Landeshauptstadt: Halber Preis für den Party-Express
In Potsdam können Jugendliche wieder billige Fifty-Fifty-Taxi-Tickets erwerben. Das soll helfen, Unfälle zu vermeiden
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Jugendliche kommen spätnachts aus einer Disko – lachend, aufgedreht, angetrunken. Obwohl keiner mehr fahrtüchtig ist, setzen sie sich ins Auto und fahren los. Das Radio ist laut, das Tempo hoch, die Aufmerksamkeit niedrig. Die scharfe Kurve wird zu spät bemerkt. Wenig später steht am Straßenrand ein Kreuz.
Noch immer wiederholen sich solche nächtlichen Unfälle jugendlicher Party- Gänger regelmäßig, gerade in ländlichen Gebieten und Flächenländern wie Brandenburg. Um dies zu verhindern, verkauft die AOK Nordost bereits seit 1995 sogenannte Fifty-Fifty-Taxi-Tickets, mit denen Nachtschwärmer zum halben Preis Taxi fahren können, um unbeschadet nach Hause zu kommen. Finanziert wird das Angebot vom brandenburgischen Infrastrukturministerium, das in diesem Jahr 62 500 Euro für die Initiative bereitstellt. Auch in Potsdam startete am 15. Februar offiziell der Verkauf der neuen Tickets für 2013 – mit Erfolg: „Innerhalb einer Woche sind wir schon 173 Stück losgeworden“, sagt Sabine Merboth von der AOK Nordost in Potsdam. Allein im letzten Jahr wurden laut Gabriele Rähse, Pressesprecherin der AOK Nordost, rund 3400 der Fifty-Fifty-Tickets in Potsdam erworben. Und das, obwohl Potsdam ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrssystem besitzt. „Es gibt ja auch viele Leute, die außerhalb wohnen und abends nach Potsdam fahren“, sagt Merboth, „wir bleiben jedenfalls nicht auf den Tickets sitzen“.
Jana Birnbaum, Pressesprecherin der für Potsdam zuständigen Polizeidirektion West, hält die Fifty-Fifty-Tickets grundsätzlich für sinnvoll: „Ob die Nutzung dieser Tickets eine Reduzierung der Verkehrsunfälle zur Folge hatte, lässt sich aus polizeilicher Sicht aber nicht sagen.“ Im Jahr 2011 ereigneten sich in Potsdam 99 sogenannte Baumunfälle, 2012 waren es 84. Auch die insgesamt durch Jugendliche in Potsdam verursachten Unfälle haben sich im vergangenen Jahr verringert: 2011 waren es noch 903, 2012 lag die Zahl bei 768.
Die Tickets werden über den vom Käufer gewünschten Betrag ausgestellt, der sich beim Bezahlen der Taxifahrt verdoppelt. Sie funktionieren wie Gutscheine: Erwerben kann sie jeder, einlösen jedoch nur Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren. „Auch Eltern und Großeltern kaufen sie bei uns, das ist ganz gut durchmischt“, so Merboth. Gültig sind die Tickets an Wochenenden und Feiertagen sowie an den jeweiligen Vorabenden, die Fahrten müssen in Brandenburg beginnen oder enden. Ausgegeben werden sie von den Service-Centern der AOK Nordost: 49 gibt es davon in Brandenburg, zwei in Potsdam, eines davon befindet sich im Stern-Center, das andere in der Innenstadt. „Es wurde vereinbart, dass zusätzlich zu den Service-Centern auch mehrere Bürgerläden in den Vertrieb der Tickets eingebunden werden“, sagt Jens-Uwe Schade, Sprecher in Brandenburgs Infrastrukturministerium.
2012 hatten die AOK und das Land diskutiert, ob die Tickets direkt bei Diskotheken oder im Internet angeboten werden sollten. Dies wurde jedoch verworfen, so Schade: „Die Prävention von Missbrauch würde hier wesentlich erschwert. Der Taxi-Markt ist stark von Konkurrenz geprägt.“ Sprich, man befürchtet, dass Tickets in großen Mengen von den Falschen gekauft würden, etwa von Taxiunternehmen, die dann für ihre Kunden billigere Fahrten anbieten könnten. Auch in anderen Bundesländern sei ein spontaner Erwerb von Fifty-Fifty-Tickets vor Ort nicht möglich, so Schade.
Außer in Brandenburg gibt es die Fifty-Fifty-Tickets auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sowie vereinzelt in den alten Bundesländern. Entwickelt worden sei die Idee vom brandenburgischen Verkehrsministerium. In Berlin, das zum Gebiet der AOK-Nordost gehört, gibt es das Angebot nicht: „Der öffentliche Personennahverkehr ist in Berlin sehr gut ausgebaut“, sagt Rähse. In Brandenburg sind die Tickets ein Erfolg: Im vergangenen Jahr seien hier 96 Prozent der Tickets verkauft worden, so Rähse. Erik Wenk
www.aok-on.de/nordost
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