Potsdam führt Hausmüll-Ranking an: Hausmüll in Potsdam: Nicht ganz sauber
Ein Ranking des Portals billiger.de führt Potsdam als Deutschlands Müllhochburg. Die Stadt widerspricht. Doch so einfach ist es nicht.
Stand:
Potsdam ist es gewöhnt, in bundesweiten Vergleichen häufiger einen der vorderen Plätze zu belegen – beispielsweise bei der Zahl der Geburten, der Kitaplätze oder der neu gebauten Wohnungen. Doch nicht immer ist ein Spitzenplatz auch eine gute Nachricht. So belegt die Stadt in einem am Donnerstag veröffentlichten Ranking des Vergleichsportals billiger.de eine wenig schmeichelhafte Position in der Spitzengruppe: Potsdam zähle zu den Müllhochburgen Deutschlands, so das Ranking.
Demnach verursachte jeder Potsdamer im Jahr 2015 rund 266 Kilogramm Hausmüll. Das seien 35 Prozent mehr als der Bundesdurchschnitt. Die Abfälle ihrer Bewohner bringen die Stadt auf Platz 22 unter 200 verglichenen Landkreisen und kreisfreien Städten. Bundesweit an der Spitze steht Bremerhaven mit 347 Kilogramm Hausmüll pro Kopf und Jahr. Dort landeten allerdings auch 70 Prozent des gesamten Abfalls im Hausmüll – die Mülltrennung funktioniert also schlecht. Auch in Potsdam wurde 2015 nicht besonders gut getrennt: 60 Prozent aller Haushaltsabfälle landeten laut billiger.de im Hausmüll. Im bundesweiten Durchschnitt sei es nur knapp die Hälfte.
Stadtverwaltung in Potsdam über das Ranking verärgert
Die Daten hat billiger.de nicht selbst erhoben, sondern bei Kommunen, statistischen Landesämtern und dem statistischen Bundesamt ermittelt. Es sei zu beachten, dass in Urlaubsregionen ein Teil der Abfallmenge auf die Touristen zurückgehe. Man sei sich zudem bewusst, dass die Müllmengen durch unterschiedliche Abfallsatzungen und verschiedene Logistik in den Kommunen beeinflusst würden, heißt es am Ende im Kleingedruckten.
Das hat möglicherweise auch in Bezug auf Potsdam das Ergebnis verzerrt. In der Stadtverwaltung ist man über das Ranking gar nicht erfreut. „Wir können die als Grundlage des Vergleichs genutzten Abfallmengen nicht nachvollziehen, auch wurde bei uns diesbezüglich nicht angefragt“, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow den PNN. Die Grundlage der Berechnung sei falsch.
„Von Müllhochburg kann keine Rede sein“
Tatsächlich seien im Jahr 2015 in Potsdam 175 Kilogramm Hausmüll je Einwohner über die Hausmülltonnen angefallen. Selbst wenn man – wie die Macher des Rankings – den Sperrmüll hinzurechne, komme man nicht auf die von billiger.de genannte Menge. Denn pro Potsdamer wurden im Jahr 2015 nur 27 Kilogramm Sperrmüll gezählt. „Von Müllhochburg, wie polemisch und unseriös formuliert, kann also keine Rede sein“, so Brunzlow.
Schaut man sich alle Müllsorten zusammen – also inklusive Biomüll und Wertstoffen wie Glas und Verpackungen – an, schneidet Potsdam in dem Ranking gar nicht so schlecht ab. Erst auf Platz 124 findet sich die Landeshauptstadt dort. Mit 446 Kilogramm Abfall pro Kopf liegt sie sogar unter dem Bundesdurchschnitt von 455 Kilogramm.
Potsdamer Biomüll wird im Humus- und Erdenwerk kompostiert
In der Zuordnung der verschiedenen Kategorien könnte auch ein Grund liegen, warum Potsdam beim Hausmüll in dem Ranking vorn landet: Bis 2015 gab es in Potsdam nämlich kaum Biotonnen. Die wurden erst im vergangenen Jahr flächendeckend eingeführt. Seitdem wurden laut Stadt fast 11 000 Biotonnen aufgestellt. Das kam offenbar gut an. Im vergangenen Jahr seien laut Stadtverwaltung 6547 Tonnen Biomüll angefallen. Pro Kopf sind das 39 Kilogramm. Mit der Müllmenge liege man bereits jetzt über den in der Bioabfallstrategie des Landes für 2020 vorgesehenen 30 Kilogramm pro Einwohner. Der Potsdamer Biomüll wird laut Stadt im Humus- und Erdenwerk in Jühnsdorf bei Zossen kompostiert. Die Qualität des aus Potsdam angelieferten Bioabfalls sei nach Aussagen des Bioabfallverwerters gut. Weniger scheint der Abfall dadurch insgesamt aber nicht geworden zu sein. Denn in den Hausmülltonnen landeten im vergangenen Jahr immer noch 149 Kilogramm pro Kopf. Zusammengerechnet ist das mehr als im Vorjahr 2015, als es noch keine Biotonnen gab.
Der Müllzuwachs in Potsdam reiht sich damit in einen langfristigen Trend ein. Zwischen 2005 und 2015 sei die Müllmenge insgesamt in Deutschland um sieben Kilogramm pro Kopf gewachsen, heißt es in dem Ranking. Die Deutschen gehören zur Weltspitze im Müllproduzieren. Jede Sekunde würden beispielsweise 89 Einwegbecher für Coffee-to-go oder Softdrinks weggeworfen. Jahr für Jahr wandern drei Milliarden Kaffeekapseln in deutsche Mülltonnen.
Kritik an der Potsdamer Entsorgungspraxis
Nicht nur die Menge, sondern auch der Transport des Mülls belasten die Umwelt: Vor zwei Jahren gab es Kritik an der Potsdamer Entsorgungspraxis, weil die Abfälle ins 180 Kilometer entfernte Schwedt gefahren wurden. Ein dortiges Entsorgungsunternehmen hatte sich in einer europaweiten Ausschreibung für die Potsdamer Müllentsorgung qualifiziert. In der nächsten Ausschreibung sollte ein Punktesystem eine möglichst nahe Entsorgung honorieren. Mittlerweile wird der Potsdamer Hausmüll nach Angaben der Stadtentsorgung Potsdam (Step) in Großcontainern nach Staßfurt in Sachsen-Anhalt zur Verbrennung gebracht. Distanz: 170 Kilometer.
+++
Lesen Sie weiter:
Wer Umwelt und Klima schonen will, kommt nicht umher, bei sich selbst anzufangen, meint PNN-AUtor Marco Zschieck in seinem Kommentar.
+++
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: