch nicht fertig, soll erst im Sommer in den Kinos starten. Die Kamera schwenkt langsam über die kasachische Steppe, blökende Schafe hoppeln durchs Bild, ein Zeltdorf duckt sich an den kargen Boden der weiten Ebene. Plötzlich löst sich eine weiße Flamme vom Horizont, steigt in den wolkenlosen Himmel und immer weiter, ins All. Es ist eine Rakete, denn „Baikonur“ – so heißt der neue Film von Regisseur Veit Helmer („Tuvalu“) – nimmt die Zuschauer mit in die Welt der Steppenbewohner unweit des ehemals sowjetischen Weltraumbahnhofs. Zehn Wochen war Tonmeister Immo Trümpelmann mit dem Filmteam für die Dreharbeiten in Kasachstan. Jetzt sitzt er in der Kinomischung auf dem Gelände von Studio Babelsberg und komponiert den Sound des Films, lässt den Wind flüstern, die Schafe blöken, die Rakete glaubhaft donnern und zischen.

Rund anderthalb Jahre stand die ehemalige Tonabteilung der Defa leer, nachdem sich die international agierende „Elektrofilm“ Mitte 2009 aus Babelsberg zurückzog. Jetzt ist wieder Leben im Haus vier der Medienstadt, die „Ruhe“-Schilder vor den zwei Aufnahmestudios blinken, im Innenhof werden bei Kaffee und Croissants die nächsten Projekte besprochen, die große Kinomischung ist nach einem Umbau technisch auf dem neuesten Stand. Vor „Baikonur“ wurde hier bereits Andreas Dresens neuer Film „Halt auf freier Strecke“ abgemischt.

Die auf Filmsound spezialisierte Postproduktionsfirma „Rotor“ hat die rund 1800 Quadratmeter großen Studio- und Büroflächen gemietet. Das Team um Geschäftsführer Holger Lehmann ist von Berlin-Kreuzberg nach Babelsberg gezogen – und will hier ein Netzwerk von Postproduktionsfirmen aufbauen, wie Lehmann den PNN erklärt. Acht kleine Firmen mit insgesamt zehn festen Mitarbeitern gebe es bereits im Haus. Hinzu kommen je nach Projekt noch freie Mitarbeiter wie Immo Tümpelmann.

Es ist ein junges Team, Lehmann selbst hat sein Tonmeisterstudium an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ vor vier Jahren abgeschlossen und die Firma mit Kommilitonen ins Leben gerufen. Der Schritt nach Babelsberg sei für „Rotor“ ein Neustart, betont der 34-Jährige. Für die steigende Nachfrage habe es in Berlin zuletzt nicht mehr genug Kapazitäten gegeben. In Babelsberg will sich Rotor, gemeinsam mit dem neuen Netzwerk, an Kleinstfirmen als Dienstleister für Kinofilme und große Fernsehproduktionen etablieren, so das Ziel. „Wir stehen für qualitative Handarbeit“, sagt Lehmann.

Für mindestens zehn Jahre habe Rotor die Räume von Studio Babelsberg gemietet. Im Gegensatz zu Berlin stimmten in Babelsberg auch die Bedingungen für Existenzgründer: „Wir haben einen fruchtbaren Nährboden hier am Medienstandort gesehen“, sagt Holger Lehmann. Perspektivisch seien auch Kooperationen mit der HFF oder der Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb) denkbar.

Mit der Auftragslage ist Lehmann zufrieden. Derzeit laufen im Haus die Aufnahmen für einen Schweizer „Tatort“ – den ersten seit zehn Jahren, wie Lehmann sagt. Beim kurzen Blick ins Studio versteht man nichts. Und nach „Baikonur“, der Anfang August im Kino startet, hebt „Rotor“ demnächst wieder ab in den Weltraum: Auch für die zweite Staffel der ZDF-Science-Fiction-Satire „Ijon Tichy“ soll der Ton aus Babelsberg kommen.

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