Kolumne: Etwas HELLA: Habt euch bitte lieb
Die beiden sind nicht 50, nicht 150, nein sie sind schon fast 300 Jahre verheiratet, also genau genommen sind die Stadt Potsdam und die Schlösser und Gärten 270 Jahre ein Paar. Und wie in jeder Ehe gab es Höhen und Tiefen und da beide recht jung und ansehnlich geblieben sind, gibt es offenbar immer noch den ganz alltäglichen Ehestreit.
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Die beiden sind nicht 50, nicht 150, nein sie sind schon fast 300 Jahre verheiratet, also genau genommen sind die Stadt Potsdam und die Schlösser und Gärten 270 Jahre ein Paar. Und wie in jeder Ehe gab es Höhen und Tiefen und da beide recht jung und ansehnlich geblieben sind, gibt es offenbar immer noch den ganz alltäglichen Ehestreit. Es geht natürlich nicht darum, wer immer die Zahnpastatube offen lässt und wessen Schuhe ständig im Weg rumstehen, sondern eher, wer sich wo mit dem Fahrrad oder auch nur joggend fortbewegen darf. Welche Seeufer badeverdächtig sind, aber trotzdem als Kulturerbe geschützt werden müssen und warum Leute ihr Essen und Trinken und was weiß ich sonst noch bis in die Parks tragen können, sich aber an den leeren Behältnissen einen Bruch heben, sodass sie diese dort fallen lassen müssen, wo sie gerade stehen und gehen.
Hatte in der jungen Ehe noch vorwiegend „er“ das Sagen, nämlich seine Majestät, der König, in der DDR dann eher Partei und Regierung, die mit so einem Kulturerbe gern angaben, so wird seit der Wende demokratische Partnerschaft geübt. Und da das im Vergleich zu einer über 200-jährigen Ehe erst ein kurzes, aber nicht minder schwieriges Unterfangen ist, kracht es von Zeit zu Zeit immer noch. „Schatz“, hat zum Beispiel der Schlösserchef zu seiner städtischen Gattin gesagt, „du machst jede Menge falsch, liebst mich nicht genug und hilfst mir zu wenig, wenn ich für die notwendige Ordnung sorgen muss.“ „Liebling“, kontert die, „du bist manchmal ganz schön eigenwillig und machst ’ne Menge Sachen, ohne mich zu fragen, zum Beispiel die Übertragung des Parks um die Villa Henckel an einen wohlhabenden prominenten Potsdamer. Und für den Freizeitspaß unserer Kinder – sprich der Stadtbewohner – hast du oft so wenig Verständnis, dass die dann bockig werden. Ich sage nur: Fahrradschiebestrecken oder das Gezerre um das Bad im Park Babelsberg oder die Matrosenstation oder den Fußballplatz gleich daneben oder Sichtachsen... Jaja, ich halte schon die Luft an und drohe auch nicht mit einem Eheberater in Form der Kulturministerin, die schon mal diesen und jenen Streit schlichten musste.“
Ich weiß ja nicht, wie viele Mottos es für dieses Jahr gibt, aber ich möchte eines hinzufügen: Bitte, habt euch alle lieb! Und findet eine Möglichkeit, den Park Sanssouci eintrittsfrei zu halten. Denn was wäre das für eine Geste, wenn ausgerechnet jetzt so viele Flüchtlinge, die kein Geld haben, vor abgeriegelten Kulturerbe-Toren stünden? Außerdem muss der arme Oberbürgermeister gerade den Ausstieg zweier Dezernenten verkraften. Der fürs Bauen Zuständige musste gehen, weil er das Stadtoberhaupt arg ge- und damit enttäuscht hat und die für Soziales, Gesundheit, Jugend und Ordnung will ihn verlassen, weil sie ihre Familie noch lieber hat als ihre vielen Fachämter.
Da muss man ihn als Schlösserstiftung einfach mal in den Arm nehmen und tröstend sagen: „Wir haben zwar den Todestag von Peter Joseph Lenné vergessen, aber dich und deine aus dem Stadtsäckel für den Park Sanssouci gespendeten Millionen vergessen wir nie.“
Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.
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