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Geringe Rückgriffsquote: Gute Zeiten für Unterhaltspreller in Potsdam

Die Stadt Potsdam kann das Geld von säumigen Müttern und Vätern wegen Personalengpass nur schwer zurückfordern.

Potsdam - Für Alleinerziehende ist es eine schwierige Situation, wenn das andere Elternteil nicht mit für das Kind sorgt. In dem Fall wird von der Kommune ein sogenannter Unterhaltsvorschuss gezahlt. Nach Reformen im Bundesgesetz steigt auch in Potsdam die Zahl der Fälle. Zugleich gelingt es dem Jugendamt wegen Personalproblemen derzeit nach PNN-Recherchen nur in geringem Maß, den Vorschuss auf Staatskosten von den säumigen Müttern und Vätern wieder einzutreiben.

Darauf hat jetzt der CDU-Oppositionschef Clemens Viehrig hingewiesen. Anlass war eine PNN-Umfrage unter den Fraktionen, wie sich die Situation für Alleinerziehende in Potsdam verbessern lassen könnte. Dazu erklärte Viehrig unter anderem, dass andere Kommunen beim Zugriff auf die nicht zahlenden Elternteile deutlich besser seien als Potsdam. Dies lässt sich laut Viehrig an der sogenannten Rückgriffsquote ablesen, also dem Anteil der Fälle, in denen der Staat den Vorschuss von den unterhaltspflichtigen Eltern wieder holt.

Unbesetzte Stellen im Jugendamt

So liege die Rückgriffsquote in Potsdam im ersten Halbjahr nur bei 12,8 Prozent, im benachbarten Potsdam-Mittelmark hingegen bei fast 30 Prozent. „Die Stadtverwaltung muss intern klären, ob dies durch die Optimierung der eigenen Prozesse, Personalveränderungen oder Krankenstandverringerung verbessert werden kann“, sagte Viehrig. Seit Monaten sind die Personalengpässe im Rathaus in den Schlagzeilen.

So sind in der zuständigen Stelle im Jugendamt derzeit 3,5 Stellen unbesetzt, räumte eine Stadtsprecherin auf Anfrage ein. Für das Ganze gibt es auch eine Vorgeschichte: Die Bundesregierung hatte 2017 den Anspruch auf den Vorschuss deutlich ausgeweitet. Kinder bis zum 18. Lebensjahr haben seitdem zeitlich unbegrenzt Anspruch – zuvor galt dies nur für Kinder bis zwölf Jahre für maximal 72 Monate. Die Stadtsprecherin sagte, bis Ende 2016 sei die Rückgriffquote schon auf 21 Prozent gesteigert worden.

Nach der Reform hätten sich die Fallzahlen mehr als verdoppelt. Inzwischen gebe es mehr als 2100 Verfahren im Jahr. Daher hätte man mehr Personal benötigt – doch das dauerte. „Der Besetzungsprozess trug 2019 erste Früchte“, so Homann. Doch die so gewonnenen drei Mitarbeiter befänden sich teils noch in der Einarbeitung. Die niedrige Rückgriffquote ist angesichts der Summen keine Petitesse: Die Ausgaben in diesem Jahr lagen bis Ende August laut Rathaus schon bei knapp 3,5 Millionen Euro, 40 Prozent davon zahlt der Bund. Die Bearbeitungsdauer der Anträge läge bei bis zu acht Wochen, hieß es von der Stadt weiter.

Rückgriffquote in Potsdam ausbaufähig

Auch der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, David Kolesnyk (SPD), sagte den PNN, die Rückgriffquote sei in Potsdam noch ausbaufähig: „Allerdings ist das deutschlandweit eine sehr schwierige Thematik.“ Die für den Unterhalt zuständigen Behördenteile personell ausreichend ausgestattet sein, forderte auch der Linken-Fraktionschef Stefan Wollenberg. Man müsse prüfen, ob im Zuge der aktuellen Haushaltsdebatte weitere Nachbesserungen erforderlich seien. „Der Anspruch der Kinder auf Unterhalt ist durch bessere Kontrolle und gegebenenfalls die Ausschöpfung von Sanktionsmöglichkeiten durchzusetzen.“ Das Verletzen von Unterhaltspflichten sei für ihn inakzeptabel und rechtswidrig, sagte Wollenberg.

Ferner habe die Linke zum Beispiel in ihrem Kommunalwahlprogramm den Ausbau der Regionalteams des Jugendamts zu einem umfassenden Beratungs- und Unterstützungsangebot vorgeschlagen, „bei dem alle familienbezogenen Leistungen dezentral abgerufen werden können“, so Wollenberg. Das wolle man noch in dieser Legislaturperiode angehen. Das gelte auch für die Einrichtung weiterer Eltern-Kind-Zentren und einen kostenfreien Bus- und Tramverkehr für Schüler, was auch Alleinerziehenden helfe.

Die Vorschläge der Fraktionen

Auf solche allgemeinen Maßnahmen verwies auch CDU-Mann Viehrig. So sei gerade bezahlbarer Wohnraum für Alleinerziehende wichtig. Sozialangebote müssten entbürokratisiert werden, das Jugendamt seine Beratung und Hilfe aus einer Hand anbieten: „Wir dürfen Alleinerziehenden nicht das Wichtigste rauben, was sie haben – die Zeit mit ihren Kindern.“ Auch eine Alleinerziehenden-Sprechstunde im Bürgerservice sei denkbar. SPD-Politiker Kolesnyk ergänzte, auch die gute und flexible Versorgung mit Kitaplätzen sei gerade für Alleinerziehende wichtig.

Die Grünen-Fraktionschefin Janny Armbruster sagte auf Anfrage, man wolle auch anonyme Beratungsangebote für Familien erweitern. Ebenso planten mehrere weibliche Stadtverordnete eine Initiative zur Stärkung der Eltern-Kind-Zentren und zur Erweiterung der Unterbringung von Obdachlosen – gerade für Menschen mit Kindern. Ferner setze man sich für kostenloses Schulessen und den freien Zugang zu Bildungseinrichtungen ein. Auch Jobcenter seien in der Pflicht, gerade bei Alleinerziehenden am Kindeswohl orientiert zu entscheiden.

FDP-Fraktionschefin Sabine Becker sagte, man teile die Auffassung des Deutschen Städtetags, dass die gestiegenen Kosten für den Unterhaltsvorschuss nicht allein den Kommunen aufgebürdet werden dürften. Für Betroffene müsse auch die Rechtsberatung verbessert werden, um Unterhaltsansprüche auch auf direktem Weg besser durchsetzen zu können.

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