Sport: Halbes Jahrhundert mit Unterbrechung
Die Modernen Fünfkämpfer feiern heute das 50-jährige Jubiläum ihrer Sportart in Potsdam
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Wenn sich heute im Luftschiffhafen ehemalige und aktive Moderne Fünfkämpfer treffen, um ein besonderes Jubiläum zu feiern, werden die Jungen wahrscheinlich gespannt den Erzählungen der Älteren lauschen. Aus der Anfangszeit, als vor 50 Jahren alles begann, als in Potsdam diese vielseitige und dennoch eher unpopuläre Sportart aus der Taufe gehoben wurde. Und die Jungen werden nicht ohne Stolz berichten können, was sie aus all dem gemacht haben, wie sie den „Staffelstab“ weiter getragen haben und vor welch großen Aufgaben sie in den kommenden Monaten und Jahren stehen.
Einer, der besonders in Erinnerungen schwelgen wird, ist Klaus Petrikowski. Als junger Athlet gehörte er zur ersten Garde jener „Diplomaten im Trainingsanzug“, die nach dem Krieg den Modernen Fünfkampf in Potsdam aufbauten. „Das war eine schöne und auch eine recht erfolgreiche Zeit“, denkt der heute 70-Jährige zurück. „Ich hatte in dieser Zeit 25 internationale Starts, wurde Siebenter bei der WM in der Schweiz, und überhaupt hatten wir bei jeder Weltmeisterschaft immer vier Leute nominiert.“
Dabei war der Anfang für den jungen angehenden Offizier nicht einmal leicht. Die Eignungstests im Laufen, Reiten, Schießen und Fechten bestand er gut – allerdings reichte Brustschwimmen beim Modernen Fünfkampf nicht aus. „Ich brauchte damals eine mitleidige Welle, die mich nach vorn bringt. Und so musste ich mit 19 Jahren unter anderem im Werner-Alfred-Bad nochmal andere Techniken lernen“, erzählt Petrikowski, der 1962 an den Weltmeisterschaften in Mexiko teilnahm und nur wegen sportpolitischer Querelen zwischen den ost- und westdeutschen Verbänden bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio nicht an den Start gehen konnte.
Die Bedingungen in Potsdam, wo sich im Wildpark bereits die Fünfkämpfer bei den Olympischen Spielen 1936 auf ihre Wettkämpfe vorbereitet hatten, waren bis auf jene für das Schwimmen bestens. Die heutige Fechthalle im Luftschiffhafen diente der Schießausbildung, und auch einen Reitstall mit Heuboden für das Futter gab es. Um die Pflege und Ausbildung der Pferde kümmerten sich eigens angestellte Bereiter, so dass sich die Athleten voll auf ihren Sport konzentrieren konnten.
Am Ende nutzte jedoch alles nichts: 1968 kam das Aus für den Modernen Fünfkampf in Potsdam – der Staat setzte mehr auf medaillen- und weniger preisintensive Sportarten. „Einige von uns hatten danach Schwierigkeiten, ihr Leben zu ordnen“, erzählt Klaus Petrikowski, der anschließend ein Studium an der Pädagogischen Hochschule aufnahm und fortan als diplomierter Sportlehrer an der PH tätig war.
Erst die Wende weckte den Modernen Fünfkampf in Potsdam aus seinem Dornröschenschlaf. Gemeinsam mit Peter Stanitzki und Günther Weber, seinen Mitstreitern aus alten Zeiten, baute Petrikowski seine Sportart im Luftschiffhafen wieder auf: Am 4. August 1990 ließen 21 ehemalige Fünfkämpfer an historischer Stätte auf dem Gelände des einstigen Armeesportklubs (ASK) die Sportart wieder aufleben. „Unser Fünfkämpferblut träufelte noch“, erinnert sich Petrikowski, der heute noch als Abteilungsleiter im OSC Potsdam tätig ist. „Aber wir haben damals auch eine tolle Unterstützung aus dem Westen bekommen, die den Neuanfang etwas einfacher machte.“
Seitdem hat sich vieles getan. Neben dem Stützpunkt in Berlin werden in Potsdam die großen Erfolge vorbereitet, die mit den Weltcup-Meriten von Jörg Beutler Mitte der 90er Jahre ihren Anfang nahmen. Die amtierende WM-Zweite im Fünfkampf, Kim Raisner verstärkt inzwischen das Trainer- und Übungsleiterteam um Claudia Adermann, aber auch die enge Zusammenarbeit mit Berlin hat sich ausgezahlt. So wird der Berliner Weltmeister Eric Walther vom Potsdamer Schieß-Coach Günter Weber im Luftschiffhafen betreut, während Potsdamer Junioren wie Stefan Köllner (Staffel-WM-Medaillengewinner der Junioren), Matthias Lehmann, Martin Busse, Nico Kreuschmer, Tim Reißland, Sebastian Wallek und Nico Runge im Reiten unter der Obhut des Berliner Bundestrainers üben.
Längst ist indes jedoch auch die Männerdomäne im Modernen Fünfkampf gebrochen. In Potsdam haben sich Katrin Viert, Anja und Steffi Sielaff, Maria Richter, Christina Prodell und nicht zuletzt Carolin Sikora, die sich kürzlich in Prag über EM-Bronze freuen konnte, etabliert. Enge Zusammenarbeit besteht auch mit der Eliteschule des Sports, an der mittlerweile in jedem Jahr vier Moderne Fünfkämpfer eingeschult werden.
Beste Bedingungen finden die jungen Athleten in jedem Fall vor: Allein das Reiten bringt seine Schwierigkeiten mit sich. Neben den Möglichkeiten in Berlin ist inzwischen auch eine Kooperation mit dem Reitverein an der Drewitzer Straße abgeschlossen worden. B-Jugendliche ab 16 Jahre dürfen dort trainieren – vorausgesetzt, sie kommen im Schwimmen und Laufen auf mindestens 1800 Punkte.
Einige Überlegungen, die anspruchsvolle Mehrkampfsportart aus dem olympischen Programm zu streichen, sind vorerst verworfen worden. Nicht zuletzt wäre dies auch ein Affront gegen den Gründer der neuzeitlichen Spiele, Baron Pierre de Coubertin, der den Modernen Fünfkampf als eine Mischung aus eher bürgerlicher Sportarten wie Reiten, Fechten und Schießen und volkstümlichen wie Schwimmen und Laufen neu kreierte. Daher gehen also auch 2008 in Peking Moderne Fünfkämpfer an den Start. Und unter ihnen sollen möglichst auch zwei aus dem Potsdamer Luftschiffhafen sein.
Henner Mallwitz
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