Sport: „Habe für uns interessante Talente gesehen“
Turbine-Trainer Bernd Schröder über die WM in den USA, zum Spiel gegen Bayern und die deutschen Tugenden des Frauenfußballs
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Turbine-Trainer Bernd Schröder über die WM in den USA, zum Spiel gegen Bayern und die deutschen Tugenden des Frauenfußballs Haben Sie von den nächtlichen Live-Übertragungen von der WM in den USA schon Ringe unter den Augen? Weniger, denn es war ja immer ein Vergnügen, der deutschen Mannschaft zuzugucken. Wie beurteilen Sie die bisherigen Leistungen Ihrer Potsdamer Schützlinge? Ariane Hingst war in jeder Partie dabei, Conny Pohlers kurzzeitig gegen Argentinien, Viola Odebrecht gegen Russland. Da die Nationaltrainerin bei einer konstanten Besetzung geblieben ist, hatten unsere Nationalspielerinnen unterschiedliche Einsätze, in denen sie ihre Leistungen gebracht haben. Das ist auch genau das, was als Feedback aus den USA zu uns zurückkommt. Welche Resonanz haben Sie denn von Nationaltrainerin Tina Theune-Meyer erhalten? Sie hat auf einer Karte der Nationalmannschaft an uns noch einen persönlichen Gruß geschrieben: Herzlichen Dank für die Vorbereitung und gute Verfassung der Spielerinnen. Das soll sie nicht auf alle Karten geschrieben haben. Welche Erkenntnisse haben Sie denn als Bundesliga-Trainer aus den im Fernsehen verfolgten WM-Spielen ziehen können? Eigentlich keine neuen, denn wie die deutsche Nationalmannschaft spielt wissen wir. Und der kanadische und der US-amerikanische Fußball sind – bei aller Würdigung ihrer Leistungen – nicht unser Fußball. Diese langen Bälle nach vorn, dieses Athletische sind für ein Turnier nicht unbedingt falsch. Ich hatte aber beispielsweise von den Amerikanerinnen, die nach wie vor ein führende Rolle in der Welt spielen, ein bisschen mehr spielerische Substanz erwartet. War der 3:0-Halbfinalsieg Deutschlands über die USA für Sie überraschend? Er war nicht unbedingt zu erwarten, weil sich die Amis in solchen entscheidenden Spielen vor eigenem Publikum eigentlich immer noch einen Deut gesteigert haben. Letztendlich war er aber keine Überraschung. Wobei ich nicht über die Höhe rede, da die beiden letzten Tore erst in der Nachspielzeit fielen. Siegfried Dietrich, der Manager des 1. FFC Frankfurt, bezeichnete dieses 3:0 als einen Sieg der deutschen Bundesliga über die inzwischen pleite gegangene US-amerikanische Profiliga WUSA. Folgen Sie dem? Nein, denn die WUSA ist nicht die amerikanische Nationalmannschaft, sondern eine Zusammenwürfelung von Spitzenspielerinnen aus der ganzen Welt. Andererseits hat die US-amerikanische Nationalmannschaft nicht unbedingt von der WUSA profitiert, denn die eigenen Spielerinnen konnten sich in der WUSA nicht in Massen entwickeln. Das spricht wiederum für die deutsche Bundesliga mit ihren Spitzenklubs. Könnte es sein, dass die deutschen WM-Erfolge nun die Bundesliga noch attraktiver für ausländische Spielerinnen macht? Deren Interesse nimmt zu, aber es bleibt abzuwarten, ob das auch von den deutschen Klubs finanzierbar ist. Einerseits ist es, wenn jemand zu einem Bundesligaverein will, um eine neue Herausforderung zu suchen und um höhere Leistung zu bringen, okay. Andererseits ist das auch eine Kostenfrage. Denn die Bundesligaklubs haben durch diese Weltmeisterschaft – egal wie sie ausgeht – noch keinen Euro gewonnen. Noch nicht Noch nicht, und ich hoffe, dass sich der Erfolg nicht nur für die Einzelspielerinnen beispielsweise durch den einen oder anderen Privatsponsor auszahlt, sondern auch für die Mannschaften, die sie ausgebildet haben. Haben Sie selbst vorm Fernsehschirm auch die eine oder andere gegnerische Spielerin gesehen, die interessant für den FFC Turbine sein könnte? Ich habe die Spiele sehr aufmerksam verfolgt und beispielsweise in der kanadischen Auswahl eine sehr entwicklungsfähige junge Stürmerin gesehen, die auch von der Athletik her gut in unsere Truppe passen würde. In der russischen Mannschaft gibt es ebenfalls eine hochtalentierte junge Frau, und auch die chinesische Mannschaft, mit der wir schon seit einiger Zeit in Kontakt stehen, hat durchaus einige Spielerinnen, die auf Grund unserer Spielweise nicht uninteressant wären. Gab es schon Signale von Ihrer Kontaktperson in den USA hinsichtlich dieser Spielerinnen? Die gab es vor dem Ausscheiden der Chinesinnen im Viertelfinale. Aber die haben jetzt wahrscheinlich erst einmal ihre Tränen zu trocknen. Wie bedeutsam ist für Ihren FFC Turbine Potsdam der Einzug Deutschlands ins WM-Finale? Für eine Mannschaft, die prozentual das zweitgrößte Kontigent der Nationalmannschaft stellt – unabhängig davon, ob alle spielen–, ist das sehr wichtig, weil wir als Verein des Ostens und des Landes Brandenburg auch ein Spiegelbild der Leistungsstärke geben und zeigen, wie sich der Frauenfußball hier entwickelt hat. Nun ist entscheidend, wie wir diesen Schwung und die Leistung der Nationalelf auf den Klub projezieren können. Kann sich Turbine dadurch auch besser vermarkten? Ich hoffe es, denn Frauenfußball erlebt jetzt einen Boom. Und warum? Weil alles rings ums Fußballspiel stimmt. Siehe Nationalmannschaft: Selbst auf der Bank wird mit Herz und Seele gejubelt und sich gefreut. Das ist bei den Männern durch die stärkere Professionalisierung oft ein bisschen anders. Und diese Herzlichkeit wird von den Zuschauern wahr- und angenommen. Was sagen Sie zum erkämpften Olympia-Ticket für das DFB-Team? Für den Frauenfußball und besonderes auch für das Land Brandenburg, den Olympiastützpunkt Potsdam und unser Turbine-Model war es das überhaupt Wichtigste, mit dem Erreichen des Halbfinals die Qualifikation für Athen zu schaffen. Denn auf dem Weg dorthin haben nicht nur unsere jetzigen WM-Teilnehmerinnen ihre Chance, sondern auch weitere Potsdamerinnen. Da einige Nationalspielerinnen wie Bettina Wiegmann, Steffi Jones und Maren Meinert nach der WM aufhören, haben wir mit unserem WM-Quartett sowie Navina Omilade, Jennifer Zietz, Petra Wimbersky und Anja Mittag sogar acht Spielerinnen im erweiterten Olympiakader - was uns Tina Theune-Meyer bereits vor dem WM-Turnier andeutete. Sie standen zum Teil schon für die WM auf Abruf und müssen nun im Laufe der nächsten Monate im Rahmen von Lehrgängen und Spielen ihre Befähigung nachweisen. Wobei diese acht Spielerinnen – auch in Anbetracht in diesem Jahr nicht berauschender Ergebnisse in anderen Sportarten – nicht nur für Turbine, sondern für den gesamten Olympiastützpunkt Potsdam wichtig sind, oder? Da die Erwartungen in anderen olympischen Sportarten nicht so erfüllt wurden wie erhofft, ist man natürlich auch froh über diese Situation im Potsdamer Frauenfußball. Was nicht gegen die anderen Sportarten geht, sondern eher eine Momentaufnahme ist. Weil das Sportland Deutschland und – herunterprojeziert – die Sportstadt Potsdam in letzter Zeit nicht so massenhaft beeindruckende Erfolge hatte, sind wir sozusagen in eine Marktlücke gestoßen. Hätten wir zehn Weltmeister im Rudern, acht in der Leichtathletik und neun im Kanu, würde man unsere Erfolge unter ferner liefen registrieren. Was für uns nun aber gleichzeitig Verpflichtung ist. Verpflichtung auch für das WM-Cup-Finale am Sonnabend um 14 Uhr in Elstal, wo Turbine gegen den FC Bayern München spielen wird? Der Sieger von Elstal bekommt 600 Euro, der Verlierer 400 (lacht) Das ist der Unterschied zum Männerfußball, wo es wahrscheinlich um 600 000 Euro gegangen wäre. Aber unabhängig davon wollen wir das Endspiel natürlich gewinnen. Was alles andere als einfach wird. Warum nicht? Bayern wird mit voller Kapelle spielen und für das 1:8 kürzlich im Bundesliga-Hinspiel Revanche nehmen wollen. Uns dagegen fehlen seit zwei Wochen sechs Spielerinnen: Neben den vier WM-Teilnehmerinnen auch Peggy Kuznik und Anja Mittag, die in der vergangenen Woche mit der U21-Landesauswahl unterwegs waren und seit Dienstag beim Lehrgang der U19-Nationalmannschaft in Kaiserau weilen, von wo sie erst am Freitag zurückkehren. Daher konnten wir uns nicht optimal auf dieses Endspiel vorbereiten. Ich erwarte ein knappes Ergebnis, die Chancen stehen sicherlich fifty-fifty. Tags darauf folgt in Carson bei Los Angeles das Weltmeisterschafts-Endspiel Deutschland gegen Schweden. Was erwarten Sie von diesem Finale? Ich erwarte auch dort ein knappes Resultat, aber mit einer leichten Favoritenstellung Deutschlands. Die Schwedinnen bevorzugen den nordischen Stil, also geradlinigen Fußball einer kompakt stehenden Mannschaft. Die Schwedinnen ist mannschaftlich noch geschlossener als die USA, haben aber nicht diese Einzelkönnen. Sie werden ganz eng am Mann stehen, so dass es schwer wird zu kombinieren. Es darf in diesem Finale allerdings nicht passieren, dass vor den Augen aller Welt Frauenfußball nur als athletische Vorstellung in Erscheinung tritt. Wir müssen unsere Tugenden in die Waagschale werfen. Wie definieren Sie die deutschen Tugenden im Frauenfußball? Als eine gute Mischung zwischen technisch hochqualifiziertem Spiel und athletischen Fähigkeiten, gepaart mit hohem Einsatzwillen und Fußball mit Herz. Hat Bundesligist Turbine Potsdam schon die gleichen Tugenden? Wir lernen immer wieder von der Nationalmannschaft, die aber ein anderes Spielsystem als Turbine hat. Vom Willen her – möglichst viele Tore zu schießen und selbst möglichst wenige zu kassieren – kommen wir uns jedoch sehr nahe. Wie nahe wird Ihre Mannschaft am Sonntag dem DFB-Team sein? Werden Sie sich zusammen das Endspiel anschauen? Ja, wir werden gemeinsam Fernsehen im Fernsehen sehen. Der RBB Brandenburg – ehemals ORB – hat uns zu sich eingeladen und will dann unsere Reaktionen im Finale mit der Kamera einfangen. Das Interview führte Michael Meyer
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