Sport: Herberger und Schön hatten ein Auge auf ihn
Babelsbergs Fußball-Institution „Schupo“ Tietz wird 85
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Babelsbergs Fußball-Institution „Schupo“ Tietz wird 85 „Im nächsten Augenblick fängt Tietz einen Angriff der Gäste ab, in rasantem Lauf saust er mit dem Ball nach vorn, überspielt einen Spieler nach dem anderen. Keiner ist im Stande ihn aufzuhalten, und aus vollem Lauf schmettert er den Ball ab – “Tor“ ist der Schrei der begeisterten Zuschauer, die damit Tietz ihren Dank für diese meisterliche Tat abstatten.“ Man spürt den Enthusiasmus des Berichterstatters der „Potsdamer Tageszeitung“ vom 24. November 1941 bei der Schilderung des Tores, das zum 2:1 für Eintracht 06 Babelsberg gegen den Weißenseer FC 1900 in einem Punktspiel der zweithöchsten Klasse im heutigen Karl-Liebknecht-Stadion führte und die Wende zum schließlichen 5:1 einleitete. Der so treffend beschriebene Heinz „Schupo“ Tietz, eine herausragende Institution des Babelsberger Fußballs, begeht heute seinen 85. Geburtstag, wozu ihm eine große Fußball-Gemeinde Wohlergehen und vor allem bestmögliche Gesundheit wünscht. Heinz Tietz begann bei Concordia 06 Nowawes im Arbeitersport mit dem organisierten Fußballspiel. Schon in ganz jungen Jahren hatte er seinen lebenslangen Spitznamen weg, als er auf dem heutigen Weberplatz angesichts des dort nicht erlaubten Spiels als Kleinster seine Kameraden vor dem nahenden „Schupo“ (Schutzpolizist) zu warnen hatte. Nach dem Verbot des Arbeitersports 1933 spielte er bei Nachfolger Eintracht 06, debütierte am 29. August 1937 beim 4:0 beim Brandenburger SV 21 in der „Ersten“ und stand schon eine Woche später als 17-Jähriger gemeinsam mit Karl-Heinz „Schrippe“ Schröder, heute Ehrenpräsident des SV Babelsberg 03, der in diesem Jahr ebenfalls 85 wurde – in einer Nowaweser Auswahl, die gegen eine Potsdamer Vertretung 4:1 gewann. In wenigen Jahren wurde „Schupo“ zum Dreh- und Angelpunkt der aufstrebenden Eintracht-Elf. Bald wurde Nationalmannschaftstrainer Sepp Herberger auf ihn aufmerksam und zog ihn 1940 zweimal für die von ihm mit betreute Berlin-Brandenburgische Auswahl gegen Mittelrhein und Baden heran. Der Krieg war auch für Heinz Tietz das entscheidende Hindernis für die ganz große Laufbahn. Die meisten seiner Mannschaftskameraden kamen nicht zurück, er selbst konnte glücklich sein, dass er 1947 nach Krieg und Gefangenschaft wieder wohlbehalten zu Hause war. Tietz stürmte auf dem linken Flügel der SG Babelsberg gemeinsam mit „Jackie“ Gregor; beide schossen Tore am laufenden Band. 1949 wurde er mit seiner Mannschaft Landesmeister von Brandenburg, was mit der Qualifikation für die neu gegründete DDR-Oberliga verbunden war. Inzwischen dirigierte er das Spiel von der Position eines zurückhängenden Mittelstürmers, bis er dann den Platz des rechten Außenläufers einnahm. Aus der brandenburgischen Landesauswahl war „Schupo“ bald nicht mehr wegzudenken. Der spätere BRD-Nationaltrainer Helmut Schön, bis 1950 in Dresden ansässig, plante ihn fest für die anfangs von ihm betreute DDR-Auswahl ein; für seine Nachfolger galt Tietz dann als „zu alt“. Gern denkt er an die Flutlichtpremiere Silvester 1949 im DDR-Dress in Dresden gegen die SG Friedrichstadt und an ein Spiel der DDR-Auswahl gegen eine polnische Vertretung am 21. April 1951 in Berlin zurück. Für Rotation Babelsberg lief „Schupo“ Tietz zwischen 1949 und 1956 – lange Jahre als Kapitän – zu 203 von 208 möglichen Meisterschaftsspielen der DDR-Oberliga auf, von denen viele den Fans unvergessen blieben. 27 Mal überwand er den gegnerischen Torwart. Nach den dramatischsten, leistungsmäßig besten Partien der damaligen Rotation-Truppe befragt, nennt er ohne zu zögern das 5:3 – nach 2:3-Halbzeitrückstand – am 18. Oktober 1953 gegen den amtierenden DDR-Titelträger Dynamo Dresden vor 12000 Zuschauern im „Karli“ und das 3:2 am 9. Mai 1951 an gleicher Stelle vor 10000 Besuchern gegen Meister Chemie Leipzig, wo er per Fallrückzieher Heiner Schuster den Kopfball zum Siegtreffer ermöglichte. Schon während seiner aktiven Zeit war Heinz Tietz Leiter der Fußball-Sektion von Rotation Babelsberg. In der Folgezeit leistete er in verschiedenen Funktionen aktive Arbeit und führte 1971 Motor Babelsberg als Trainer zurück in die DDR-Liga. Lange Jahre erwarb er sich große Verdienste in der Nachwuchsarbeit. Viele Aktive, die sich später in der „Ersten“ bewährten, waren in jungen Jahren von ihm geformt worden. Beruflich war Tietz nach dem Krieg über 20 Jahre in der Druckerei der „Märkischen Volksstimme“ tätig, zuletzt als Obermeister. Ab 1949 arbeitete er hauptamtlich für den Sport, wirkte als Instrukteur für den Massensport im Karl-Marx-Werk. Durch seine oft unbequeme und kritische Art erwarb er sich nicht nur Freunde. Dabei verdeckt manchmal die rauhe Schale den Kern eines empfindsamen, für Gerechtigkeit eintretenden hilfsbereiten Menschen. Wenngleich „Schupo“, der als Rentner in Babelsberg lebt, dem heutigen Fußball distanziert gegenübersteht („Ich habe nichts mit dem bezahlten Fußball zu tun.“), wird er nie vergessen, was ihm dieser Sport gegeben hat. Doch er hat alles zurückerstattet. So manche erfolgreiche Seite seiner Geschichte hat er inner- und außerhalb des Spielfeldes engagiert, verantwortungsbewusst und maßgeblich mitgestaltet.
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