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Homepage: „Gutes tun macht glücklich“

Der Philosoph Matthias Schloßberger meint, dass Nachhaltigkeit die Menschen zufriedener machen kann

Stand:

Herr Schloßberger, warum tut uns Nachhaltigkeit gut?

Weil wir Menschen durch ein nachhaltiges Handeln ein Verhältnis zur Natur und den Dingen entwickeln, das uns glücklicher macht. Unabhängig davon, dass wir die Umwelt erhalten müssen, um unsere Lebensgrundlage zu sichern.

Wir sprechen also über Glück?

Nicht im Sinne eines kurzfristigen Glückszustandes, sondern im Sinne eines guten, gelingenden und zufriedenen Lebens.

Macht es die Menschen tatsächlich glücklicher, Fleisch zu essen, das von artgerecht gehaltenen Tieren stammt?

Ja, und zwar aus verschiedenen Gründen. Zum einen schmeckt Fleisch aus artgerechter Tierhaltung einfach besser. Zum anderen können wir das Wissen um die katastrophalen Zustände der Massentierhaltung nicht mehr verdrängen. Wir wissen, dass wir etwas Falsches machen, wenn wir dieses Fleisch essen. In der philosophischen Tradition gibt es bei Aristoteles den Grundgedanken, dass etwas Gutes zu tun, glücklich macht. So gesehen ist es sehr wahrscheinlich, dass etwas Schlechtes zu tun, unglücklich macht. Wir können die Herkunft des „billigen“ Fleisches zwar verdrängen. Aber wir leben mit dieser Schuld. Und es würde uns ohne diese Schuld besser gehen.

Sprechen Sie nicht von einer kleinen Minderheit? Die meisten Menschen macht es doch eher glücklich, schnelle Autos zu fahren und billiges Fleisch zu kaufen.

Ich glaube, dass sehr viele Menschen ihr Verhalten ändern würden, wenn mehr in der Öffentlichkeit über die Hintergründe gesprochen würde. Je mehr wir etwa über die unhaltbaren Zustände in der Tierhaltung erfahren, desto unglücklicher wird auch der Normalverbraucher damit. Man sieht es ja bereits bei Eiern, davon werden heute viel mehr aus Freilandhaltung gekauft.

Sie sind Philosoph. Es überrascht mich, dass Sie sich Gedanken über Freilandeier machen.

(Lacht) Tatsächlich sind Philosophen dafür bekannt, abstrakte Theorien zu entwerfen, und es dann anderen zu überlassen, die praktischen Konsequenzen zu ziehen. Ich würde aber sagen, dass wir in vielen Fällen ohne konkrete Beispiele nicht verstehen können, worum es eigentlich geht. Deswegen spreche ich mit Ihnen über Eier aus Freilandhaltung.

Eröffnet die Nachhaltigkeit Wege zu neuen Ufern?

(Zögert) Ich glaube ja. Wobei das ganze Thema im Moment noch sehr stark von reinen Zweck-Mittel-Überlegungen dominiert wird. In vielen Fällen geht es dabei gar nicht um konkreten Naturschutz, sondern nur darum, dass wir die Grundlagen, die wir zum Überleben brauchen, nicht zerstören. Ich möchte einen Schritt weiter gehen und sagen, dass es nicht nur darum geht, dass wir den Ast, auf dem wir sitzen, nicht absägen. Es geht nicht nur um das Überleben, sondern um ein gutes Leben.

Was ist darunter zu verstehen?

Das ist ein Leben im Einklang, in Sympathie mit der Natur. Anders gesagt in Liebe zur Natur. Das würde unser Leben ausgefüllter machen. Auch der sogenannte Normalverbraucher sucht doch nach Naturerlebnissen. Das einzige plausible Argument, das er gegenüber der Aufforderung anders zu handeln, in der Hand hat, ist, dass es zu komplex sei, dass er sich nicht um alles kümmern könne, dass er nicht bei jedem Produkt wissen könne, wie es hergestellt ist. Und an diesem Punkt hat der Verbraucher Recht. Hier ist die Politik gefragt, hier müssen entsprechende Gesetze geschaffen werden. Es muss bei Produkten klar gekennzeichnet werden, woher sie stammen und unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. Bleiben wir beim Beispiel Fleisch. Wenn man an den Fleischtheken Bilder zeigen würde, auf denen zu sehen ist, unter welchen Umständen die Tiere gehalten wurden, würde ich wetten, dass der Absatz von nicht artgerecht erzeugtem Fleisch deutlich zurückgeht. Das gleiche gilt für andere Lebensmittel.

Energiewende, Atomausstieg, Klimaschutz und Ökologie, das scheint doch alles eher anstrengend zu sein.

Das ist es auch. Aber eine Auseinandersetzung damit lohnt sich. Nebenbei gesagt bin ich mir aber nicht sicher, ob die aktuellen Maßnahmen zur Energieeinsparung sehr nachhaltig sind. Nach der Energieeinsparverordnung werden nun Häuser reihenweise gedämmt. Häufig mit Styropor, der unter hohem Energieaufwand hergestellt wird. Weil Styropor gut brennt, wurde und wird zusätzlich ein brandhemmender Stoff beigefügt, der an sich hochgiftig und biologisch nicht abbaubar ist. Man sollte im Kleinen anfangen und fragen, ob man im Winter in jedem Raum 22 Grad braucht.

Der Begriff Nachhaltigkeit ist mittlerweile recht abgegriffen. Kann man damit überhaupt noch jemanden erreichen?

Die Idee der Nachhaltigkeit ist in der Tat zu sehr zu einem Konjunkturprogramm verkommen. Bleiben wir bei energieeinsparenden Renovierungsmaßnahmen, um ein Beispiel zu geben. Bevor man die alten Fenster austauscht, sollte man prüfen, ob es nicht möglich ist, sie zu überarbeiten? Reduzieren, wiederverwenden, aufarbeiten. Mit diesen Begriffen, die ja seit längerem intensiv diskutiert werden, sollte eine kluge Politik der Nachhaltigkeit operieren.

Das Prinzip der Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Es geht darum, dass nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann. Lässt sich dass so leicht auf den Menschen übertragen?

Wenn wir global denken, sehen wir das Problem des Bevölkerungswachstums. Gehen wir von einem philosophischen Grundgedanken der Gegenwart aus, nachdem alle Menschen die gleichen Rechte haben – etwa auch gleich viel Energie zu verbrauchen, dann stehen wir eigentlich jetzt schon vor einem Problem: nicht alle Menschen können so leben wie wir. Das bedeutet: Entweder müssen wir von der Idee der Wachstumsgesellschaft Abschied nehmen oder eben ganz anders leben und konsumieren als bisher. Die Frage ist nur, wann das kippt. Ob die Menschheit, die Sache an einem bestimmten Punkt in die Hand nimmt, oder ob es sich von alleine regelt, wenn wir zu viele Menschen auf dem Planeten werden.

Dann geht es uns tatsächlich so wie Bäumen in einem verwilderten Wald?

Im Moment sieht es danach aus. Ein ökologisches Gleichgewicht wird sich immer wieder herstellen. Die Frage ist nur, welche Arten unter diesen Bedingungen überleben werden.

Klingt nicht sehr optimistisch. Wird sich der Gedanke der Nachhaltigkeit durchsetzen?

Global gesehen wird das sicher noch länger dauern. Wenn ich aber Europa betrachte, denke ich, dass es in den kommenden Jahren immer stärker zu einer Kultur des Verzichts bei Einzelnen kommen wird. Inwieweit das dann größere gesellschaftliche Gruppen erreichen wird, da bin ich noch skeptisch.

Es geht auch um Gerechtigkeit. Der Klimawandel etwa trifft zuerst die schwachen Entwicklungsländer.

Das mag sein, aber ich befürchte, dass das nur für die wenigsten ein Motiv zum Umdenken ist. Ich plädiere daher für ein Verhalten, durch das wir nicht nur zu anderen gerecht werden, sondern auch uns selbst etwas Gutes tun, weil unser Leben von dem Verhältnis zu den Dingen, die uns umgeben, abhängig ist. Wenn wir nicht alles sofort wegschmeißen, sondern eine andere Kultur des Umgangs mit unseren Produkten entwickeln, dann sind wir zufriedener. Wir sollten ein liebevolles Verhältnis zu unserer ganzen Umwelt entwickeln, nicht nur zu unseren Mitmenschen, sondern auch zu den Geschöpfen und zu den Dingen, die wir herstellen.

Ein schöner Gedanke. Klingt aber recht romantisch.

Da fühle ich mich missverstanden. Es geht nicht um Romantik. Jeder sollte sich fragen, wie er sich am besten fühlt. Nehmen Sie die Patina, die Dinge mit der Zeit bekommen. Warum finden wir so etwas denn schön? Weil die Dinge so individueller werden und wir eine affektive Beziehung zu ihnen entwickeln. Und solche Beziehungen tun uns gut. Das ist ein ganz simpler Zusammenhang.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Matthias Schloßberger (41) ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Philosophie der Uni Potsdam. Seine Schwerpunkte sind Philosophische Anthropologie und Geschichtsphilosophie.

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