Aus dem GERICHTSSAAL: Haftstrafen für Aldi-Räuber Gericht: Tat unter Suchtdruck begangen
„Ich habe kassiert und nicht hochgeschaut. Auf einmal spürte ich etwas Feuchtes im Gesicht und schloss reflexartig die Augen“, erinnerte sich Ingrid I.
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„Ich habe kassiert und nicht hochgeschaut. Auf einmal spürte ich etwas Feuchtes im Gesicht und schloss reflexartig die Augen“, erinnerte sich Ingrid I.* (57) im Zeugenstand. So habe sie auch nicht gesehen, wer in ihre Kasse griff und eine Handvoll Scheine – insgesamt 150 Euro – erbeutete. Es waren zwei Räuber, die am Nachmittag des 24. Mai die Aldi-Filiale am Schlaatz überfielen. Jens E. (43) und Ronny M. (36) wurden wenig später von der Polizei gestellt und saßen seitdem in Untersuchungshaft in Brandenburg.
Das Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle verurteilte die aus Wittenberg stammenden Täter am Mittwoch wegen schweren Raubes zu Freiheitsstrafen von je 15 Monaten. Da Flucht- und Wiederholungsgefahr bestehe, wurden die Haftbefehle aufrechterhalten.
Beide Angeklagten sind drogenabhängig, vielfach – auch einschlägig – vorbestraft, arbeits- und obdachlos. Am Tattag seien sie nach Potsdam gefahren, um Heroin von einem Dealer zu besorgen, der zumeist am Schlaatz stehe und auch anschreibe, wenn man gerade kein Geld hat, ließ das Duo über seine Anwälte erklären. Doch der Händler sei nicht da gewesen, Entzugserscheinungen hätten ihnen das Hirn vernebelt. Um die Symptome zu lindern, hätten sie Korn und Bier getrunken, dann spontan den Plan gefasst, die Filiale zu überfallen. „Ich habe immer Deospray dabei, weil ich so schwitze“, erzählte Jens E. Um nicht aufzufallen, habe er zwei Bier bezahlt, dann mit der Spraydose in die Luft gesprüht und blitzschnell das Geld ergriffen. „Wir hatten keine Details abgesprochen. Ich wusste aber, dass Jens immer ein Deo dabeihat“, räumte Ronny M. ein.
„Das war Sekundensache. Ich habe noch versucht, mich über die Kasse zu werfen, aber da war es schon zu spät“, berichtete Aldi-Mitarbeiterin Ingrid I. „Ein Kunde rannte den Tätern hinterher, eine Kundin hat versucht, mich zu beruhigen.“ Schmerzen im Gesicht habe sie nicht verspürt, sondern einen angenehmen Duft wahrgenommen. Dennoch sei sie nach dem Überfall „ein bisschen unruhig gewesen“, sagte die Frau. „Wenn jetzt Personen in die Filiale kommen, die ich nicht kenne, gucke ich sie mir schon genauer an.“
Der Staatsanwalt hatte Freiheitsstrafen von je eineinhalb Jahren für die unter Bewährung stehenden Angeklagten beantragt. Verminderte Schuldfähigkeit wegen ihres Alkoholkonsums am Tattag sah er nicht. Allerdings ging er von einem minderschweren Fall aus. Dem folgte auch das Schöffengericht. „Die Beute war gering, die Kassiererin erlitt keine Folgeschäden. Wir sind aber davon überzeugt, dass sich die Angeklagten, die unter akutem Suchtdruck standen, abgesprochen haben“, so die Vorsitzende. „Nutzen Sie die Möglichkeiten einer Therapie während der Haftzeit“, gab sie ihnen mit auf den Weg. (*Name geändert.) Hoga
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