Links und rechts der Langen Brücke: Heikle Angelegenheit
Henri Kramer über den aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes und die Lehren, die Potsdam daraus ziehen kann
Stand:
Ein Verfassungsschutzbericht ist eine heikle Angelegenheit: Eine Behörde schreibt und recherchiert mithilfe von Geheimdienstmethoden, wer dem demokratischen Staat feindlich gegenübersteht und im Zweifelsfall deswegen sogar gewalttätig wird. Dabei nennt die Behörde konkrete Vereine und Personen mit Namen. Die jeweilige Erwähnung führt direkt ins gesellschaftliche Abseits – insofern haben die Verfassungsschützer für ihre Einschätzung eine hohe Verantwortung.
Der brandenburgische Verfassungsschutz hat in jüngster Vergangenheit für viele Diskussionen in Potsdam gesorgt. In dieser Woche traf es die „Islamische Gemeinschaft am Park Sanssouci“ (IGAPS), die laut Verfassungsschutz „für einen islamistischen Extremismus“ steht, „der antisemitische und antikapitalistische Ideologie mit rechtsesoterischen Tendenzen vermengt“. Die Stadtverwaltung löschte sofort die IGAPS-Adresse von einer offiziellen Kontaktliste für Migranten.
Das war richtig. Angesichts der stichhaltigen Vorwürfe wäre auch ein klareres Bekenntnis aus dem Migrantenbeirat wünschenswert gewesen, statt sich einfach demnächst unverbindlich mit der IGAPS-Gemeinde zu treffen.
Wer aus Potsdamer Sicht auffällig im aktuellen Verfassungsschutzbericht nicht erwähnt wird, ist der mit staatlichen Mitteln geförderte „Inwole“-Verein, bekannt für Jugendarbeit und ein Mehrgenerationenhaus in Babelsberg. Noch im Winter wurde die Gruppe vom Verfassungsschutz wegen eines Plakats und Verlinkungen auf ihrer Internetseite angezählt und musste in der Folge um die weitere Förderung bangen. Der Verein löschte die monierten Inhalte. Und prompt taucht „Inwole“ nicht mehr im Verfassungsschutzbericht auf. Hier offenbart sich der wichtige Unterschied, den der Verfassungsschutz zwischen linksextrem und linksalternativ macht, machen muss. Überdies ist das Signal deutlich: Nur weil sich der „Inwole“-Verein von allen verfassungsfeindlichen Inhalten verabschiedete und somit einen Fehler eingestand, behält er seine zum Überleben nötigen Fördermittel.
Gelder vom Staat haben jüngst auch das Jugendkulturhaus „Archiv“ und das geplante „Freiland“-Jugendzentrum erhalten. Auch sie sprechen vor allem linksalternatives Publikum an – und wohl auch einige Extreme. Der Verfassungsschutz wird mit Sicherheit hinschauen. Es liegt an den handelnden Personen, sich klar von allzu politisch extremen Denken zu distanzieren, sonst ist, und das ist nur konsequent, der Anspruch auf Fördergelder futsch. Dies wäre bedauerlich. Denn die Debatten um „Archiv“ und „Freiland“ haben gezeigt, dass es viele junge, linksalternative Potsdamer gibt, die mit Demokratie bestens umgehen können und zugleich ihren kräftig bunten Tupfer in dieser Landeshauptstadt verbreiten. Das ist nicht nur für ein abwechslungsreiches Stadtbild wichtig: Erst in dieser Woche sagte Polizeichef Ralf Marschall, dass sich auch wegen dieser Szene für Neonazis in Potsdam kaum Chancen bieten.
Zuletzt: Auch eine Behörde wie der Verfassungsschutz kann sich einmal irren. Ist dies der Fall, sollte zumindest eine öffentliche Richtigstellung – weil die Berichte eben so sensibel sind – zum Standard werden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: